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Kunstwart und Kulturwart — 26,1.1912

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1912)
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Batka, Richard: Opernregie
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Avenarius, Ferdinand: Albert Welti, der Mensch
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https://doi.org/10.11588/diglit.9024#0470

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an der Leistung der Solisten klebt, wird von den Zuschauern nicht an--
erkannt.

Ist schon die Abertreibung des Mimisch--Drastischen ein Unheil bei
Werken, die damit bis zu einem gewissen Maße rechnen, so kann
sie vollends verderblich und verwerflich werden bei Opern, denen dieser
Parallelismus zwischen Musik und Aktion nicht innewohnt. Da
heißt es dann: „Legt ihr's nicht aus, so legt ihr's unter." Ich will
nicht leugnen, daß die Hand eines Regisseurs von Rang auch in solche
Opern manche hübsche Wirkung bringen kann, aber gewöhnlich kommt
es zu argen Gewaltsamkeiten. Man merkt da zu viel Absicht und
scheidet mit dem unbehaglichen Gefühl, daß Unwesentliches betont,
Äberflüssiges hinzugetan worden ist. Aberladenheit ist das Merkmal
fast aller modernen Regiekunst, der die Gabe, die Aufmerksamkeit auf
das Hauptsächliche zu sammeln, leider immer mehr abhanden kommt.
Was wird nur allein durch falsche „Belebung" gesündigt! Wenn der
Schöpfer unser ganzes Interesse für die Auseinandersetzung zweier
Personen auf der Szene beansprucht, schickt der Herr Regiffeur nach
einer Weile zwei Mägde mit Krügen über die Bühne. Man nennt
das „beleben", lenkt aber damit nur von der Hauptsache ab.

Das Talent für das Unwesentliche ist es, was in den Köpfen unsrer
ehrgeizigen Spielleiter das meiste Unheil anrichtet. Verständ--
lichung des Kunstwerkes aber ist das wahre Endziel aller Inter--
pretationskunst, nur was ihr dient, werden wir als wahre Fördernng
des künstlerischen Lindrucks anerkennen. Die alte überwundene Opern--
weise und die modernste reichen einander schwesterlich die hand; sie
schieben beide das Drama in den tzintergrund. Iene um die musika--
lischen, diese um die Virtuosenkünste der Inszenierung frei spielen
lassen zu können. Die dienenden Glieder wollen die Oberherrschaft
an sich reißen: das alte Merkmal des Epigonentums. Wo aber ist
heute der starke schöpserische Geist, der sie wieder in ihre angemessenen
Schranken zurückdrängt? RichardBatka

Albert Welti^ der Mensch

Weihnachtsfest, nicht am Totenfest wollen wir Albert Weltis
^^gedenken. Nicht bloß, weil er einer der größten Bildner dieser Iahr-
^^zehnte war, ein Künstler, dessen Ruhm und dessen Wirken aufs
Volk nach unserm Glauben bei seinem Hinscheiden erst im Aufgehen
stand und noch wachsen wird weit über alles Vermuten der Maßgebenden
von heute hinaus. Auch nicht nur, weil viele von seinen Gaben gar
köstlich in die Stimmung passen, die das Behagen der Weihnachtsfeier im
deutschen Hause erweckt. Sondern deshalb vor allem, weil uns dieses
wundersamen Menschen Kunst als sonnwendetaglich frohe Bestätigung
erscheint: das Licht kehrt wieder, wie es noch immer wieder gekehrt,
es wird auch wieder voller Frühling werden im Lande deutscher Kunst.
Auf den Märkten verhandeln die Kunstmoden mit Naturalisten und
Impressionisten, Neo-Romantikern und Neomantikern, Futuristen und
Kubisten unter Kunsthändlern und Literaten ihr Getreide und ihr Ge°
müse mit Leithammel- und Herdenlämmer-Lärm — derweil aber wächst
abseits immer wieder da oder dort ein deutscher Bub heran, der iu aller
Ahnungslosigkeit die blaue Blume findet. Das ist das beglückende: Die

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Kunstwart XXVI, 6
 
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