Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 24.1889

DOI Heft:
Heft 10
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51129#0241
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



..As.»

„So behaupteten sie die niederträchtigsten Lügen,
die je von einem Gaunerpaar ersonnen wurden."
„Zunächst mäßigen Sic sich," griff Simpson nun-
mehr beinahe drohend in das Gespräch ein, „vergessen
Sie nicht, wo Sie sich befinden, und daß cs mir ein-
fallen könnte, Sie ziemlich unsanft in Ihr Boot
hinunterschaffen zu lassen." Er begegnete einem miß-
billigenden Blick der Gräfin, und demselben eine höhere
Bedeutung beilegend, fuhr er gemessener fort: „Es liegt
auf der Hand, daß man Sie sowohl täuschte, wie uns,
und zwar zu dem Zweck, zu seiner Zeit, nachdem das
Geräusch über das Berschwinden der Geschwister ver-
stummte, sie auf Umwegen der Gauklcrbandc einzu-
verleiben."
Verstört sah Galbrett ihn an. In seinem Inneren
nagte verzehrende Wnth. Die " ""

Erklärung Simpson's
klang zu folgerichtig,
um sie ebenfalls als
ersonnen zurückzu-
weisen.
„BleibenSie länger
hier vor Anker lie-
gen?" fragte er nach
kurzem Zweifeln lau-
ernd.
„So lange, bis ich
entweder die Kinder
fand, oder die Ueber-
zeugung gewann, daß
sie mir unerreichbar
geworden," antwor-
tete die Gräfin frostig.
„Und wenn esJhnen
glücken sollte, ihrer
habhaft zu werden?"
In der Gräfin Au-
gen flackerte es be-
drohlich auf. Um
ihre Lippen lagerte
schadenfrohe, sogar
grausame Befriedi-
gung, indem sie er-
klärte: „So würde
ich zunächst Sie hier-
her entbieten lassen,
nm über deren Besitz
mit Ihnen mich zu
einigen."
„Da müßten Sie
mit Ihrem Angebot
schon recht hoch grei-
fen," versetzte Gal-
brett, und aus seinem
Mienenspiel ging un-
zweideutig hervor,
daß er um den Ver-
bleib der Kinder
nichts wußte.
Eigenthümlich zuckte
es um die Lippen der

Oie beiden Dachten.
Roman
von
Balduin Mvllhanse».
lFortscgnng.) .
iNachdrurk verboten.l
ie sollten lieber sagen: die Enkel des ans
dem Meere verschollenen Schiffskochs Holi-
day," bemerkte die Gräfin anscheinend glcich-
müthig, jedoch Galbrett's Gesicht argwöh-
nisch überwachend.
Dieser zuckte die Achseln und erwiederte ingrimmig:
„Zunächst sind's meine Kinder, über welche mir allein
die väterliche Gewalt
zusteht. Hielten Sie
sich für beru'M, die
beiden Geschwister
unter lächerlichen Be-
drohungen von den
Leuten zurückzufor-
dern, welchen sie an-
zuvertrauen ich für
gut befand, so haben
Sie sich einer Hand-
lung schuldig gemacht,
für welche das Gericht
Sie zur Rechenschaft
ziehen wird."
Ein mattes, jedoch
bezeichnendes Lächeln
trat ans die Züge der
Gräfin. Tiefe Ver-
achtung und versteckter
Triumph spiegelten
sich in denselben.
„Von welchen Leu-
ten sollten wir die ar-
men Geschöpfe gefor-
dert haben?" fragte
sie.
Galbrctt lachte bos-
haft und fuhr erbit-
tert fort: „Vön wem
anders, als von der
Seiltänzergescllschaft,
die draußen vor der
Stadt ihre Künste
trieb. Jetzt ist sie
freilich abgezogen und
wird ein gut Stück
Geld dafür einge-
steckt haben, daß sie
den Kinderraub dul-
dete."
„Sie reden irre,"
Versetzte die Gräfin
nachlässig, „Ihren

Verdacht aber widerlegen zu wollen, lohnt sich nicht
der Mühe. Allerdings leugne ich nicht, daß ich gern
ein gut Stück Geld, wie Sie es nennen, dafür hin-
gegeben hätte, die Enkel des armen Schiffskochs einem
besseren Loose entgegcnzuführen."
Hoch auf horchte Galbrett bei dieser Erklärung,
lachte in der nächsten Sekunde aber wieder höhnisch,
und warf mit verhaltenem Grimm ein: „Behauptet
der Vormann der Gesellschaft, gezwungener Maßen
seine Schutzbefohlenen Ihnen überantwortet zu haben,
so kann's nicht aus der Luft gegriffen sein."
„Die Behauptung ist ebenso berechtigt, wie die vor
mir abgelegte, daß der Vater selber vorgezogen habe,
seine Kinder wieder an sich zu nehmen," versetzte die
^Gräfin ruhig, und Gälbrett antwortete in auflodcrnder
Wnth:

Pfleglinge. Nach einem Gemälde von H. Schanmann. iS. 241)
 
Annotationen