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1887

v°rb-l,al!

Bedingungen nie erfüllt werden. — Du sichst mich
erstaunt an? Glaube mir, durch die Sorge um Thus-
nelda habe ich ein heiliges Anrecht an sie erworben,
so heilig und heiliger noch, als das eines Pflichtver-
gessenen Vaters sein kann. Von diesem Bewußtsein
getragen, gebührt es mir wohl, ernste Entscheidungen
von meinem eigenen Ermessen allein abhängig zu machen.
Denn eher mag Gilbert mit ungestillter Sehnsucht nach
seiner Tochter--o, mehr noch' gefoltert von Gewissens-
bissen in's Grab hinabsinken, bevor ich Thusnclda's
Seelenfrieden auch nur im Entferntesten gefährdet wissen
mochte. Jetzt ist sie glücklich; sie kennt keine Sorgen,
keinen Gram. Ihr Beruf ist ihre Lebensfreude, ihr
höchster Lebensgenuß. Würde cs länger so sein, wenn
sie ihren Vater in einem bcjammcrnswcrthcn Zustande
wiederfände? Wenn sie ahnte, daß er diesen Zustand
den eigenen frevelhaften Entschließungen verdankte,

(slara Ziegler.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb.

durch welche sie und ihre arme Mutter iu die unbarm-
herzige Welt hinausgestoßen wurden? Und welchen
Eindruck könnte es nur auf ihr jetzt so frohes Gcmüth
ausüben, entdeckte sie in den Blicken des Vaters —
vergiftender Worte nicht zu gedenken — den Vorwurf,
daß sie Kunstreiterin geworden, ein Vorwurf, der sich
in doppeltem Maße gegen mich richtete? Es bleibt
daher bei meiner Entscheidung; von Dir aber erwarte
ich, das; Du mein Vertrauen, meinen Willen und die
Ursachen, welche denselben bestimmen, achtest und ehrst.
Du wirst es dadurch beweisen, daß Du nie den Ver-
such wagst, meine Entschlüsse, soweit dieselben das Ver-
hältnis; zwischen Thusnelda und ihrem Vater betreffen,
mittelbar oder unmittelbar zu beeinflussen."
„Wohl verstehe ich Dich jetzt," antwortete Frank,
hingerissen durch den tiefen Ernst, mit welchem Gregor
zu ihm sprach, „ich verstehe Dich und pflichte Deinen
Ansichten bei, wenn ich auch — verzeihe
meine Offenheit - Dir etwas mildere
und versöhnlichere Gesinnungen gewünscht
hätte."
„Mildere und versöhnlichere Gesin-
nungen?" rief Gregor spöttisch ans.
„Knabe, Du weißt nicht, was Du sprichst.
Wer übte Milde mit einer verstoßenen
engelgleichen Mutter, wer Versöhnung
an einem hilflosen Kinde? Und wer
übt heute ucch Milde und Versöhnung
an uns Allen? Geh' doch hin nach der
Plantage, der einstigen Heinistätte Deiner
Mutter und Gilbert s! Geh' hin und
prüfe, ob auch nur ein freundlicher Blick
Deinen Gruß lohnt. Doch verderben wir
uns an dem heutigen sonnigen Tage
nicht die Laune durch das Anregen her-
ber Rückerinnerungen. In dem einzigen
Bestreben, zunächst Gilbert's Versteck aus-
zukundschaften, muß alles Andere vor-
läufig hinter uns versinken."
„Aber noch eine Frage ist da, welche
vielleicht nicht unberücksichtigt bleiben
sollte," versetzte Frank beinah zaghaft,
„ich gewann nämlich den Eindruck, daß
Gilbert im Besitz der Anrechte an ein
namhaftes Vermögen, und seine einzige
Tochter —"
„Nichts davon, Frank, ehrlich, wie
Dein Wille sein mag. Besäße Gilbert
Millionen, so könnte mich das nie be-
wegen, Thusnclda's Seclenrnhe deshalb
auf's Spiel zu sehen. Ich leugne nicht,
daß der dumpfe Zweck, ihre Rechte zu
wahren und eine etwaige Hinterlassen-
schaft ihres Vaters für sic zu beanspruchen,
mich nach Melvillehouse führte und zu
weiteren Nachforschungen trieb. Seitdem
ich aber weiß, daß Gilbert lebt, geschieht
das, was ich unternehme, nur noch allein
für die Angehörigen Deines edlen Va-
ters, aber auch nm Denjenigen, die ihre
Hände nach einer reichen Beute aus-

Die Familie Melville.
1"vNlU, aus der Zeit des Iiordamcrikaiiischcn Bürgerkriegs.
Von
Baldnin Möllhanscn.
(^orsichnng.) (Nachdruck verboten.)
rank folgte Gregor's Beispiel, setzte sich
neben ihn auf den Rasen und alsbald ver-
tieften die beiden Verwandten sich in ein
Gespräch, welches vorzugsweise die muth-
maßliche Lage Melville's betraf. Aber auch
üu.. in die Vergangenheit führten die gegcn-
M Mittheilungen sic, in jene Zeiten, in welchen
,,.7 wild empörten Leidenschaften über den Häuptern
ü,;,,''chU'nschlugen, unbekümmert darum,
nuur ^'c Wunden, welche arglosen Ge-
boi! geschlagen wurden. Offenherzig
^F"tc Jäank Alles, was im Laufe der
FF fl'incr Kenntniß gelangte, rind
du- JMch immer ihn gelegentlich über
es k- "'W bwes Ereignis; unterrichtete:
i^ Msnbarte sich verständlich, daß man
im ' b'dee Richtung hin fchonnngsvoll zu
nun, Mmigeu war. Dieselbe, sogar
Mi peinlichere Vorsicht ließ jetzt arich
bnt^ Balten; denn erst nachdem er
Pur. Charakter des jungen Offiziers
J^uter geworden und er in die Lage
st baue hingebendc Thcilnahmc für
gen,'"" entfernter stehenden Verwandten
.. "^ermaßen mit Gründen zu belegen,
jM kr näher auf die eigene Geschichte
MFw Beziehungen ein, iu welchen
"" i Wnelda zu Allen stand.
Meissen lauschte Frank seinen
M> n> lwM». Starr hingen seine Blicke
"regor's Lippen. Er wagte kaum zu
. Men vvr Spannung, noch weniger
Fs Ausdrucke des Erstaunens die uu-
Schilderungen zu unterbrechen,
F ^orguiß, das; ihm ein Wort vcr-
gehen könne.
st». " weißt jetzt, was meine Zu-
stn "F'ümft mit Gilbert streng erheischt,"
viele ^Mvr endlich, „aber Du weißt
kannst ebenso wenig wissen, wie ich
FM ob cs rathsam, daß Thusnelda
w>de von denn Leben ihres Vaters
stm.""d dieser von dem ihrigen. Er-
» F Gilbert die Wahrheit, so würde er
Mssichtlich, gleichviel in welcher geisti-
ü » °ver körperlichen Verfassung er sich
m "dct, kein Mittel unversucht lassen, -
''ul seiner Tochter zu vereinigen,
F kann und darf nur unter ganz
^.wilderen, bis jetzt unberechenbaren Bc-
p! Mlgen »nd Umständen geschehen. Vor-
Gtz gehe ich davon ans, daß jene
 
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