Psin-rcr Jolmm D;icr;on.
Nach einer Pholographic aus Holz gczeichnei Nau C. Halb. (T. -187.)
trat in dm Hof. Mit einem halben Blick erkannte
ihn Josephine — er war der Erwartete.
Eugen bemerkte sie erst, als er ihr unmittelbar
gcgenüberstand. „Ah Josephine, Ihr hier," rief er er-
staunt, „und so einsam und verlassen? Erwartet Ihr
Jemanden oder ist cS nur der Sonnenschein, welcher
Euch hieher gelockt hat?" .
„Ich tonnte die geschlossene Luft in den großen,
dusteren Gemächern nicht mehr ertragen," sagte Jose-
phine mit einem resignirt wehmüthigen Lächeln. „Der
Gedanke, wie dies Prächtige Schloß so bald in oder
Verlassenheit daliegen und wie viele Derjenigen, welche
in seinen Sälen getankt, gescherzt und gelacht haben,
vielleicht schon in nächster Zukunft mit zerschmetterten
Gliedern ans blutüberströmter Wahlstatt liegen werden,
Preßte mir daS Herz zusammen. Ich mußte frische
Luft schöpfen."
„Der Marquis de Ricnr wird jedenfalls nicht zu
Denjenigen gehören, deren Blut die Wahlstatt färben
wird," meinte Engen spöttisch. „Sein Dienst als Di-
plomat hält ihn von diesem gefährlichen Tanzplatz
fern."
Sie sah ihn mit einem feuchten Blicke an. „Wenn
ich an Jemand nicht gedacht habe, so ist es der Mar-
quis. Wie sollte ich an ihn, an den Fremden, den
Franzosen denken, wenn ich Baker und Bruder, wenn
ich so manchen lieben Freund der Gefahr entgegenziehen
sehe?"
„Es behaupten sehr Viele, schöne Cousine, daß Eure
Gedanken sich fast ausschließlich mit dem liebenswürdigen
Franzosen beschäftigten."
„Kann ich cs verhindern," fragte Josephine bitter,
„daß der Gesandte in meinem Vater und selbst in meiner
geringen Person eine Hauptstütze der Interessen sieht,
welche er vertritt, kann ich es ändern, daß er mich
deshalb — nur deshalb, davon könnt Ihr überzeugt
sein, Engen — mit Aufmerksamkeiten über-
schüttet, oder darf ich gar diesem Betragen
abweisende Kälte entgegensetzen ? Nein, das
darf, das kann ich nicht, selbst nicht nm
der Gefahr solcher Nachrede willen, wie
Ihr sie eben andentet. Mögen die müßigen
Leute am Hofe medisiren, so viel sie wollen
— von Euch allerdings, Eugen, hätte ich
erwartet, daß Ihr etwas genauer Prüfen
würdet, ehe Ihr solches Geschwätz weiter-
tragt."
Eugen ließ die Spitzen seines i-chnnrr-
barts durch die Finger Wirbeln, ehe er
antwortete- „Ich muß gestehen, Cousine,
daß ich die Huldigungen des Gesandten
noch nie von diesem Standpunkte ans be-
trachtet habe."
„Weil Ihr wie alle Männer Euch von
vorgefaßten Meinungen beherrschen laßt
und dadurch für das, was wirklich ist,
merkwürdig blind seid."
Das Auge des jnngcn Offiziers leuchtete
auf. „Ter Vorwurf, den Ihr uns Männern
macht, ist nicht gerecht, Josephine, wenig-
stens nicht von Euch. Denn Ihr macht
cs uns recht schwer zu erkennen, wohin
sich in Wahrheit Euer Herz neigt."
Sie sah ihn mit einem flammenden
Blicke an, aber dieser Blick flog wie ein
Blitz über sein Antlitz, schon im nächsten
Moment senkte sich ihr Ange wieder zu
Boden nnd während eine tiefe Röthe sich
über ihr Gesicht breitete, flüsterte sie: „Es
ist nicht Sache der Dame, unaufgefordert
die Gefühle ihres Herzens zu deconvriren."
Engen fühlte sein Herz in mächtigen
Schlagen pochen, in so gewaltigen Schlügen,
daß er nur mit Mühe Athcm zu holen
vermochte. Zn plötzlich kam dieses lang
nnd heiß ersehnte Glück, welches sich ihm
hier jetzt zu enthüllen schien. Er trat
Josephine einen Schritt näher, nnd indem
er ihre Hand faßte, sagte er mit vor Anf-
Degen und Palette.
Historischer Roman aus Bayerns- Vergangenheit.
Von
Kgkcrt ßarksscn.
<F°r'schnng.)
osephine lächelte selbstzufrieden, als sie soweit
in ihrem Gedankengang gekommen war, der
ihr es als das Geratenste erscheinen ließ,
jNM. die Bewerbungen ihres Vetters zu er-
muthigen. Eugen würde sie auf den Händen
i tragen, davon war sie überzeugt, auch war
er ein Mann, der etwas vorstelltc, ein eleganter Ca-
valier, ein liebenswürdiger Gesellschafter. Daß nicht
er es gewesen, von dem jener mysteriöse Schuß auf
Xaver abgefencrt war, hatte sie längst eingesehen, Engen
selbst hatte sie davon überzeugen können, da er den j
ganzen fraglichen Abend in der Gesellschaft
ihres Bruders und einiger Freunde zuge-
bracht. Ein so glänzendes sort machte sie
freilich durch diese Heirath nicht, als wenn
sie Marquise de Ricnr geworden wäre, aber
immerhin war cs eine Parthie, nm die
Biele sic beneiden würden. Und selbst
wenn Engen nicht aus dem Kriege zurück-
kehren, wenn ihn eine feindliche Kugel
treffen sollte — sie mußte ja mit allen
Eventualitäten bei dieser Heirath rechnen,
die für sie doch nichts Anderes war als
ein Rcchenexempel — selbst dann blieb sie
als eine Wittwe zurück mit klangvollem
Namen nnd ansehnlichem Vermögen. Denn
daß die Ehepakten ihr das znsichern wür-
den, dafür konnte sic ihren Vater sorgen
lassen.
„Run denn," flüsterte Josephine, indem
sie ihre Wanderung beendete nnd sich in
der Muschelgrotte niederließ, „mag meinet-
wegen der Lousin int'atigablo der glück-
liche Empfänger meiner Hand werden. Er
weiß jedenfalls das Glück zu schätzen, wel-
ches ihm damit zu Theil wird. Er wird
ein fügsamer Gatte sein, stets dankbar fin-
den Besitz seiner angebeteten Frau nnd
stets bereit, meine Wünsche zu erfüllen.
Warum sollten wir nicht die glücklichste
Ehe mit einander führen?"
Ein flüchtiges Lächeln legte sich bei
der Frage nm ihre Lippen nnd dennoch
hob ihre Brust ein leiser Seufzer. Sie
fühlte wohl, daß ihrem ehelichen Glück
Eines fehlen würde und sie fühlte auch,
daß dieses Eine die Hauptsache war. —
Josephine lehnte sich etwas zurück,
sporenklirrende Schritte wurden im Thorweg
laut und ein junger Offizier in großer
Parade-Uniform mit den breiten silbernen
Litzen nnd Achselschnüren auf dem hell-
blauen Rock, dessen roth gefütterte Schöße
vorn nnd rückwärts anfgeschlagen waren.