M 10.
Georg's Tod auf dem Gewissen zu haben. Dennoch
wollte Alexander nicht selbst zum Verräther an dein
Fürsten Michael werden. Als dieser vor der Adels-
revolutjon floh, folgte er ihm, bis ihn endlich serbische
Reiter einholten und als Landesfürsten nach Belgrad
zürückführten. Seine Erhebung dazu sollte der tödt-
lichc Schlag gegen den vom serbischen Bojarenthnm
gehaßten Lbrenowitsch sein.
Jahrelang regierte Alexander Karageorgcwitsch als
der Erste einer zweiten serbischen Dynastie. Er war
ein Werkzeug der russischen Partei und ließ die Bojaren
nach ihrem Sinn im Lande wirthschaften. Darüber
griff denn doch im serbischen Volke mehr und mehr die
Unzufriedenheit Platz und cs wurde immer mächtiger
in ihm die Reue lebendig, Milosch und dessen Geschlecht
mit so viel Undank belohnt zu haben. Verschwörungen
gegen die herrschende Partei bildeten sich, Empörungen
gegen dieselbe brachen ans, die freilich im Blut der
Unternehmer jedesmal erstickt wurden, bis zu derjenigen,
die endlich Karagcorgewitsch wieder vom Throne stieß,
und seine Helfershelfer in die Verbannung trieb.
Sonderbar war nun die Rückkehr zur früheren dy-
nastischen Reichsordnnng, indem die serbische Sknptschina
im Dezember 1858 die beiden entthronten -Lbrenowitsch,
Vater und Sohn, zurückbcrief und dem greisen Milosch
noch einmal die Regierung des Landes übergab. Nach
einem neunzehnjährigen Zwischenreich bestieg er wie ein
inzwischen nur abwesend gewesener Fürst den Thron
wieder, den er für sich und seine Familie errichtet hatte,
und sein Sohn Michael, der auch schon einmal gekrönt
und Inhaber des Thrones gewesen, wurde wieder Kron-
prinz. Etwa zwei Jahre lang genoß der greise Milosch
noch diese Genugthuung und starb dann am 26. Sep-
tember 1860 in dem befriedigten Ehrgeiz, der Gründer
des neuen und legitimen Fürstengcschlechts von Serbien
trotz des herben Wechselfalles in seiner Regierung ge-
worden zu sein.
Zum zweiten Male folgte ihm sein Sohn Michael
auf den: Thron. Jin Jahre 1823 geboren, stand er
jetzt in der Vollkraft des Mannesalters; aber seine Ehe
mit Gräfin Julie Huniady v. Kethcly war bisher
kinderlos geblieben und so mußte mau fürchten, daß
die Dynastie der Lbrenowitsch nur eine kurze Geschichte
schaben werde. An dem kräftigen Stamm des Milosch
hatte nur noch ein Zweig es zu einer einzigen ver-
heißungsvollen Blüthe gebracht, der des Bruders Ephren,
welcher einen Enkel Namens Milan besaß. In der
ganzen übrigen Verwandtschaft sah man nur weibliche
Nachfolge, unter welchen sich namentlich Ephren's Toch-
ter Anka durch überlegenen Geist und deren Tochter Ka-
tharina Konstantinowitsch durch die jugendliche Pracht
einer südlichen Schönheit auszeichnete.
Anka übte am Hofe ihres fürstlichen Vetters Michael
einen bestimmenden Einfluß in Familienangelegenheiten
aus. Auf ihre Vorstellungen hin entschloß sich 1865
der kinderlose Fürst aus „Staatsrllcksichten" seine Ehe
mit der Fürstin Julie zu trennen. Nach Anka's Plä-
nen sollte er sich mit ihrer Tochter Katharina anf's
Neue vermählen, wogegen Michael jedoch hartnäckig
die Bedenken einer zu nahen Verwandtschaft erhob.
Die Tochter des Advokaten Radowanowitsch hielt ihn
außerdem in Liebesbanden und diese Familie rechnete
ihrerseits sehr stark darauf, daß der Fürst seine Geliebte
zur Gemahlin erheben werde. Um diese Pläne zu zer-
stören, setzte Anka alle Mittel in Bewegung und cs ge-
lang ihr in der That, nicht nur die junge Radowano-
witsch vom Hofe zu entfernen, sondern durch einen gegen
ihren Vater angestrengten Kriminalprozeß dessen Ver-
urtheilnng und damit die bürgerliche Beschimpfung der
ganzen Familie herbeizuführen.
