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Degen und Palette.
Historischer Roman, ans Bayerns Vergangenheit.
Von
K-gvert ßarlssen.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
ch soll hier in Sandhorst bleiben?" sagte
Josephine wie trünmend und mit nieder-
geschlagenen Augen. „In diesem Hause soll
ich Ruhe und Frieden wiedcrfinden?" Und
dann jäh auffahrend rief sie) „Nein, nein, es
kann nicht sein! Jeder Stein des Hauses,
jeder Baum des Gartens erzählt mir hier von ver-
gangenen Zeiten, von Zeiten für immer verlorenen
seligen Glückes. Nein, ich muß fort. Gott mit Dir,
Franziska!"
Aber Franziska ließ sie nicht fort, sie faßte ihre
beiden Hände und zog die Widerstrebende voii Neuen:
an sich. „Von Zeiten kommenden Glückes soll Dir
hier Alles erzählen, darum bleibe bei mir," schmeichelte
sie. „Eines Versuches wenigstens, meine ich, wäre cs
doch Werth. Auch von Eugen kannst Di: nirgends
leichter und nirgends zuverlässigere Nachrichten erhalten
als wie hier, nirgends kannst Du eher hören, daß sein
Herz in allein Unglück Dir treu geblieben ist, und daß
es nicht Eigennutz von ihn: gewesen, wenn er sich Dir
gegenüber in Stillschweigen gehüllt hat."
Josephine sah schüchtern und zagend zu Franziska
empor. „Glaubst Du das wirklich?" fragte sie, und
zum ersten Male heute lächelte ihr
Mund bei diesen Worten. Es war
ein seltsames Lächeln und einen
Moment wollte es Franziska er-
scheinen, als lüge etwas wie Spott
darin; aber nein, sie täuschte sich,
es war wohl nur eiire verschämte
Hoffnung, welche daraus sprach.
Josephine hoffte wieder und damit
Ivar sie dein Leben zurückgewonnen.
„Ob ich das glaube," erwiederte
sie auf die Frage der Freundin,
„bleibe nur bei mir und fasse frischen
Muth. Du sollst sehen, hier wird
Dein Herz wieder gesund, hier wirst
Du die Spannkraft wieder finden,
welche Dich einst in so hohem Grade
auszcichnete und welche Dich auch
diesen Sturm überdauern lassen
wird."
Josephine richtete sich empor und
entzog sich sanft Franziska's Um-
armung. „Ich will den Versuch
wagen," sagte sie leise, indem sie
der Freundin die Hand reichte.
„So lange nehme ich Deine Gast-
freundschaft an, bis wir Nachricht
von Eugen haben. Weiß ich nur
erst, daß er mich nicht zurUctstvßt,
daß er mir treu geblieben ist, Pri», Wilhelm
dann kann ich Alles ertragen."

Und ii: dieser Nacht schlief Josephine v. Heydom
unter dem Dache des Hauses Sandhurst. Schlief sie
wirklich? Ließen in der That Vergangenheit und Zu-
kunft sie schlafen? Ja, sie schlief und ihren Mund
umspielte im Schlafe ein Lächeln. Umgankclten sie
Träume der Liebe? Oder Träume der Rache?
4.
In den ruhig dahinfließenden Stunden des nächsten
Tages steigerte sich in Franziska's Herzen noch das
Mitgefühl für Josephine. In der That hätten selbst
den gleichgiltigsten Menschen die Erzählungen derselben
rühren müssen, wie rücksichtslos man ihr das Schicksal
von Vater und Bruder mitgetheilt, wie roh und höh-
nisch man sie vom Hof gewiesen, wie erbarmungslos
die Knrfürstin dem einst verhätschelten Liebling jedes
Wort, ja jeden Blick der Thcilnähme versagt, in welchem
Elend Josephine dann umhergeirrt, bis sie endlich der.
Verzweiflung nahe hier in Sandhorst einen Hafen ge-
funden hatte. Der kälteste Egoist konnte bei dieser Er-
zählung nicht unbewegt bleiben — wie viel weniger
das Weiche Herz Franziska's!
„Ich könnte mir denken, daß ein solches Schicksal
ein Menschcnherz mit unauslöschlichem Haß erfüllen
muß," meinte Franziska, als Josephine geendet, „mit
dem glüheill)en Wunsche, Vergeltung üben zu können
an Allen, deren Erbarmungslosigkeit so tausendfach noch
das eigene Weh vermehrt."
Wie ein Blitz flammte es in Jvsephinens Ange ans.
„Ja, an Allen!" wiederholte sie mit zuckender Lippe.

