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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 24.1889

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.51129#0191
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D i e

Neugierig. Nach einem GemSIde von C. v. Bergen. (S. ISI)

„Aus Allem geht hervor," erklärte er Galbrett,
„daß Ihnen ans irgend welchen räthselhaften Gründen
daran gelegen, Ihre Kinder — Mann, bedenken Sie
doch: Ihre eigene Nachkommenschaft verschwinden zu
lassem Da mochte der Henker nicht mißtrauisch werden."
„Verschwinden sollen sie nicht," ging Galbrett sofort
auf des so viel listigeren Clowns Andeutung ein, „ich
wünsche sic nur so unterzubringen, daß sie ihrem
Berns nicht entfremdet werden, ich aber, wenn ich über
ihr Wohlergehen mich unterrichten will, sie nicht ans
der Straße zu suchen brauche. An Einsamkeit sind sie
gewöhnt, da bereitet es Ihnen keine Schwierigkeit, sie
den Tag über neugierigen Blicken zu entziehen. Des
Abends dagegen, während ihres kurzen Auftretens, ist
nicht zu befürchten, zumal in dieser abgelegenen Stadt-
gegend, daß Jemand, der sich für berufen hält, meine
Familienangelegenheiten zu den seinigen zu machen,
sich hierher verirrt."

Roman
»on
Balduin Möllhanscn.
lFortsegung.)

sNochdruü vcrlwUn.)
eber meine eigenen leiblichen Kinder steht
ir allein das Verfügnngsrecht zu," er-
wicderte Galbrett hastig, durch die Be-
merkung Jannock's offenbar peinlich be-
troffen. Er warf einen finsteren Blick auf
die Geschwister, die sich nicht zu rühren
wagten und jedesmal mit ängstlicher Span-
nung zu Demjeuigeu cmporsahen, der gerade das Wort
ergriffen hatte, und fügte zögernd hinzu: „Allerdings
gibt es Anderes, was
ich mit Ihnen bespre-
chen möchte, allein.—"
Die Direktorin ver-
stand den Wink. Sie
reichte den Geschwi-
stern die Hände rind
führte sie nach dem
entlegensten Winkel
des Wagcnraumes hin-
über. Dort stellte sie
auf einer Kiste etwas
Fleisch, Brod und ein
Glas Bier vor sie hin.
Zwei formlose Zeug-
bündel wies sie ihnen
als Sitze an, mit man-
chem guten Wort die
Wohlthat eines kräf-
tigen Mahls preisend.
Durch einen kalt prü-
fendenBlick überzeugte
sie sich, daß ihre
Pflegebefohlenen an
nichts weniger dachten,
als dem in ihrer Um-
gebung Stattfindenden
viel Aufmerksamkeit zu
schenken, dann begab
sie sich zu den Män-
nern zurück. Auf Feld-
stühlen saßen diese
nunmehr, die Arme
vor sich auf dem klei-
nen Tisch rastend und
die Köpfe einander zn-
geneigt. Als sie in
ihrem Kreise sich nie-
derließ, war Jannock
eben im Begriff, seine
Bedenkenüber dieAuf-
nahme der Schlangen-
kinder zu offenbaren.

„Und wenn es dennoch geschähe?" forschte Jannock
verschmitzt, und unter dem grellen Farbenüberzugc ent-
stellte sich sein spitznasigcs Gesicht zu einer grinsenden
Teufelslarve.
„So weisen Sie ihm einfach die Thür," antwortete
Gälbrett ingrimmig. „Täglich spreche ich hier vor,
und höre ich von Belästigungen, so ist's immer noch
Zeit, Gegcnmaßregeln mit Ihnen zu vereinbaren."
Unter der geneigten Stirne des Gauklervorstandes
hervor kreuzten sich, von Galbrett unbemerkt, Blitze
triumphirenden Verständnisses, worauf die Direktorin
unzufrieden einwarf: „Es spielen also doch allerlei
Möglichkeiten?" und beipflichtend klappten des Direk-
tors Hände rückwärts über und nickte das Kreide- und
Scharlachgesicht dreimal heftig hinter einander.
„In der Welt ist Alles möglich," erklärte Galbrett
achselzuckend, „ich wohne nikmlich bei der Großmutter
meiner Kinder, einer beschränkten Person, welche sich
in den Kopf gesetzt
hat, Künstler unseres
Schlages gehörten
nicht zu den ehrlichen
Menschen. Sie griff
daher mit allen zehn
Fingern zu, als ein
Paar verkappte Mis-
sionäre oder was sonst
für Heilige es sein
mögen, vorschlugen,
die Kinder ihrem ei-
genen Vater zu ent-
führen und betende
Götzenbilder aus ihnen
zu erziehen. Und so
begann die alte Hexe
mit Bitten und Be-
schwörungen auf mich
einzureden. Es folgten
sinnlose Drohungen,
die mich indessen auf
den Gedanken brach-
ten, daß ich eines Ta-
ges ein leeres Nest vor-
finden könnte, Um
sicher zu gehen, bleibt
mir also kein anderer
Ausweg, aksdenLentcn
zuvorzukommen und
die Beiden da drüben
aus dem Wege zu
schaffen. Denn sind
sie einmal fort, da
mag der Henker nach
ihnen suchen; die Welt
ist groß und auf dem
Wasser hinterlassen sie
keine Spuren."
„Bei uns fänden sic
allerdings den sicher-
sten Schutz," meinte
die Direktorin zögernd.
 
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