In Folge dessen sannen die Radowanowitsch ans
blutige Rache sowohl an der intriguirenden Anka als
auch an dem trefflichen, doch von seiner Cousine so ab-
hängig gewordenen Fürsten Michael. Sie fanden von
den "alten Unzufriedenen der Adelspartei und der An-
hängerschaft des Kürrageorgewitsch noch genug im Lande,
welche sich bestimmen ließen, eine neue Verschwörung
gegen die Lbrenowitsch einzugehen, nm auf den Grü-
bern dieser Dynastie die des Karageorgcwitsch noch ein-
mal zu errichten. Die Umstünde drängten zum Aus-
bruch, denn Fürst Michael schien sich entschließen zu
wollen, seine Nichte Katharina zu heirathcn und damit
Anka's ehrgeizige Hoffnungen zu erfüllen. An einen
Volksaufstand gegen die regierende Familie war freilich
bei den herrschenden Sympathien für dieselbe im Lande
nicht wohl zu denken; so sollte denn der Mord das
Verderben über die Lbrenowitsch bringen.
Am 10. Juni 1868 hielt sich Fürst Michael in
seinem Sommerschlvßchen Toptschidcr bei Belgrad auf.
In gewohnter Weise machte er gegen Abend einen
Spaziergang in dem schattigen Park, begleitet von sei-
ner Cousine Anka und deren Tochter Katharina. Ein
Adjutant war noch bei ihm und ein Leibdiener folgte.
Plötzlich stürzten drei Münncr aus dem Gebüsch
hervor und richteten mit ihren Revolvern eine förmliche
Salve auf die arglosen Spaziergänger. Die Wirkung
davon war schrecklich. Der Fürst stürzte mit einem
Ausschrci zusammen, Anka und Katharina wälzten sich
Das Buch für Alle.
in ihrem Blute am Boden; der Adjutant wankte in
<xolge einer Verwundung, der Diener entfloh, nm Hilfe
zu rufen. Inzwischen drangen die Mörder blitzschnell
auf ihre Opfer ein und vollendeten mit Dolchstößen und
Handjarschlügeu ihr grauenvolles Werk. Als der Ad-
jutauk und herbeieilende Leute dann sich ihrer bemäch-
tigten, rühmten sic sich mit gesättigter Rachelust, ihren
Zweck erreicht zu haben.
In der That, der Fürst war todt, gräßlich bis zur
Unkenntlichkeit durch die erhaltenen Stich- und Hieb-
wunden^ entstellt. Anka war von drei Schüssen entseelt
dahingestreckt; ihre Tochter Katharina allein athmete
noch und schien nicht lebensgefährlich verwundet zu sein.
Eine furchtbare Verwirrung entstand wegen dieses
Attentats in Belgrad. Aber inmitten des allgemeinen
Entsetzens kam der Präsident des serbischen Senats, der
im Volke hoch angesehene Patriot Marinowitsch, den
weiteren hvchverrätherischcn Anschlägen der Verschwörer
mnthvoll und mit Geistesgegenwart zuvor. Er stellte
sich an die Spitze einer Provisorischen Regierung, welche
sofort den jungen Milan, den letzten noch lebenden
Sproß der Lbrenowitsch zum Fürsten ausricf und dafür
die begeisterte Zustimmung des Boltes fand.
Unter einer wahren Nativualtrgucr wurde Fürst
Michacl's Leiche in der Familiengruft in der Kirche
zu Belgrad beigcsetzt; unter allgemeinem Enthusiasmus
bestätigte im Juli die einberufene Sknptschina die Erb-
folge des jungen Milan, Ephren's Enkel, der als zwölf-
jähriger Knabe aus dem Erziehnngsinstitut in Paris
geholt worden war und sich nun in Belgrad feinem
Volke zu Pferde zeigte.
Während danach seine Ausbildung in Paris bis
zur Großjährigkeit mit dem sechzehnten Lebensjahr fort-
gesetzt wurde, vollzog sich an den Schuldigen des
Toptschidcr Mordes unerbittlich das Strafgericht. Die
Verschwörung derselben reichte bis zu dem entthronten
und in Ungarn sich anfhaltenden Fürsten Alexander
Karageorgcwitsch, der deswegen zu zwanzigjährigem
Zuchthaus verurtheilt wurde, freilich als Flüchtling sich
dieser Strafe entzog und mit seiner Schmach sich vater-
landslos verbarg.
Fürst Milan, dem die Provisorische Regierung red-
lich das Erbe verwaltete, bestieg 1872 den serbischen
Thron. Einige Jahre darauf vermählte er sich mit
Natalie v. Klcczko. In demselben Moment, da die
Serben 1876 ihre Fahnen entfalteten, uni den letzten,
ihre Unabhängigkeit von der Türkei erzwingenden Krieg
zu unternehmen, wurde in Belgrad dem Fürsten Milan
ein Sohn geboren, ein neuer Sproß deS Geschlechts der
Lbrenowitsch, deren vielfach tragisches Geschick, deren
Glück und Unglück so innig mit der neueren Geschichte
des von ihnen frei und unabhängig gemachten serbischen
Staates verbunden ist.