Preuße» und sciile Braut Priuzepiu Auguste Biktoria VM SchlcSUNg-Hi
Augustenburg. Originalzeichnung von C. Kol b. (S. S5S.)

„Aber für ein edles Herz werden solche Stimmungen,
solche Wünsche stets vorübergehend sein," fuhr Fran-
ziska fort. „Dasselbe muß fühlen, daß der eigene
Schmerz nicht dadurch gelindert werden kann, daß wir
Anderen Schmerz bereiten."
„Gewiß, nur unedle Menschen können in solchen
Rachegcdankcn Trost finden," stimmte Josephine bei.
Als sich am Abend die Freundinnen trennten, sagte
Josephine: „Du glaubst nicht, wie wohl mir das Zu-
sammensein mit Dir thnt. Ich will Dir nur gestehen,
daß ich nicht nur unaussprechlich elend war, als ich
dieses Haus betrat, sondern auch verbittert durch mein
Unglück und voll rachsüchtiger Gedanken. Jetzt ist das
anders; Wunder hast Du, liebliche Zauberin, gcthan.
Ich kann wieder hoffen und — vergeben."
Es schlug Mitternacht, bis das Licht in Josephinens
Schlafgemach erlosch. Und als es kann: erloschen war,
flammte es von Neuem ans, nm gleich darauf wieder
zu verschwinden. Dreimal wiederholte sich dieses Schau-
spiel. Dann stieg im Wälde, dem Gemach gegenüber,
eine Rakete leuchtend zum dunkeln Nachthimmel empor.
Zwei feurige schwarze Augen verfolgten vom Fenster
ans ihre glänzende Bahn und beobachteten, wie der
ersten Rakete eine zweite, dieser eine dritte, vierte und
fünfte folgten. „Fünf Uhr," murmelte die schöne Be-
obachterin, „die Stunde ist vortrefflich gewählt."
Und wiederum ging eine Nacht dahin und wieder-
um kam ein neuer Tag herauf.
Es war nm die vierte Nachmittagsstundc dieses
Tages, als Josephine mit allen
Zeichen der Bestürzung zn Fran-
ziska ans den Balkon hinaustrat
und sich erschöpft in einen Stuhl
sinken ließ.
„Was ist Dir, Liebste?" fragte
Franziska erstaunt.
„Er ist da," hauchte Josephine
kann: vernehmbar, das Gesicht in
den Händen verbergend, durch deren
schlanke weiße Finger sich eine
Thräne hindurchstahl.
„Wer ist da? Ich bitte Dich,
sprich."
„Engen."
„Heilige Jungfrau! Das ist
unmöglich."
„Schon seit gestern schleicht er
nm's Haus herum in der Hoffnung,
Dir draußen zu begegnen. Statt
Deiner begegnete er mir vorhin
im Walde. O Franziska, wie sieht
er aus!"
„Aber bei der Barmherzigkeit
Gottes, wie kommt er dem: nur
hieher? Er sollte ja bei der Armee
sein."
„Er hat Mißhelligkeiten mit sei-
nem Korporal gehabt und sich zn
stc,»-Lmidcrb»rg- einer Widersetzlichkeit hinreißen
lassen. Gütiger Himmel, er ist
 
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