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„Gregor, Du solltest nicht vergessen, daß ich näher
stehenden Gästen das Geleite bis auf die Veranda hinaus
zu geben Pflege."
Gregor, der Thusnelda's Hand ergriffen hatte, kehrte
sich nach ihr um. Beide ahnten nicht, welch' anziehen-
des Bild sie neben einander boten: Ersterer mit dem
ihn wieder beherrschenden Ernst, Thusnelda mit einem
sie wunderbar kleidenden Lächeln der Befangenheit.
„Ich hielt mich für entlassen," antwortete Gregor
zu des lauschenden Slvwfield heimlicher Freude kalt
ablehnend, „außerdem lernte ich im Laufe der Jahre
meine Wege ohne fremde Führung zu finden."
Unerbittliche Strenge lugte dabei aus seinen Augen;
die Unversöhnlichkeit eines tief beleidigten Gemüthes
tönte aus seiner Stimme hervor, und was eben noch
an Milde in Miß Sarah's Innerem sich regte, er-
stickte unter dem Andrange ihrer alten Gehässigkeit.
So gleichsam gerüstet, böse nachwirkende
Gifttropfen cinzuflößen, schritt sie zu Gre-
gor hinüber, der sich nur .ungern dazu
verstand, sie zu erwarten.
„Also unserer Edith Tochter," sprach
sie, mit scharfem Blick sede einzelne Linie
der anmuthvollen Gestalt prüfend, und die
bisherige Bewunderung verwandelte sich
in ein eigenthümliches Gefühl des Neides,
wie immer, wenn Jugend und Schönheit
sie zu barocken Vergleichen herausforderten,
„ähnlich, in der That überraschend ähnlich.
Möge das liebe Kind nie in die Lage
gerathcn, zwischen achtungswerthcn Ver-
wandten — o, zwischen dem eigenen Gatten
und einem Leben der Rene —"
„Komm, Thusnelda," fiel Gregor ein,
und er bot dieser den Arm, um sie einer
Atmosphäre zu entführen, die ihm wie mit
Flüchen angefüllt erschien.
Thusnelda folgte seiner Bewegung
mechanisch. Sie fühlte, daß Miß Sarah's
Bemerkung boshafte Zwecke zu Grunde
lagen. So lange die Kränkungen nur ihr
allein galten, nahm sie dieselben schweigend
hin. Sobald Miß Sarah aber, durch
Gregor's formlosen Abschied bis zum Wahn-
witz erbittert, ihren Angriff gegen diesen
richtete, loderten ihre Leidenschaften un-
gestüm empor.
„Viel Glück zu dem süßen Lohn für
Deine uneigennützige Mühewaltung! Dei-
nes Besuches will ich gedenken immerdar.
Ist es heute doch, wie vor mehr als
zwanzig Jahren, da Hinterlist und Ver-
rätst in der jungen Brust nach Herzenslust
p wucherten!" tönte es von den Lippen der
unversöhnlichen Feindin den Scheidenden
nach, und trotz Gregor's Widerstand, der
sie gewaltsam mit fortznziehen trachtete,
fuhr Thusnelda wie ein gereizter junger
Leopard herum. Bis auf zwei Schritte
trat sie vor Miß Sarah hin, und die
nunmehr Bestürzte vom Scheitel bis zu

niis


Die Familie Melville.
der Zeit des nordamerikanischcii Bürgerkriegs.
Von
Balduin Möllhanscn.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten^
o lange Gregor sprach, betrachtete Miß
Sarah ihn mit ungehencheltcm Erstaunen.
Es rief fast den Eindruck hervor allo
habe ihrer heimlichen Bewunderung seiner
schönen Erscheinung sich ein gewisser Grad
. von Achtung beigesellt. Sobald er aber
s- beherrschten sie wieder die tief gewurzelten
«'n kM Gesinnungen.
Nm . rcklichd" sprach sie geringschätzig
nchclnd. „Thusnelda Melville? Eherstätte
Zj geglaubt, daß Du mit einer — Freundin
, M vereinbartest, uw zu erproben, ob
»ckA Aortheile ans den Ansprüchen der
^.'wEenen Tochter jener mißleiteten, nn-
Mekl.chm Edith zu ziehen."
Jetzt wechselte Gregor die Farbe. Seine
^stgen sprühten förmlich. Doch nur cinigc
T""uden des Schweigens, und er war
. e°er derselbe kalt urtheilende, sich nie
Ereilende Mann.
»Es gibt Verdächtigungen," erklärte
genwsstu, „durch deren Beantwortung
inllt ^bst herabwürdigt. Nur so viel:
tl,w Enkelin meines Dnkels und Woht-
irgend welche Ansprüche an
jM'n Hinterlassenschaft haben, so betrachtc
als meine Pflicht, dieselben geltend
'' wachen," und mit einer leichten Ver-
.chMug sich abkehrend, schritt er aus dem
den ^oich darauf erschien Slowfield in
sthur des Schlafgemachs.
k,.. "Ihm nach, ihm nach," flüsterte er
lw der bestürzt dreinschaucnden Vcr-
Mdeten zu, „schnell ihm nach unter irgend
Vorwande. Betrachten Sie das
"°chcn genau, nm cs zu seiner Zeit
. f'derzuerkennen. Wer weiß, es mag viel
°bhängen."
woch dieser Aufforderung säumte Miß
nicht. Schweigend, jedoch hastig
am sie das Zimmer, und als Gregor
iin Veranda hinaustrat, befand sic
N nur eine kurze Strecke hinter ihm.
üw . darauf stand sie auf der Thür-
D;Ihr erster Blick traf Thusnelda.
auf dem anderen Ende der Veranda
sticht ängstlich Gregor's Augen.
o, wurde daher nicht gewahr, daß
!"aud ihm folgte. Näher tretend, ent-
nte Grcgor ihre Unruhe, und dieselbe
' gw'strenen, rief er ihr heiteren Antlitzes

zu: „Hier sind wir fertig. Singsang wird schon un-
geduldig geworden sein. Hoffentlich sorgte er für Speise
und Trank."
Thusnelda lächelte holdselig. Wie Gregor sie über
seine wahre Stimmung zu täuschen suchte, so trachtete
sie selbst gleichsam instinktartig, seinen Erwartungen
wenigstens einigermaßen zu entsprechen. Sie erhob
sich, warf die langen Straußenfedern durch eine leichte
Kopfbewegung zurück und antwortete lebhaft: „Wo es
sich um unser Wohl handelt, läßt Singsang sich nicht
müßig finden," und verloren ging ihr, daß von der
Thür aus zwei Augen, die sonst gewohnt, theilnahmlos
zu blicken, in tiefer Bewunderung auf ihr ruhten.
„Edith," lispelte Miß Sarah im Erstaunen un-
bewußt, als sie in dem lieblichen Antlitz und den
großen blauen Augen die Mutter wiedererkannte. Dann,
wie überwältigt durch diesen Eindruck, rief sie hinüber:

Generallimtenant Adolph v. Heinleth, k. bayrischer Kriegsminister.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 223)
 
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