^lüllllikjhüjfkstbö. ,Nachdruck verdaten.)
Zur Geschichte eines berühmten Palastes.
— Wer das prachtvolle Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel
mit seinen herrlichen Parkanlagen gesehen hat, der
wird voll des mächtigen Eindruckes gewesen sein, den
dieses imposante Bauwerk auf jeden Beschauer macht;
bedenkt man dabei aber, wie Tausende von armen Lan-
deskiudern sich als Kanonenfutter an fremde Potentaten
mußten von ihrem Fürsten verschachern lassen, damit
das Geld zu dem Prachtbau aufgebracht wurde, so schlügt
das Gefühl der Freude unwillkürlich in Wehmuth um. —
Als am 6. Juni 1714 die Fertigstellung des Schlosses
gefeiert wurde, frug der Landgraf Karl den Erbprinzen
bei offener Tafel, mit welcher Figur wohl am Passendsten
die große Pyramide zu krönen sei. Der Sohn, der seit
Langem mit seinem Vater in Unfrieden lebte, antwor-
tete erbittert' „Mit einem Galgen für den, der dies
Alles hcrgestcllt hat, ohne zu bedenken, wie viel Blut
und Thränen es dem armen Hessenvolke gekostet." Eine
schallende Ohrfeige belehrte den nur allzu wahrheits-
liebenden Sohn, daß noch eine Hand über ihm sei, die
ihm denn auch bald aus dein Lande den Weg nach
Schweden wies, woselbst der Erbprinz später Karl's Xll.
Schwester Ulrike hcirathete und König von Schweden
ward. Die Figur für die Pyramide aber wurde von
dem Kasseler Kupferschmied Käpper 1717 dem Farne-
sischcu Herkules nachgcbildet uud erhielt im Volksmund
den Namen „Der große Christoffel". Anfangs hatte
übrigens die ganze Anlage der „Weißcnstein" geheißen.
Als nun Wilhelm I. 1798 den Neubau cinweihte, las
das erstaunte und großentheils des Lateinischen unkun-
dige Volk über dein Eingang mit großen Lettern: ,.6uU-
ücNinus oonciitor" (Wilhelm ist der Erbauer). Man
kann sich nun leicht denken, in welcher Weise der Volks-
witz sich an dem doppelsinnigen Wort „eamümr" sein
Müthchen kühlte. Dem Fürsten drang das zu Ohren und
sogleich ließ er die Inschrift abändern. Seitdem heißt eS:
„EuUbelmns olletor'- <Errichtet von Wilhelm). W.
Das chinesische Äkeispapier. - Einen Haupt-
ausfuhrartikel der Insel Formosa nach China bildet
das sogenannte Reispa Pier, ans welchem die Chi-
nesen bekanntlich ihre farbenprächtigen, übrigens jeder
Perspektive entbehrenden Malereien ausführcn. Erzeugt
229
wird cs ans Formosa, keineswegs aber aus
Reis, wie der Name glauben machen könnte, sondern
aus dem Mark einer bambusähnlichen Pflanze. Die
Staude wird ganz jung in Töpfe verpflanzt; so-
bald sie eine gewisse Stärke erlangt hat, kocht man sie
und befreit sic von der äußeren Harken Rinde. Das
oft zwei bis drei Zoll im Durchmesser haltende Mark
spannt man in eine Drehbank ein; während es sich
darin wie eine Walze dreht, wird cs vermittelst eines
sehr scharfen, feinen und breiten Messers inBlättergcschnit-
ten, welche sich der Länge nach abrollen. Die größten
Bogen sind 18 Zoll lang und 9 bis 10 Zoll breit. Das
auf solche Weise gewonnene Papier ist außerordentlich
weiß, zart, spröde und sieht aus, als ob seine Bestand-
theile zerstampfter Reis seien, was wahrscheinlich den
Grund zu seiner Benennung gegeben hat. Zum Schrei-
ben ist eS gänzlich unbrauchbar, dagegen eignet cs sich
trefflich zum Malen. zz.
