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Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
ein zweigeschossiger Vorbau, der Toiletten aufnahm.
Während im Erdgeschoss mehrere Gastzimmer einge-
richtet wurden, entstand darüber im ehemaligen
Bereich der Diele ein Saal, dem nach Abbruch von
Innenwänden auch die beiden westlichen Zimmer des
südlichen Obergeschosses zugeschlagen wurden.23
Dieser neue Saal erhielt zudem an der Westwand
einen eigenen äußeren Zugang.
1954 entstand nördlich des Gebäudes ein neuer
Saalbau. Um diesen an das Gasthaus anzuschließen,
mussten das östliche Drittel des nördlichen Kellerge-
wölbes abgebrochen und in diesem Bereich auch die
östliche Front des Baus verändert werden. Der 1929
im Obergeschoss geschaffene Saal wurde durch
Zwischenwände zu Gästezimmern umgestaltet. 1991
hat man die Gästezimmer im Obergeschoss moderni-
siert.24
2007 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft ein Ho-
telneubau mit 50 Zimmern errichtet, der mit einem
Zwischenbau an den historischen Altbau angeschlos-
sen ist. Dieser ist in diesem Zusammenhang ebenfalls
erneut einer umfassenden Modernisierung unterzo-
gen worden. Hierbei wurde das Fachwerk der westli-
chen Längswand insgesamt erneuert.
Zur Bedeutung des Gebäudes
Das Haus wurde für den Kammerdiener des Fürst-
bischofs nach Dienstantritt beider errichtet. Der
Bauherr war trotz seines gesellschaftlich nicht beson-
ders privilegierten Standes ein enger Vertrauter des
Landesherren. Das auf engem Vertrauen aufbauende
Dienstverhältnis dürfte sich zum einen in der großzü-
gigen Förderung der Neubaumaßnahme durch den
Landesherren ausdrücken, aber auch darin, dass der
Kammerherr bei Anwesenheit seines Herren wohl
zumindest persönlich - oder aber mit seiner Familie -
nicht auf dem Gut, sondern in dem etwa 2 km ent-
fernten Schloss lebte. Das Gutshaus und das Gut
dienten vor diesem Hintergrund wohl vor allem der
wirtschaftlichen Absicherung und als Basis für ein
Leben nach dem Ende der Tätigkeit als Kammerherr
(was gewöhnlich mit dem Tod des Dienstherren ver-
bunden war). Vor diesem Hintergrund dürfte es sich
um ein vor allem temporär von den Gutsherren (etwa
im Sommer oder bei Abwesenheit des Fürstbischofs
als Dienstherren) bewohntes Haus gehandelt haben.
Das um 1705 errichtete Gutshaus war - vergleichbar
einem traditionellen Bauernhaus - sowohl Wirt-
schafts- als auch Wohngebäude. Allerdings wurde der
Bau nicht mehr in den hierfür seit langen erprobten,
traditionellen Formen eines Längsdielenhauses errich-
tet, sondern als Querdielenhaus. Hierdurch konnte
man dem Haus nicht nur eine modernere Gestaltung
mit symmetrischer Traufansicht verleihen, sondern es
wurde auch möglich, eine ausschließlich Wohnzwe-
cken vorbehaltene Zone in dem von der hohen zen-
tralen Diele über eine Galerie erschlossenen Zwi-
schengeschoss zu schaffen. Im Erdgeschoss befanden
sich seitlich der wohl in erster Linie als Verkehrs- und
Küchenraum dienenden hohen und über ein Tor noch
immer befahrbaren Diele Wirtschaftsräume: Auf der
einen Seite Stallungen, auf der anderen Seite wohl
Lagerräume. Das Dach war zur Einlagerung großer
Erntemengen vorgesehen, die mittels eines Aufzuges
in der Diele transportiert werden konnten. Die
„Wohnung" der Hausherren hingegen erstreckte sich
über die schmalen Bereiche der beiden seitlichen
Zwischengeschosse, erschlossen über eine Treppe mit
verbindender Galerie in der hohen Diele. Dass dieser
Wohnbereich nur ein begrenztes Raumprogramm
aufwies, dürfte insbesondere darauf zurückzuführen
sein, dass der Hausherr wohl zumeist nicht anwesend
war, sondern im Residenzschloss Neuhaus lebte.
Anmerkungen
1 1957 wird ein Neuanstrich der Außenfronten durch den
Landeskonservator bezuschusst. 1966 und 1991 erfolgten
Beratungen bei weiteren Neuanstrichen.
