Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
Hirsch, Fritz: Eine Treppenstudie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0169

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Jahrgang. Heft 7. April 1909.

Eine Treppenstudie.

Von Fritz Hirsch.

Wenn man die Architektur unter völliger Abstraktion von Zeit und Ort nach
Gesichtspunkten der organischen Entwicklung klassifizieren will, so dürfte man kaum
eine bedeutungsvollere Cäsur finden können als diejenige, die den Wandel in der Auf-
fassung des Begriffes «Treppe» markiert.

In der einen, seit Jahrtausenden den Erdball umfassenden Hälfte der Entwick-
lungsreihe ist die Treppe das unentbehrliche Verbindungsmittel übereinander gelegener
Räume, «un appendice indispensable ä tout 6difi.ce compose de plusieurs etages».1 Die
andere noch relativ junge Hälfte der Entwicklungsreihe, die in der Treppe den will-
kommenen Ausgangspunkt künstlerischer Raumentfaltung erblickt, und die im Zeitalter
der streng reglementierten Repräsentation unter französischer Herrschaft den Höhepunkt
der Entwicklungsfähigkeit in den monumentalen Schöpfungen vou Würzburg und Bruch-
sal überschritten hat, beherrscht das baukünstlerische Schaffen auch unserer Zeit. Kein
Architekt von heute, er möge einer Richtung angehören, welche es auch immer sei,
wird leugnen können, daß ihm bei der Konzeption des künstlerischen Gedankens jeder
monumentalen Bauaufgabe die Lösung der Treppenfrage, dieses uns so wichtig erschei-
nenden Gliedes des inneren Bauorganismus, den Weg zur Arbeit weist. Und so wird
es noch lange bleiben, denn auch die Popularisierung des Ascenseurs, die so manches
schöne Treppenhaus entvölkerte, hat es bisher nicht vermocht, der künstlerischen Be-
deutung der Treppe einen tödlichen Stoß zu versetzen.

Daß Balthasar Neumann von seinem fürstlichen Bauherrn mit den Plänen des
Würzburger Schlosses nach Paris geschickt wurde, um sich mit den Architekten des
Königs zu beraten, ist bekannt.2 Daß die endgültige Festlegung der Haupttreppe im

1 Viollet-le-Duc, Dictionnaire raisonne de l'architecture. —
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II.

2 Keller: Balthasar Neumann, Würzburg 1896.

20
 
Annotationen