Fürstliche Geldverlegenheiten. — Auch gekrönte
Häupter und große Machthaber können sich nicht immer
vor Geldverlegenheiten schützen; schlimmer aber war es
in dieser Beziehung kaum je um einen König bestellt,
als nm den durch seine Laster und Ausschweifungen
berüchtigten Heinrich III. von Frankreich. Dieser
Herrscher erschien 1576 mit allem Pomp in Blois
und trug dabei ein Oberkleid, das mit 4000 Ellen
der kostbarsten Spitzen besetzt war. In seiner Kasse
aber sah cs so übel aus, daß cs in der Küche an den
nöthigsten Materialien gebrach, ohne daß die Köche
Geld zur Beschaffung des Fehlenden hätten erhalten
können. Im Jahre 1588 war es sogar so weit gekom-
men, daß sich die Hofmnsikanten weigerten, fernerhin
bei Tafel aufzuspielen, da sie ihre Besoldung nicht er-
halten konnten. Ebenso erzählt man vom deutschen
Kaiser Maximilian I., daß er nicht weniger an chro-
nischem Geldmangel gelitten habe als mancher der
Geringsten seiner Unterthemen. Auf Reisen namentlich
blieb er oft die Zeche schuldig, und mehr als einmal ist
es vorgekommen, daß ihm ein mißtrauischer Wirth sein
Gepäck und einen Thcil seines Gefolges als Faustpfand
zurllckbehielt. Selbst in seinen Residenzen war des
Schuldenmachens kein Ende. Seinen Feldherren uud
Geheimräthen wurde durch das Mchtzahlen ihrer
Gehälter oft die Peinlichste Verlegenheit bereitet. —
Ein großer Feind vom Bezahlen seiner stets im
Wachsen begriffenen Gläubiger war auch König Franz II.
von Frankreich. Dieser machte einst kurzen Prozeß,
da er sich von seinen Gläubigern zn sehr gedrängt sah,
ließ vor seinem Palaste einen Galgen aufrichten
und die Erklärung anheftcn, daß er Jeden würde auf-
hängen lassen, der sich ferner erdreisten sollte, ihn an
seine Schulden zu mahnen. Wo die Gewalt, da ist
das Recht, hieß cs damals. n.
Ein angcnchnreS Urtheil. — Als der bekannte
Professor Taubmann (gcst. 24. März 1613) Rektor der
Universität zu Wittenberg war, verklagte einst seine Nichte,
ein sehr hübsches junges Mädchen, bei ihm einen Stu-
denten, der ihr über eine die Straße sperrende Pfütze
geholfen, bei dieser Gelegenheit ihr aber einen Kuß ge-
raubt habe. Taubmann ließ den Studenten ausforschen
und, nachdem er ihn gefunden, vor sich fordern. Im
Beisein seiner Nichte hielt er ihm dann seine Unge-
heuerlichkeit vor. „Was hat man zu seiner Verthcidi-
gnng vorzubringen?" fragte er danach den Studenten,
einen bildschönen jungen Mann. — „Eure Magnificenz,"
sagte dieser, „ich dachte, meine Hilfeleistung sei einer
kleinen Belohnung Werth, und so nahm ich mir denn
diese." — „Ei, ei, mein Freund," versetzte Taubmann
strenge, „Belohnnngcn nimmt man nicht, sondern inan
empfängt sie. Er war im Unrecht, und da Buße sein
muß, so verurthcile ich Ihn, den Kuß, den Er sich un-
rechtmäßiger Weise genommen, meiner Nichte ans der
Stelle zurllckzugeben." Der Student nahm dies Urtheil
in gebührender Demuth, natürlich ohne Protest und Ap-
pellation an. C. Sp.
Ein königliches Wort. — König Ludwig XII.
von Frankreich zeichnete sich vor allen Fürsten seiner
Zeit durch weise Sparsamkeit ans. Seine Einschrän-
kung auf die nothwendigsten Ausgaben ging so weit,
daß sie einmal in der Komödie zur Zielscheibe des
Spottes gemacht wurde. Als der König davon hörte,
gab er gleichmüthig zur Antwort: „Es ist mir lieber,
daß sie über meinen Geiz lachen, als wenn sie über
meine Verschwendung weinten!" — Hütten doch die
späteren Ludwige das edle Wort ihres Ahnen bcher-
Pgt! W. H.
Ein Marginalreinr Kaiser Joseph s.
Eine Dame in Steiermark, Namens Kemdcr, bat den
Kaiser Joseph, ihm ihre Gedichte widmen zu dürfen
uud sandte diese im Manuscript ein. Der Kaiser schrieb
eigenhändig an den Rand der ersten Seite:
„Meine wcrthacschätztc Kemdcr!
Mach' Sic, statt der Vcrsc, Hcmdcr!" C. Sp.
Ei» altes Weib kam in einen Krämcrladen uud
verlangte 2 Pfund Sauerkraut. „Kilo heißt es jetzt,"
verbesserte sie der Krämer, und ganz bestürzt fragte
das Weib: „So! warum heißt cs denn nicht mehr
Sauerkraut?" W. L.