2 Die Untersuchung mit dem Ziel, den Kernbau näher zu
erfassen, wurde am 25. Juli 2002 (mit Ergänzungen am 5.
Juli 2003) durchgeführt. Ergebnis war, dass trotz der ver-
schiedenen, ab 1929 in dem Bau vorgenommenen und das
Innere in seiner historischen Struktur heute kaum noch er-
lebbar machenden Umbauten sich große Teile der Kern-
substanz erhalten hatten.
3 Mit diesem Namen wurden häufiger Gebäude bezeichnet.
Für den Dorfkrug von Schieder in der Grafschaft Lippe ist er
schon vor 1658 belegt. Walter Schmidt, Schieder. Die Ge-
schichte eines lippischen Dorfes. Schieder 1964, S. 255-262.
4 Elisabeth von Kanne, Mastbruch in der südlichen Senne.
Ein Ortsteil von Schloß Neuhaus. Paderborn 1985.
5 Micael Pavlicic, Elisabeth von Kanne und Josef Leiwen,
Hausinschriften an Fachwerkhäusern im Kirchspiel Neuhaus.
Paderborn 1986, S. 10-12.
6 Die wenigen bislang bekannten Nachrichten zur Ge-
schichte stellte der Ortsheimatpfleger M. Pavlicic zur Verfü-
gung.
7 Das Haus entstand möglicherweise um 1728, da im Zuge
der in diesem Jahr einsetzenden Verkaufsverhandlungen ein
Fachwerkhaus errichtet wurde (hierzu sind der Akte mehrere
Abrechnungen mit dem Zimmermann beigelegt).
8 Das Haus (ab 1768 Neuhaus Nr. 147) trug den Namen
Bockei (später Busch), wobei die Familie Bockel/Baukel lange
als Verwalter des in auswärtigem Besitz befindlichen Gutes
nachweisbar ist.
9 Pavlicic 1986, S. 15.
10 Das spiegelt sich auch darin wider, dass der Besitz bis
nach 1800 ohne Hausnummer blieb, also als frei galt und
nicht bei der 1769 im Fürstbistum Paderborn gegründeten
und für die Einwohner pflichtweisen Brandversicherung auf-
Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
ein zweigeschossiger Vorbau, der Toiletten aufnahm.
Während im Erdgeschoss mehrere Gastzimmer einge-
richtet wurden, entstand darüber im ehemaligen
Bereich der Diele ein Saal, dem nach Abbruch von
Innenwänden auch die beiden westlichen Zimmer des
südlichen Obergeschosses zugeschlagen wurden.23
Dieser neue Saal erhielt zudem an der Westwand
einen eigenen äußeren Zugang.
1954 entstand nördlich des Gebäudes ein neuer
Saalbau. Um diesen an das Gasthaus anzuschließen,
mussten das östliche Drittel des nördlichen Kellerge-
wölbes abgebrochen und in diesem Bereich auch die
östliche Front des Baus verändert werden. Der 1929
im Obergeschoss geschaffene Saal wurde durch
Zwischenwände zu Gästezimmern umgestaltet. 1991
hat man die Gästezimmer im Obergeschoss moderni-
siert.24
2007 wurde in unmittelbarer Nachbarschaft ein Ho-
telneubau mit 50 Zimmern errichtet, der mit einem
Zwischenbau an den historischen Altbau angeschlos-
sen ist. Dieser ist in diesem Zusammenhang ebenfalls
erneut einer umfassenden Modernisierung unterzo-
gen worden. Hierbei wurde das Fachwerk der westli-
chen Längswand insgesamt erneuert.
Zur Bedeutung des Gebäudes
Das Haus wurde für den Kammerdiener des Fürst-
bischofs nach Dienstantritt beider errichtet. Der
Bauherr war trotz seines gesellschaftlich nicht beson-
ders privilegierten Standes ein enger Vertrauter des
Landesherren. Das auf engem Vertrauen aufbauende
Dienstverhältnis dürfte sich zum einen in der großzü-
gigen Förderung der Neubaumaßnahme durch den
Landesherren ausdrücken, aber auch darin, dass der
Kammerherr bei Anwesenheit seines Herren wohl
zumindest persönlich - oder aber mit seiner Familie -
nicht auf dem Gut, sondern in dem etwa 2 km ent-
fernten Schloss lebte. Das Gutshaus und das Gut
dienten vor diesem Hintergrund wohl vor allem der
wirtschaftlichen Absicherung und als Basis für ein
Leben nach dem Ende der Tätigkeit als Kammerherr
(was gewöhnlich mit dem Tod des Dienstherren ver-
bunden war). Vor diesem Hintergrund dürfte es sich
um ein vor allem temporär von den Gutsherren (etwa
im Sommer oder bei Abwesenheit des Fürstbischofs
als Dienstherren) bewohntes Haus gehandelt haben.
