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Otto Roouktto. Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 3t3.)

neu gel'>»^-rrnd liebte sie Bernhard. Dic
Erinnerung an ihn gab ihr die Kraft, die
schwersten Prüfungen zu ertragen. Fran
v. Hammcrstein, es gibt Bestimmungen im
Leben, gegen die man sich nicht anflehnen
kann und darf, ich bitte Sie, fugen Sie
sich. Ich. bitte Sie um die Hand Ihres
Sohnes für meine gute, aumuthige Tochter,
können Sie wirklich nicht den einen Schritt
thnn, nachdem ich Ihnen so viele entgegen-
gekommen bin?"
„Du hast mir ja gestern schon Dein
Wort gegeben, Mütterchen, zögere nun doch
nicht, es einzulösen," ließ sich eine frische
Stimme in schmeichelndem Tone von der
Thüre her vernehmen.
Der Regiernngsrath hatte Bernhard
Abends zuvor durch ein paar Zeilen be-
nachrichtigt, daß er in der Stadt sei und
ihn zu sprechen wünsche. In Folge dessen
hatte ihn der junge Mann am Morgen aus-
gesucht und mit Freude von der überraschen-
den glücklichen Wendung gehört, die seine
Angelegenheit genommen. Er war mit
Haidhausen zu seiner Mutter gefahren, so-
bald Letzterer die schickliche Stunde für sei-
nen Besuch bei ihr gekommen glaubte. Auf
den Wunsch des Rcgierungsrathes hatte er
diesen allein zu Frau v. Hammerstein gehen
lassen und sich inzwischen zu Edwin begeben,
um denselben von der Sachlage zu unter-
richten. Länger hatte er es aber nicht aus-
gehalten. Bon seiner eigenen Ungeduld und
der des Kranken getrieben, war er nach dem
Zimmer geschlichen, in welchem die Unter-
redung stattfand,- er hatte an der Thüre
gelauscht, sie leise aufgeklinkt und endlich
nicht mehr zu schweigen vermocht. Näher-
tretend fuhr er fort:
„Du hast mir gesagt: Menn Du mir
die Beweise bringst, daß Magda v. Haid-
hausen wirklich die Enkelin des Barons

v. Eisenberg ist, will ich sie als Schwiegertochter Null-
kommen heißen'. Die Beweise sind da, Mutter, ich
bitte, ich beschwöre Dich, gib uns Deinen Segen."
Er ergriff ihre beiden Hände und sah ihr flehend
in die Augen. Frau v. Hammerstein hätte nicht die
kluge, Praktische Fran sein müssen, die sie war, nm nicht
einzusehcn, daß, wie die Verhältnisse sich gestaltet hatten,
eine Heirath ihres Sohnes mit Magda v. Haidhausen
ein Glücksfall sei, auf den sie kaum zählen gekonnt,
aber gerade das brachte sie auf. Es erschien ihr un-
erträglich, daß sie oder ihr Sohn, das galt ihr gleich,
aus der Hand des Mädchens, an das sie den schon so
sicher als ihr Eigenthum betrachteten Reichthum verlor,
diesen Reichthum wieder wie ein Geschenk empfangen
sollte. Der Gedanke empörte sie, das weibliche Wesen,
in welchem die beiden Mädchen vereint waren, die sie
am bittersten gehaßt: Annunziata und Magda v. Haid-
hausen, als ihre Schwiegertochter zu begrüßen. Es

Verlöre n.
Roman
Von
Ludwig K a b i ch t.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
aidhausen war bei seinen letzten Worten
Fran v. Hammerstein näher getreten und
wollte ihre Hand ergreifen. Sie entzog
sie ihm.
„Sie glauben, die reiche Erbin könne
sich kaufen, wonach ihr Herz Begehr trägt?" sagte sie
hart. „Sie täuschen sich, Herr v. Haidhausen, was
ich noch mein nenne, ist mir nicht feil."
Eine bittere Antwort schwebte auf seinen Lippen,
jedoch er bezwang sich. „Ehe Magda eine Erbin war,
als armes, verlassenes, namenloses Mädchen ward sie

brachte sie auf, daß Haidhausen Grvßmuth gegen sie
üben wollte; sic schämte sich, daß sie sich ihm und ihrem
Sohne kleinlich, unversöhnlich und, was das Schlimmste
war, unvernünftig zeigte, und sie grollte ihnen, daß sie
sie in die Lage versetzten, diese Empfindungen zu zeigen,
ohne doch die Kraft zu haben, ihrer Herr zu werden.
„Du machst Miene, auf Deinem Scheine bestehen
zu wollen," sagte sic und entzog dem Sohn ihre Hände.
„Was quälst Du mich um meine Einwilligung? Dn
fragst ja nicht viel nach dem, was Deine Mnttcr er-
laubt oder verbietet, Du wirst auch ohne meine Ein-
willigung die Brant hcimführen."
„Wenn er cs thnn wollte, würde Magda ihm nicht
folgen," sagte Haidhausen. „Geschähe cs doch und dul-
dete ich cs ebenfalls, dann hätten Sie ein Recht zu dem
Vorwurfe, daß wir Ihnen Ihren Sohn geraubt."
„So wird aus der Heirath uichts werden können,"
entgegnete Frau v. Hammcrstein, den Blick starr auf
einen Punkt an der Wand geheftet, „mit
meiner Einwilligung wird Magda v. Haid-
hausen nicht Deine Frau."
Der Regiernngsrath und Bernhard sahen
sich rathlos an. Sie hatten gehofft, Fran
v. Hammcrstein werde sich jetzt als ver-
nünftige Frau der Macht der Thatsachen
beugen, sie hatten den besten Willen gehabt,
den Rückzug für sie so ehrenvoll wie mög-
lich zu machen. Auf einen so hartnäckigen
Widerstand waren sie nicht gefaßt gewesen.
Was war nun zu thnn? Unerwartet kam
ihnen Hilfe.
Beide Flügel der Thüre, durch welche
Bernhard eingetreten war, wurden von
außen geöffnet, ein Diener rollte einen Lehn-
stuhl herein, in welchem in Decken gehüllt
Edwin v. Hannuerstein lag oder vielmehr
die kärglichen Reste, die von dem einst so
blühenden jungen Manne noch übrig waren.
Obgleich der Regiernngsrath Edwin schon
in Rom krank gesehen hatte, zuckte er doch
beim Anblick dieser Jammergestalt entsetzt
zusammen. Seine Bewegung ward nicht
bemerkt, denn Mutter und Bruder wandten
sich mit einem Ausrufe des Schreckens an
den Kranken:
„Edwin, waS thnst Du?!"
Der Z! ranke winkte dem Diener, sich
zu entfernen, und sagte dann mit einer-
hohlen Stimme, die der Erde nicht mehr
anzugchvren schien: „Ich tonnte es nicht
mehr aushaltcn, Dn kamst nicht, nm mir
Bescheid zu bringen."
Bernhard schüttelte traurig stumm das
Haupt. Edwin verstand ihn.
„Mutter, Dn willst also Deine Ein-
willigung nicht geben?" fragte er langsam.
Es klang wie eine Geisterstimme.
Fran v. Hammerstein schüttelte den
Kopf; sie hatte nicht den Muth, ihre Wei-
gerung iu Worte zu kleiden.
„Mutter, WaS Du dem Lebenden vew
 
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