Georg's Tod auf dem Gewissen zu haben. Dennoch
wollte Alexander nicht selbst zum Verräther an dein
Fürsten Michael werden. Als dieser vor der Adels-
revolutjon floh, folgte er ihm, bis ihn endlich serbische
Reiter einholten und als Landesfürsten nach Belgrad
zürückführten. Seine Erhebung dazu sollte der tödt-
lichc Schlag gegen den vom serbischen Bojarenthnm
gehaßten Lbrenowitsch sein.
Jahrelang regierte Alexander Karageorgcwitsch als
der Erste einer zweiten serbischen Dynastie. Er war
ein Werkzeug der russischen Partei und ließ die Bojaren
nach ihrem Sinn im Lande wirthschaften. Darüber
griff denn doch im serbischen Volke mehr und mehr die
Unzufriedenheit Platz und cs wurde immer mächtiger
in ihm die Reue lebendig, Milosch und dessen Geschlecht
mit so viel Undank belohnt zu haben. Verschwörungen
gegen die herrschende Partei bildeten sich, Empörungen
gegen dieselbe brachen ans, die freilich im Blut der
Unternehmer jedesmal erstickt wurden, bis zu derjenigen,
die endlich Karagcorgewitsch wieder vom Throne stieß,
und seine Helfershelfer in die Verbannung trieb.
Sonderbar war nun die Rückkehr zur früheren dy-
nastischen Reichsordnnng, indem die serbische Sknptschina
im Dezember 1858 die beiden entthronten -Lbrenowitsch,
Vater und Sohn, zurückbcrief und dem greisen Milosch
noch einmal die Regierung des Landes übergab. Nach
einem neunzehnjährigen Zwischenreich bestieg er wie ein
inzwischen nur abwesend gewesener Fürst den Thron
wieder, den er für sich und seine Familie errichtet hatte,
und sein Sohn Michael, der auch schon einmal gekrönt
und Inhaber des Thrones gewesen, wurde wieder Kron-
prinz. Etwa zwei Jahre lang genoß der greise Milosch
noch diese Genugthuung und starb dann am 26. Sep-
tember 1860 in dem befriedigten Ehrgeiz, der Gründer
des neuen und legitimen Fürstengcschlechts von Serbien
trotz des herben Wechselfalles in seiner Regierung ge-
worden zu sein.
Zum zweiten Male folgte ihm sein Sohn Michael
auf den: Thron. Jin Jahre 1823 geboren, stand er
jetzt in der Vollkraft des Mannesalters; aber seine Ehe
mit Gräfin Julie Huniady v. Kethcly war bisher
kinderlos geblieben und so mußte mau fürchten, daß
die Dynastie der Lbrenowitsch nur eine kurze Geschichte
schaben werde. An dem kräftigen Stamm des Milosch
hatte nur noch ein Zweig es zu einer einzigen ver-
heißungsvollen Blüthe gebracht, der des Bruders Ephren,
welcher einen Enkel Namens Milan besaß. In der
ganzen übrigen Verwandtschaft sah man nur weibliche
Nachfolge, unter welchen sich namentlich Ephren's Toch-
ter Anka durch überlegenen Geist und deren Tochter Ka-
tharina Konstantinowitsch durch die jugendliche Pracht
einer südlichen Schönheit auszeichnete.
Anka übte am Hofe ihres fürstlichen Vetters Michael
einen bestimmenden Einfluß in Familienangelegenheiten
aus. Auf ihre Vorstellungen hin entschloß sich 1865
der kinderlose Fürst aus „Staatsrllcksichten" seine Ehe
mit der Fürstin Julie zu trennen. Nach Anka's Plä-
nen sollte er sich mit ihrer Tochter Katharina anf's
Neue vermählen, wogegen Michael jedoch hartnäckig
die Bedenken einer zu nahen Verwandtschaft erhob.
Die Tochter des Advokaten Radowanowitsch hielt ihn
außerdem in Liebesbanden und diese Familie rechnete
ihrerseits sehr stark darauf, daß der Fürst seine Geliebte
zur Gemahlin erheben werde. Um diese Pläne zu zer-
stören, setzte Anka alle Mittel in Bewegung und cs ge-
lang ihr in der That, nicht nur die junge Radowano-
witsch vom Hofe zu entfernen, sondern durch einen gegen
ihren Vater angestrengten Kriminalprozeß dessen Ver-
urtheilnng und damit die bürgerliche Beschimpfung der
ganzen Familie herbeizuführen.
