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Colossalkopf von Karthago. 225

die Stirn ist im Gregenteil vorgewölbt, die Käse gerade und im
"Winkel mit der Stirn, das Kinn völlig, doch in scharfem Winkel
an den Hals ansetzend. Die Haare in natürlich geschlängelten
Strängen, zum Teil zungenartig, um die Stirn geordnet, ähnlich wie
bei der sogen, jüngeren Faustina im Capitol (Taf. LXIV), und mit
einer junonischen Stirnkrone geschmückt, die Ohren zur grösseren
Hälfte frei. Es ist neben dem sogen. Maecenas (Rom. Ikonogr. I.
p. 244) der colossalste Kopf des Louvre, mit dem Hals ca. 2 m hoch;
anscheinend zum Einsetzen auf eine Statue gearbeitet, obgleich die
enorme Grösse und der fehlende Hinterkopf das einstige Vorhanden-
sein einer solchen zweifelhaft machen. Stil und Frisur weisen auf
antoninische Zeit, so dass, wenn die Annahme, dass es sich um eine
Kaiserin handelt, richtig ist, eigentlich nur die jüngere Faustina,
Lucilla und Crispina in Frage kommen. Ob eine oder welche von
ihnen eine besondere Verehrung in Karthago genossen, wissen wir
nicht; aber der Fund von Markouna beweist hinlänglich, wenn ein
Beweis nötig, dass den Nachfolgern des Antoninus Pius samt ihren
Gemahlinnen auf dem Boden von Afrika ebenfalls Bildsäulen er-
richtet wurden. Indes scheint von den genannten die jüngere Faustina
durch die Münzen ausgeschlossen. Diese senkrechte Linie des Profils,
die gerade, stumpfe Nase, der "Winkel zwischen Nase und Stirn und
wiederum der zwischen Kinn und Hals sind ihr fremd. Selbst das
Minimum von Aehnlichkeit, das sonst überall noch als Bedingung
für Annahme der Identität gefordert wird, ist hier nicht mehr vor-
handen. Dagegen hat man sich auf Grund der Münzen ziemlich
allgemein für Lucilla entschieden, und ich glaube so weit, d. h. auf
diesem Grunde, mit Hecht, mit besserem jedenfalls als für irgend
eine andere Kaiserin aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts.
Leider kommt man nicht zu demselben Entscheid, wenn man den
Kopf an demjenigen Typus misst, der sich uns im Vorigen als
Bildnis der Lucilla erwiesen hat. Der Colossalkopf von Karthago
und der Typus von Markouna-Gabii (oben p. 223) stellen allem
Anschein nach nicht ein und dieselbe Person dar. "Wie löst sich
dieser "Widerspruch ? Soll man sich über die augenscheinliche Ver-
schiedenheit hinwegsetzen und die Bildnisse gleichsam gewaltsam für
identisch erklären? Oder sind die Prämissen und Argumente, die
bei jedem der Beiden zur Beziehung auf Lucilla geführt haben, am
Ende doch lückenhaft oder falsch? Eines oder das Andere muss
der Fall sein. Aber ich sehe mich ausser Stande, den schwachen
Punkt genauer zu präcisieren, er müsste denn darin bestehen, dass
man beim Colossalkopf sich doch zu schnell für Lucilla entschied,
während vielleicht auch noch an Crispina (s. d.) gedacht werden

Bemoulli, Ikonographie. II. 2. 15
 
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