Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
z/E/r.


''7

Dann entfernte er sich

Adolph Graf v. Arnim-Boitzettlnlrfl, Prösident des deutschen Neichstngcs.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 439.)

Durch die Stillt! des nächtlichen Waldes klaue; ein
tiefer Seufzer, als ob Jemand ans einer schweren Ohn-
macht erwache.
Eine blutüberströmte Gestalt richtete sich halb in
die Höhe, nm mit einem qualvollen Stöhnen im näch-
sten Moment znrückzusinken.
Der Schmerz brachte Xaver ganz in's Bewußtsein
zurück. Er mußte schwer verwundet sein, aber er lebte

Nach einer Viertelstunde betrat der Maler Amiqoni
sein Schlafgemach. Er war sehr bleich, unter seinen
schwarzen funkelnden Augen lagen tiefe blaue Ringe.
Er öffnete einen Wandschrank und nahm ans demselben
eine Krystallflasche, in welcher der dnnkelrothe Wein
des Vcltlins funkelte. Hastig goß er den Sassella in
ein hohes geschliffenes Kelchglas und trank den Inhalt
auf einen Zug. Daun warf er sich, angeklcidet wie er
war, auf sein Lager.

noch, konnte vielleicht gerettet werden, wenn er bald
Hilfe erhielt.
Er fühlte mit den Händen um sich her; wohin er
faßte, war die Erde feucht feucht von seinem Blut.
Er machte zum zweiten Male einen Versuch, sich auf-
znrichten, vergebens, der namenlose Schmerz in Rücken
nnd Nacken drohte ihm von Neuem die Besinnung zu
rauben.
Jetzt versuchte er, sich kriechend fortzubewegen. Das
gelang, er erreichte den Graben, welcher den Wald von
der Dachauer Landstraße schied. Aber hier waren auch
seine Kräfte zu Ende. Vergebens kämpfte er gegen die
schwarzen Schatten an, welche ihn zu umfangen droh-
ten, er fühlte das Bewußtsein entschwinden nnd damit
das Leben.
Konnte denn nicht seine Stimme Beistand herbei-
rufen? „Hilfe!" wollte er schreien, aber der mit der
Anstrengung verbundene rasende Schnurz ließ das Wort
auf seiner Lippe ersterben. Er sank kraft-
los zurück, wirre Bilder flogen mit Blitzes-
schnelle an seinem Auge vorüber. „Meine
armen Eltern," murmelte er, „Jofephnse,
Geliebte, lebe Wohl!"
War das auch Fieberphantasie, das
heitere Lied, dessen Töne jetzt an sein Ohr
schlugen?
„Als wir jüngst in Regensburg waren,
Sind Nur über den Strudel gefahren,
Schwäbische, bayrischc Dirnen jnchhelrasjaßa
Mutz der, nmß der Schiffsmann fahren t
Noch einmal raffte er seine ganze Energie
zusammen, nein, das war Wirklichkeit, auch
das Rollen eines Wagens mischte sich in
die Töne des Liedes.
lind nun klang es schon näher:
„lind von ihren, hohen Schlosse
Kani auf stolzen, schwarzen Rosse
Adlig Fräulein Kunignud
Wollte fahren über Stendels Grund."
Schnell sah Xaver den Wagen heran-
rollen, es war ein leichtes einspänniges
Gefährt, in dem ein einzelner Mann saß.
Trotz des Schmerzes, der ihn fast' über-
wältigte, rief Xaver, fo laut er vermochte:
„Hilfe!"
Der Mann in, Wagen brach mitten
in dem Refrain ab und horchte auf.
Noch einmal wiederholte Xaver seinen
Ruf, fetzt hielt der Alaun das Pferd an
und fragte, im Wagen ausstehend, mit
weithin tönender Stimme: „Wer ruft uni
Hilfe?"
„Hier — " uur mit der größten Selbst-
überwindung vermochte Xaver das Wort
noch über die Lippen zn bringen. Tann
verließ ihn von Neuem das Bewußtsein.
Der Insasse des Wagens sprang herab
und ging auf den Graben zn, woher er die
hilfeheischende Stimme vernommen hatte.
Unschwer erkannte er drüben eine mensch-
liche Gestalt. Mit einen, Salz war er über

Degen nnd Palette.
Historischer Roman aus Bayerns Vergangenheit.
Bo»
Sgkert tzarkssen.
lForisttznng.) (Nochdrock »°rb°t°„.)

ß- _.
A st cs geschehen?" fragte der Verhüllte kurz
italienischer Sprache jene große Gestalt,
welche ihm in der Nische des Parkes ent-
gegcntrat.
„8i, mgnore," antwortete der Breit-
schultcrige.
„Wo?"
„An der Stelle ihren, Hanse gegenüber."
„Wo hast Du die Waffe?"
„Hier." Der Breitschulterige gab den, Verhüllten
ein Reiterpistvl mit langen, Laus und schwerem Kolben.
„Wohin traf's?"
„In den Nacken. Ich sah, wie er
einen Salz in die Luft machte, mit den
Händen nm sich griff nnd platt auf's Ge-
sicht fiel."
Der Verhüllte schauerte zusammen.
„Still, sei vorsichtig! Es gibt überall
Lauscher," flüsterte er. „Du hast jetzt
Deine Aufgabe vollendet, ich gebe Dich
frei. Mein letzter Befehl an Dich ist,
dies Land so schnell als möglich zu ver-
lassen, in dieser Börse findest Du genug,
uni in Deine Hcimath zu gelangen."
Er reichte ihm einen ledernen Beutel,
welchen der Breitschulterige mit der Linken
ergriff, während er mit der Rechten grüßend
Stirn nnd Brust berührte.
„Geh," winkte der Verhüllte, „vergiß,
was geschehen, nnd lebe der Zukunft."
Der Breitschulterige neigte den Kopf
und berührte wiederum Stirn nnd Brust
mit der Hand. " s s' s
schleichend nnd behutsam, wie er ge-
kommen.
Kurze Zeit später trat der Verhüllte
aus der Nische. Er sah sich scheu nm,
dann ging er mit großen Schritten den
Gang hinunter, vorsichtig sich stets an
der Seite haltend, welche durch den tiefen
Schatten der Hecke verdeckt war. So ge-
langte er an ein Wasserbassin, in welches
eine murmelnde Kaskade ihre im Mondes-
glanz funkelnden Wellen hinabplätschern
ließ. Der Verhüllte schlich sich halb um
das Bassin herum, bis er eine Stelle er-
reichte, an welcher ein künstlicher Felsen,
die Kaskade flankircnd, in das Wasser vor-
sprang. In seinem dunklen Schatten beugte
er sich zum Wasserspiegel nieder, zog das
Pistol, welches er vorhin von dem Breit-
schulterigen erhalten, unter dein Mantel
hervor nnd ließ dasselbe behutsam in das
feuchte Element hinuntergleiten. — — —
 
Annotationen