In Folge dessen sannen die Radowanowitsch ans
blutige Rache sowohl an der intriguirenden Anka als
auch an dem trefflichen, doch von seiner Cousine so ab-
hängig gewordenen Fürsten Michael. Sie fanden von
den "alten Unzufriedenen der Adelspartei und der An-
hängerschaft des Kürrageorgewitsch noch genug im Lande,
welche sich bestimmen ließen, eine neue Verschwörung
gegen die Lbrenowitsch einzugehen, nm auf den Grü-
bern dieser Dynastie die des Karageorgcwitsch noch ein-
mal zu errichten. Die Umstünde drängten zum Aus-
bruch, denn Fürst Michael schien sich entschließen zu
wollen, seine Nichte Katharina zu heirathcn und damit
Anka's ehrgeizige Hoffnungen zu erfüllen. An einen
Volksaufstand gegen die regierende Familie war freilich
bei den herrschenden Sympathien für dieselbe im Lande
nicht wohl zu denken; so sollte denn der Mord das
Verderben über die Lbrenowitsch bringen.
Am 10. Juni 1868 hielt sich Fürst Michael in
seinem Sommerschlvßchen Toptschidcr bei Belgrad auf.
In gewohnter Weise machte er gegen Abend einen
Spaziergang in dem schattigen Park, begleitet von sei-
ner Cousine Anka und deren Tochter Katharina. Ein
Adjutant war noch bei ihm und ein Leibdiener folgte.
Plötzlich stürzten drei Münncr aus dem Gebüsch
hervor und richteten mit ihren Revolvern eine förmliche
Salve auf die arglosen Spaziergänger. Die Wirkung
davon war schrecklich. Der Fürst stürzte mit einem
Ausschrci zusammen, Anka und Katharina wälzten sich
Das Buch für Alle.
in ihrem Blute am Boden; der Adjutant wankte in
<xolge einer Verwundung, der Diener entfloh, nm Hilfe
zu rufen. Inzwischen drangen die Mörder blitzschnell
auf ihre Opfer ein und vollendeten mit Dolchstößen und
Handjarschlügeu ihr grauenvolles Werk. Als der Ad-
jutauk und herbeieilende Leute dann sich ihrer bemäch-
tigten, rühmten sic sich mit gesättigter Rachelust, ihren
Zweck erreicht zu haben.
In der That, der Fürst war todt, gräßlich bis zur
Unkenntlichkeit durch die erhaltenen Stich- und Hieb-
wunden^ entstellt. Anka war von drei Schüssen entseelt
dahingestreckt; ihre Tochter Katharina allein athmete
noch und schien nicht lebensgefährlich verwundet zu sein.
Eine furchtbare Verwirrung entstand wegen dieses
Attentats in Belgrad. Aber inmitten des allgemeinen
Entsetzens kam der Präsident des serbischen Senats, der
im Volke hoch angesehene Patriot Marinowitsch, den
weiteren hvchverrätherischcn Anschlägen der Verschwörer
mnthvoll und mit Geistesgegenwart zuvor. Er stellte
sich an die Spitze einer Provisorischen Regierung, welche
sofort den jungen Milan, den letzten noch lebenden
Sproß der Lbrenowitsch zum Fürsten ausricf und dafür
die begeisterte Zustimmung des Boltes fand.
Unter einer wahren Nativualtrgucr wurde Fürst
Michacl's Leiche in der Familiengruft in der Kirche
zu Belgrad beigcsetzt; unter allgemeinem Enthusiasmus
bestätigte im Juli die einberufene Sknptschina die Erb-
folge des jungen Milan, Ephren's Enkel, der als zwölf-
jähriger Knabe aus dem Erziehnngsinstitut in Paris
geholt worden war und sich nun in Belgrad feinem
Volke zu Pferde zeigte.
Während danach seine Ausbildung in Paris bis
zur Großjährigkeit mit dem sechzehnten Lebensjahr fort-
gesetzt wurde, vollzog sich an den Schuldigen des
Toptschidcr Mordes unerbittlich das Strafgericht. Die
Verschwörung derselben reichte bis zu dem entthronten
und in Ungarn sich anfhaltenden Fürsten Alexander
Karageorgcwitsch, der deswegen zu zwanzigjährigem
Zuchthaus verurtheilt wurde, freilich als Flüchtling sich
dieser Strafe entzog und mit seiner Schmach sich vater-
landslos verbarg.
Fürst Milan, dem die Provisorische Regierung red-
lich das Erbe verwaltete, bestieg 1872 den serbischen
Thron. Einige Jahre darauf vermählte er sich mit
Natalie v. Klcczko. In demselben Moment, da die
Serben 1876 ihre Fahnen entfalteten, uni den letzten,
ihre Unabhängigkeit von der Türkei erzwingenden Krieg
zu unternehmen, wurde in Belgrad dem Fürsten Milan
ein Sohn geboren, ein neuer Sproß deS Geschlechts der
Lbrenowitsch, deren vielfach tragisches Geschick, deren
Glück und Unglück so innig mit der neueren Geschichte
des von ihnen frei und unabhängig gemachten serbischen
Staates verbunden ist.
