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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

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Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Michaels, Sonja: Fachwerk-Herrenhäuser des Landadels in Nordwestdeutschland: ein Beitrag zur Typologisierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0056
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Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen


1 Landkreis Vechta, Bakum, Haus Harme. Herrenhaus (Innen-
ansicht), 1990er Jahre.


2 Landkreis Vechta, Stadt Vechta, Haus Füchtel. Herrenhaus
(Giebelansicht), 2011.


3 Landkreis Vechta, Stadt Vechta, Haus Füchtel. Herrenhaus
(wasserseitige Traufe), 2011.

Bei beiden Adelshaustypen ist vorstellbar, dass sich im
Dachgeschoss ein repräsentativer Raum befand,'8 so
wie es auch auf anderen, zeitgleichen, jedoch größe-
ren, in Massivbauweise errichteten Schlössern durch-
aus üblich war (z. B. im Weserraum Hämelschenburg

und Hülsede). Häufig wurden diese einfachen Herren-
häuser mit Pächterhäusern verwechselt, übersehen,
unterschätzt und in der Vergangenheit infolgedessen
oft unbeobachtet abgebrochen.19 Insbesondere die in
älterer Literatur genannte Formulierung, dass auf dem
alten Burgplatz „nur" noch ein „einfaches" Pächter-
haus bzw. Bauernhaus steht,20 ist vorsichtig zu bewer-
ten, denn es kann sich tatsächlich um ein Herrenhaus
handeln. Ein bekanntes Beispiel ist das „Wirtschafts-
gebäude" des Hauses Sondermühlen bei Osnabrück,
welches Roswitha Poppe (1974) als ehemaliges
Herrenhaus identifizierte.21 In Einzelfällen übersah
man sogar Herrenhäuser, die innerhalb eines Wirt-
schaftshofes „aufgingen" und überbaut wurden,
optisch nicht weiter auffielen und deshalb zunächst
unerkannt blieben (wie wohl das Gesindehaus auf
Haus Füchtel bei Vechta).
Es ist zu vermuten, dass der Typus „herrschaftliches
Hallenhaus" in seinen beiden Ausprägungen auch im
Oldenburger Münsterland einstmals üblich war.
Allerdings wurde ein Großteil der alten Herrenhäuser
niedergelegt, sodass eine Prüfung der These schwierig
ist. Nur ein einziges bekanntes Beispiel für den Typus
„herrschaftliches Hallenhaus mit Stallteil" blieb in der
Region Oldenburger Münsterland erhalten, wenn
auch nur rudimentär als entkerntes Fachwerkgerüst
mit zehn Gebinden Länge: Haus Harme Vechta.22
(Abb. 1) Im westlichen Bereich des Niederstiftes
Münster wurde noch um 1812 ein vergleichsweise
„altertümliches" Haus für eine Adelsfamilie errichtet:
Haus Hamm (bei Haselünne).23 Im benachbarten
Hochstift Osnabrück gibt bzw. gab es noch mehrere
Beispiele: Limbergen (1609)24 und möglicherweise das
schon erwähnte Haus Sondermühlen (1575[d]).25 Und
auch in anderen Regionen innerhalb des Verbrei-
tungsgebietes des niederdeutschen Hallenhauses26
sind vergleichbare Bauten des Adels nachweisbar, so
in Lippe,27 im westfälischen Münsterland28 und im
Elbe-Weser-Dreieck.29 Damit fand dieser Typus eines
einfachen Herrenhauses offenbar in ganz Nordwest-
deutschland Verbreitung30 - entsprechend dem
Verbreitungsgebiet des niederdeutschen Hallen-
hauses. Infolgedessen fehlt dieser Typus selbstver-
ständlich in Ostfriesland und im Jeverland. Hinsichtlich
der Bauherren zeigt sich, dass nicht nur einzelne
Adelsfamilien diese Hausform wählten, sondern auch
gehobene, bürgerliche31 Schichten sowie der „Beam-
tenadel" darauf zurückgriffen.32 Dazu findet sich auch
auf den großen Schultenhöfen diese spezifische
Anlageform:33 Der Kleinadel fungierte möglicherweise
als Vorbild für die ihm direkt untergeordneten
Sozialschichten.34
Auch ein „herrschaftliches Hallenhaus ohne Stallteil"
lässt sich noch heute im Niederstift mehrfach nach-
weisen. Es sind dies die Häuser Füchtel (um 1630)35
(Abb. 2 + 3), Campe (16. Jahrhundert)36, vermutlich
auch Spyk37 (wohl 16. Jahrhundert) sowie im Hochstift
 
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