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EIN ANTIKES BAUWERK IM PIRAEUS
Stärke überzogen ist. Das Pfeilerkapitell zeigt noch jetzt deut-
liche Reste blauer, gelber und rother Farbe.
Ist schon die Verbindung eines viereckigen Pfeilerkapitells
mit einem halbirten jonischen Polsterkapitell keine gewöhn-
liche Erscheinung, so muss die Combination eines dorischen
Architraves mit einem reich profilirten Gesimse ohne Trigly-
phon noch seltsamer erscheinen. Die Leisten mit ihren 6
Tropfen haben, da die Triglyphen fehlen, gar keinen Sinn und
sind hier also lediglich als unverstandenes Ornament verwen-
det worden. Ganz ähnliche Gesimse, auch in Verbindung mit
jonischen Säulen, hat man übrigens neuerdings bei den Aus-
grabungen in Epidauros gefunden. Auch in Kreta sollen, wie
mir Herr Dr. Fabricius mittheilt, solche Geisa mehrfach Vor-
kommen. Einer weiteren Erklärung bedürfen die architekto-
nischen Glieder nicht.
Zum Schluss haben wir uns noch die Frage vorzulegen,
welche Bestimmung der ganze Gebäudecomplex gehabt haben
mag. Wären die Inschriften, welche Herr Koehler in diesem
Hefte bespricht, nicht gefunden worden, so würde uns fast
jeder Anhaltspunkt zur Beantwortung dieser Frage fehlen.Aus
den Ruinen selbst können wir nur entnehmen, dass der Bau
aus einer Vorhalle, einem Atrium und mehreren Sälen und
Zimmern bestand, und dass sich an die letzteren ein grosser
von Säulenhallen umgebener Hof anschloss. Die Inschriften
lehren uns aber weiter, dass in der Nähe unseres Gebäudes
wahrscheinlich ein Tempel des Dionysos gestanden hat, und
dass es hier einen Ort gab, wo sich die Genossenschaft die-
ses Gottes versammeln konnte. Diese Angaben der Inschriften
lassen sich mit dem Thatbestand der Ruinen dann am Besten
vereinigen, wenn wir annehmen, dass der grosse Säulenhof
der Peribolos des Dionysostempels ist und also der letztere
in der Mitte des noch von Erde bedeckten Hofes liegt. Da der
Tempel nach der Inschrift nur sehr klein war, so bietet der
Hof genügend Platz für denselben. Auch ist die Sitte, einen
Tempel mitten in einen Säulenhof zu stellen, durch die Rui-
nen von Pompeji schon bekannt. Dass unser Säulenhof nicht
EIN ANTIKES BAUWERK IM PIRAEUS
Stärke überzogen ist. Das Pfeilerkapitell zeigt noch jetzt deut-
liche Reste blauer, gelber und rother Farbe.
Ist schon die Verbindung eines viereckigen Pfeilerkapitells
mit einem halbirten jonischen Polsterkapitell keine gewöhn-
liche Erscheinung, so muss die Combination eines dorischen
Architraves mit einem reich profilirten Gesimse ohne Trigly-
phon noch seltsamer erscheinen. Die Leisten mit ihren 6
Tropfen haben, da die Triglyphen fehlen, gar keinen Sinn und
sind hier also lediglich als unverstandenes Ornament verwen-
det worden. Ganz ähnliche Gesimse, auch in Verbindung mit
jonischen Säulen, hat man übrigens neuerdings bei den Aus-
grabungen in Epidauros gefunden. Auch in Kreta sollen, wie
mir Herr Dr. Fabricius mittheilt, solche Geisa mehrfach Vor-
kommen. Einer weiteren Erklärung bedürfen die architekto-
nischen Glieder nicht.
Zum Schluss haben wir uns noch die Frage vorzulegen,
welche Bestimmung der ganze Gebäudecomplex gehabt haben
mag. Wären die Inschriften, welche Herr Koehler in diesem
Hefte bespricht, nicht gefunden worden, so würde uns fast
jeder Anhaltspunkt zur Beantwortung dieser Frage fehlen.Aus
den Ruinen selbst können wir nur entnehmen, dass der Bau
aus einer Vorhalle, einem Atrium und mehreren Sälen und
Zimmern bestand, und dass sich an die letzteren ein grosser
von Säulenhallen umgebener Hof anschloss. Die Inschriften
lehren uns aber weiter, dass in der Nähe unseres Gebäudes
wahrscheinlich ein Tempel des Dionysos gestanden hat, und
dass es hier einen Ort gab, wo sich die Genossenschaft die-
ses Gottes versammeln konnte. Diese Angaben der Inschriften
lassen sich mit dem Thatbestand der Ruinen dann am Besten
vereinigen, wenn wir annehmen, dass der grosse Säulenhof
der Peribolos des Dionysostempels ist und also der letztere
in der Mitte des noch von Erde bedeckten Hofes liegt. Da der
Tempel nach der Inschrift nur sehr klein war, so bietet der
Hof genügend Platz für denselben. Auch ist die Sitte, einen
Tempel mitten in einen Säulenhof zu stellen, durch die Rui-
nen von Pompeji schon bekannt. Dass unser Säulenhof nicht