^lüllllikjhüjfkstbö. ,Nachdruck verdaten.)
Zur Geschichte eines berühmten Palastes.
— Wer das prachtvolle Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel
mit seinen herrlichen Parkanlagen gesehen hat, der
wird voll des mächtigen Eindruckes gewesen sein, den
dieses imposante Bauwerk auf jeden Beschauer macht;
bedenkt man dabei aber, wie Tausende von armen Lan-
deskiudern sich als Kanonenfutter an fremde Potentaten
mußten von ihrem Fürsten verschachern lassen, damit
das Geld zu dem Prachtbau aufgebracht wurde, so schlügt
das Gefühl der Freude unwillkürlich in Wehmuth um. —
Als am 6. Juni 1714 die Fertigstellung des Schlosses
gefeiert wurde, frug der Landgraf Karl den Erbprinzen
bei offener Tafel, mit welcher Figur wohl am Passendsten
die große Pyramide zu krönen sei. Der Sohn, der seit
Langem mit seinem Vater in Unfrieden lebte, antwor-
tete erbittert' „Mit einem Galgen für den, der dies
Alles hcrgestcllt hat, ohne zu bedenken, wie viel Blut
und Thränen es dem armen Hessenvolke gekostet." Eine
schallende Ohrfeige belehrte den nur allzu wahrheits-
liebenden Sohn, daß noch eine Hand über ihm sei, die
ihm denn auch bald aus dein Lande den Weg nach
Schweden wies, woselbst der Erbprinz später Karl's Xll.
Schwester Ulrike hcirathete und König von Schweden
ward. Die Figur für die Pyramide aber wurde von
dem Kasseler Kupferschmied Käpper 1717 dem Farne-
sischcu Herkules nachgcbildet uud erhielt im Volksmund
den Namen „Der große Christoffel". Anfangs hatte
übrigens die ganze Anlage der „Weißcnstein" geheißen.
Als nun Wilhelm I. 1798 den Neubau cinweihte, las
das erstaunte und großentheils des Lateinischen unkun-
dige Volk über dein Eingang mit großen Lettern: ,.6uU-
ücNinus oonciitor" (Wilhelm ist der Erbauer). Man
kann sich nun leicht denken, in welcher Weise der Volks-
witz sich an dem doppelsinnigen Wort „eamümr" sein
Müthchen kühlte. Dem Fürsten drang das zu Ohren und
sogleich ließ er die Inschrift abändern. Seitdem heißt eS:
„EuUbelmns olletor'- <Errichtet von Wilhelm). W.
Das chinesische Äkeispapier. - Einen Haupt-
ausfuhrartikel der Insel Formosa nach China bildet
das sogenannte Reispa Pier, ans welchem die Chi-
nesen bekanntlich ihre farbenprächtigen, übrigens jeder
Perspektive entbehrenden Malereien ausführcn. Erzeugt
229
wird cs ans Formosa, keineswegs aber aus
Reis, wie der Name glauben machen könnte, sondern
aus dem Mark einer bambusähnlichen Pflanze. Die
Staude wird ganz jung in Töpfe verpflanzt; so-
bald sie eine gewisse Stärke erlangt hat, kocht man sie
und befreit sic von der äußeren Harken Rinde. Das
oft zwei bis drei Zoll im Durchmesser haltende Mark
spannt man in eine Drehbank ein; während es sich
darin wie eine Walze dreht, wird cs vermittelst eines
sehr scharfen, feinen und breiten Messers inBlättergcschnit-
ten, welche sich der Länge nach abrollen. Die größten
Bogen sind 18 Zoll lang und 9 bis 10 Zoll breit. Das
auf solche Weise gewonnene Papier ist außerordentlich
weiß, zart, spröde und sieht aus, als ob seine Bestand-
theile zerstampfter Reis seien, was wahrscheinlich den
Grund zu seiner Benennung gegeben hat. Zum Schrei-
ben ist eS gänzlich unbrauchbar, dagegen eignet cs sich
trefflich zum Malen. zz.
