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1880



Viereckes war ein Sandhaufen anfgefähren, nm den
das rothe Licht mächtiger Pechfackeln düster glühte nnd
in dessen Mitte ans dem Richtblock düs Henkerbeil blitzte.
Daneben stand, in seinen Mantel gehüllt, der Scharf-
richter von Mittenwald. Dem SandHanfen gegenüber
war das Bataillon ausgestellt, welches die Besatzung
von Ehrenberg gebildet, vor seiner Front die unglück-
lichen Offiziere, welche Heydom's Unfähigkeit mit in's
Verderben gerissen hatte.
Unter ihnen stand anch der Sohn des Veteranen
von Machaez nnd Belgrad, Engen v. Sandhorst.
In schnellem Trabe rasselte die Kutsche heran, welche
den Vernrtheiltcn führte, an den Schlägen Kürassiere
mit gezogenem Pallasch. Vor dem Sandhaufen hielt
der Wagen nnd ihm entstiegen der General-Auditeur mit
Hcydom und dem Geistlichen. Der Profoß, welcher in
einem zweiten Wagen gefolgt Ivar, trat an Heydom's

Degen und Palette.
Historischer Roman ans Bayerns Vergangenheit.
Von
ssq licet ßarlsscn.
MH sf <Fo>t!-huug.) Nachdruck verdaten.)
'«M i ngsterfüllt irrten Heydom's Blicke im Kreise
ihn Umgebenden umher, er las nur zu
deutlich ans jedem Gesicht, daß es keine Hoff-
mmg mehr für ihn gäbe. „Graf d'Arco,"
wandte er sich an den Marschall, „ich be-
schwöre Euch, eilt zum Kurfürsten, sagt
ihm, ich ließe ihn anflehen — nur heute
nicht — ich bin nicht so schuldig — der Schein spricht
gegen mich — es wird sich Herausstellen "
Die Worte des Unglücklichen verwirrten sich, seine
Stimme versagte, er schluchzte laut auf.
„Baron Hcydom, tragt Euer Schicksal wie
ein Mann," sagte d'Arco streng. „Der
Wille des Kurfürsten ist unabänderlich;
was geschehen konnte, ihn umzustimmen,
ist geschehen, aber vergebens."
„Nur um Aufschub bitte ich. Jesus,
Maria! Ich kann jetzt nicht sterben. Nur
bis morgen früh flehe ich um Aufschub.
Eine Nacht kann viel in den Entschlüssen
der Menschen ändern. Morgen früh wird
der Kurfürst begreifen —"
Der Feldmarschall wandte sich schroff
ab. „Profoß! Kraft deS von Seiner
Durchlaucht dem Kurfürsten bestätigten
Spruches des Kriegsgerichtes übergebe ich
Dir hiemit den General Freiherrn Joseph
Ernst Martin v. Hcydom. Thne mit ihm,
was Deines Amtes ist."
Der Profoß trat einen Schritt vor
und legte die Hand auf die Schulter des
Generals. Der Unglückliche sank in die
Kniee. „Gnade, Gnade! Nur bis morgen
Aufschub, nur eine Stunde noch Aufschub.
Ich muß mich zum Tode vorbereiten, ich
verlange geistlichen Zuspruch —"
Nicht Mitleid, sondern Verachtung
sprach aus den Zügen des Feldmarschalls,
als er barsch sagte: „In der Kutsche, die
Euch zum Richtplatz führen soll, wartet
Eurer der Pfarrgeistliche von Mittenwald.
Profoß, mach' ein Ende!"
Er kehrte sich kurz um nnd schritt mit
dem Generäl-Auditeur hinaus. Der Pro-
fos; winkte einem seiner Knechte nnd mehr
von Beiden geschleppt als geführt wankte
Heydvm hinterher. Die Ordonnanzen
schlossen den traurigen Zug.
-i-
>s-
Vor der Nordscite des Lagers bildeten
die Truppen ein Onarrö, von jedem Ba-
taillon eine Kompagnie, von jedem Reiter-
regiment eine Schwadron. In Mitte des

Prosessor H. L. F. Krlmholh.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. SS8.)

linke Seite, so daß dieser zwischen ihm nnd dem Geist-
lichen stand.
Mit lauter, weithin tönender Stimme verlas der
Auditeur nochmals das Urtheil. Nach den letzten Wor-
ten trat der Profoß vor.
„Ich bitt' nm Gnade für den armen Sünder."
Der Auditeur schüttelte verneinend das Haupt.
„Ich bitt' nm Gnade für den armen Sünder,"
wiederholte der Profoß.
Wiederum das verneinende Kopfschütteln. Es war
so still in dem weiten Kreise, daß man die stöhnenden
Athemzüge des Delinquenten hörte.
„Ich bitt' um Gnade für den armen Sünder," klang
es zum dritten Male.
„Nur bei Gott ist Gnade!"
Der Profoß wandte sich zu Hcydom nm, riß ihm
mit einem Ruck die Generalsschnürc von der Uni-
form, zerbrach seinen Degen über dem
Knie und war) ihm die beiden Stücke vor
die Füße. Seine Knechte schnürten dem
Vernrtheiltcn die Arme zusammen und
schoben ihn zn dem Sandhaufen hin, ans
welchem ihn der Scharfrichter erwartete.
Lant klangen die betenden Worte des
Geistlichen über den weiten Platz — das
Henkerbeil blitzte hoch in der Luft — der
Freiherr v. Hcydom war nicht mehr unter
den Lebenden.*) — —
Noch war die Arbeit des Profoßcn
nicht beendet. An der blutüberströmten
Leiche ihres Ehefs wurden den Offizieren
des unglücklichen Bataillons die Abzeichen
ihres Grades von der Uniform gerissen
nnd die zerbrochenen Degen vor die Füße
geworfen. Als die Stücke seines geschändeten
Schwertes vor ihm niederklirrten, brach
Eugen v. Sandhorst mit einem lauten
Aufschrei bewußtlos zusammen.
15.
Uebcr die dumpfen, stauberfülltcn
Straßen Münchens hingen schwere Ge-
witterwolken tief und dunkel herab. Es
war still nnd öde in den Straßen, noch
stiller als an anderen Tagen dieses angst-
reichen SvmmerS. Das drohende Gewitter
hatte die Menschen in die Häuser zurück-
gescheucht, wer es nur irgend vermochte,
zog es vor, unter Dach und Fach den Plus-
bruch des Unwetters zn erwarten.
Da wurde cs plötzlich in der Neuhanser-
gasse lebendig. Ans den weit geöffneten
Thüren der ÄUchaelskirche, zwischen denen
die schöne Kolossal-Statue des siegenden
Erzengels steht, strömte eine dichte Menge
schwarzgekleideter Menschen und wandte sich
größtenthcils links dem „schönen Thurme"
Die Kapitulation der Ehrenberger Klause und
Heydom's Prozcst ist lein Phantasicgebild, sondern
historisch. Vgl. Buchner, Geschichte vo» Bayern,
v. Buch, 2. Abschn., 2. Hptstch
 
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