Das um 1705 errichtete Gutshaus war - vergleichbar
einem traditionellen Bauernhaus - sowohl Wirt-
schafts- als auch Wohngebäude. Allerdings wurde der
Bau nicht mehr in den hierfür seit langen erprobten,
traditionellen Formen eines Längsdielenhauses errich-
tet, sondern als Querdielenhaus. Hierdurch konnte
man dem Haus nicht nur eine modernere Gestaltung
mit symmetrischer Traufansicht verleihen, sondern es
wurde auch möglich, eine ausschließlich Wohnzwe-
cken vorbehaltene Zone in dem von der hohen zen-
tralen Diele über eine Galerie erschlossenen Zwi-
schengeschoss zu schaffen. Im Erdgeschoss befanden
sich seitlich der wohl in erster Linie als Verkehrs- und
Küchenraum dienenden hohen und über ein Tor noch
immer befahrbaren Diele Wirtschaftsräume: Auf der
einen Seite Stallungen, auf der anderen Seite wohl
Lagerräume. Das Dach war zur Einlagerung großer
Erntemengen vorgesehen, die mittels eines Aufzuges
in der Diele transportiert werden konnten. Die
„Wohnung" der Hausherren hingegen erstreckte sich
über die schmalen Bereiche der beiden seitlichen
Zwischengeschosse, erschlossen über eine Treppe mit
verbindender Galerie in der hohen Diele. Dass dieser
Wohnbereich nur ein begrenztes Raumprogramm
aufwies, dürfte insbesondere darauf zurückzuführen
sein, dass der Hausherr wohl zumeist nicht anwesend
war, sondern im Residenzschloss Neuhaus lebte.
Anmerkungen
1 1957 wird ein Neuanstrich der Außenfronten durch den
Landeskonservator bezuschusst. 1966 und 1991 erfolgten
Beratungen bei weiteren Neuanstrichen.
2 Die Untersuchung mit dem Ziel, den Kernbau näher zu
erfassen, wurde am 25. Juli 2002 (mit Ergänzungen am 5.
Juli 2003) durchgeführt. Ergebnis war, dass trotz der ver-
schiedenen, ab 1929 in dem Bau vorgenommenen und das
Innere in seiner historischen Struktur heute kaum noch er-
lebbar machenden Umbauten sich große Teile der Kern-
substanz erhalten hatten.
3 Mit diesem Namen wurden häufiger Gebäude bezeichnet.
Für den Dorfkrug von Schieder in der Grafschaft Lippe ist er
schon vor 1658 belegt. Walter Schmidt, Schieder. Die Ge-
schichte eines lippischen Dorfes. Schieder 1964, S. 255-262.
4 Elisabeth von Kanne, Mastbruch in der südlichen Senne.
Ein Ortsteil von Schloß Neuhaus. Paderborn 1985.
5 Micael Pavlicic, Elisabeth von Kanne und Josef Leiwen,
Hausinschriften an Fachwerkhäusern im Kirchspiel Neuhaus.
Paderborn 1986, S. 10-12.
6 Die wenigen bislang bekannten Nachrichten zur Ge-
schichte stellte der Ortsheimatpfleger M. Pavlicic zur Verfü-
gung.
7 Das Haus entstand möglicherweise um 1728, da im Zuge
der in diesem Jahr einsetzenden Verkaufsverhandlungen ein
Fachwerkhaus errichtet wurde (hierzu sind der Akte mehrere
Abrechnungen mit dem Zimmermann beigelegt).
8 Das Haus (ab 1768 Neuhaus Nr. 147) trug den Namen
Bockei (später Busch), wobei die Familie Bockel/Baukel lange
als Verwalter des in auswärtigem Besitz befindlichen Gutes
nachweisbar ist.
9 Pavlicic 1986, S. 15.
10 Das spiegelt sich auch darin wider, dass der Besitz bis
nach 1800 ohne Hausnummer blieb, also als frei galt und
nicht bei der 1769 im Fürstbistum Paderborn gegründeten
und für die Einwohner pflichtweisen Brandversicherung auf-