Fürstliche Geldverlegenheiten. — Auch gekrönte
Häupter und große Machthaber können sich nicht immer
vor Geldverlegenheiten schützen; schlimmer aber war es
in dieser Beziehung kaum je um einen König bestellt,
als nm den durch seine Laster und Ausschweifungen
berüchtigten Heinrich III. von Frankreich. Dieser
Herrscher erschien 1576 mit allem Pomp in Blois
und trug dabei ein Oberkleid, das mit 4000 Ellen
der kostbarsten Spitzen besetzt war. In seiner Kasse
aber sah cs so übel aus, daß cs in der Küche an den
nöthigsten Materialien gebrach, ohne daß die Köche
Geld zur Beschaffung des Fehlenden hätten erhalten
können. Im Jahre 1588 war es sogar so weit gekom-
men, daß sich die Hofmnsikanten weigerten, fernerhin
bei Tafel aufzuspielen, da sie ihre Besoldung nicht er-
halten konnten. Ebenso erzählt man vom deutschen
Kaiser Maximilian I., daß er nicht weniger an chro-
nischem Geldmangel gelitten habe als mancher der
Geringsten seiner Unterthemen. Auf Reisen namentlich
blieb er oft die Zeche schuldig, und mehr als einmal ist
es vorgekommen, daß ihm ein mißtrauischer Wirth sein
Gepäck und einen Thcil seines Gefolges als Faustpfand
zurllckbehielt. Selbst in seinen Residenzen war des
Schuldenmachens kein Ende. Seinen Feldherren uud
Geheimräthen wurde durch das Mchtzahlen ihrer
Gehälter oft die Peinlichste Verlegenheit bereitet. —
Ein großer Feind vom Bezahlen seiner stets im
Wachsen begriffenen Gläubiger war auch König Franz II.
von Frankreich. Dieser machte einst kurzen Prozeß,
da er sich von seinen Gläubigern zn sehr gedrängt sah,
ließ vor seinem Palaste einen Galgen aufrichten
und die Erklärung anheftcn, daß er Jeden würde auf-
hängen lassen, der sich ferner erdreisten sollte, ihn an
seine Schulden zu mahnen. Wo die Gewalt, da ist
das Recht, hieß cs damals. n.
Ein angcnchnreS Urtheil. — Als der bekannte
Professor Taubmann (gcst. 24. März 1613) Rektor der
Universität zu Wittenberg war, verklagte einst seine Nichte,
ein sehr hübsches junges Mädchen, bei ihm einen Stu-
denten, der ihr über eine die Straße sperrende Pfütze
geholfen, bei dieser Gelegenheit ihr aber einen Kuß ge-
raubt habe. Taubmann ließ den Studenten ausforschen
und, nachdem er ihn gefunden, vor sich fordern. Im
Beisein seiner Nichte hielt er ihm dann seine Unge-
heuerlichkeit vor. „Was hat man zu seiner Verthcidi-
gnng vorzubringen?" fragte er danach den Studenten,
einen bildschönen jungen Mann. — „Eure Magnificenz,"
sagte dieser, „ich dachte, meine Hilfeleistung sei einer
kleinen Belohnung Werth, und so nahm ich mir denn
diese." — „Ei, ei, mein Freund," versetzte Taubmann
strenge, „Belohnnngcn nimmt man nicht, sondern inan
empfängt sie. Er war im Unrecht, und da Buße sein
muß, so verurthcile ich Ihn, den Kuß, den Er sich un-
rechtmäßiger Weise genommen, meiner Nichte ans der
Stelle zurllckzugeben." Der Student nahm dies Urtheil
in gebührender Demuth, natürlich ohne Protest und Ap-
pellation an. C. Sp.
Ein königliches Wort. — König Ludwig XII.
von Frankreich zeichnete sich vor allen Fürsten seiner
Zeit durch weise Sparsamkeit ans. Seine Einschrän-
kung auf die nothwendigsten Ausgaben ging so weit,
daß sie einmal in der Komödie zur Zielscheibe des
Spottes gemacht wurde. Als der König davon hörte,
gab er gleichmüthig zur Antwort: „Es ist mir lieber,
daß sie über meinen Geiz lachen, als wenn sie über
meine Verschwendung weinten!" — Hütten doch die
späteren Ludwige das edle Wort ihres Ahnen bcher-
Pgt! W. H.
Ein Marginalreinr Kaiser Joseph s.
Eine Dame in Steiermark, Namens Kemdcr, bat den
Kaiser Joseph, ihm ihre Gedichte widmen zu dürfen
uud sandte diese im Manuscript ein. Der Kaiser schrieb
eigenhändig an den Rand der ersten Seite:
„Meine wcrthacschätztc Kemdcr!
Mach' Sic, statt der Vcrsc, Hcmdcr!" C. Sp.
Ei» altes Weib kam in einen Krämcrladen uud
verlangte 2 Pfund Sauerkraut. „Kilo heißt es jetzt,"
verbesserte sie der Krämer, und ganz bestürzt fragte
das Weib: „So! warum heißt cs denn nicht mehr
Sauerkraut?" W. L.