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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0033
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1890




llH 1l

Die Söldlinge.
Roman
Walduin MöMausen.
iFortsetzuug.)
iNachdruck verboten.)
bwohl der Ofen noch unmäßige Hitze aus-
strahlte, öffnete Lizard dessen Thür, um
neue Kohlen anfzuschütten. Anstatt ihn
dann wieder zu schließen, überwachte sie
finsteren Blickes die blauen Flämmchcn,
die oberhalb der schwarzen Schicht unstet
tanzten. Die ihr entgegenstrvmendc Hitze schien sie nicht
zu fühlen, nicht zu hören die fauchenden
Töne, mit welchen der Sturm an dem
Brettergebäude rüttelte.
Wer hätte geahnt, welcher Art die
Bilder, die hinter den großen ernsten
Angen Angesichts des allmählig wieder
ungestümer flackernden Feuers Leben ge-
wannen! —
Eine halbe Stunde hatte Lizard bei-
nahe regungslos dagesessen, als kurzes
Pochen die Heimkehr der beiden Burschen
verrieth. Gleich darauf wehte ein mit
Schneeflocken reichlich durchsetzter Wind-
stoß sie gewissermaßen in den nur wenig
geöffneten Eingang hinein. Nachdem sie
die Spuren der nächtlichen Wanderung
abgeschüttelt hatten, begrüßten sie munter
die Backofenhitze ihres Verschlages. Um
die halbe Stadt herum waren sie den
beiden Fremden auf gänzlich verschneiten
Wegen gefolgt, ohne mehr auszuknnd-
schaften, als die Lage des Hauses, in
welches Jene eintratcn.
„Es ist gut," lohnte Lizard ihren
Bericht kaltblütig, „Flieder und seine
Frau brauchen nicht zu erfahren, wo sic
wohnen. Was gehen sie die fremden
Menschen an? Ich will ihnen sagen, ein
Wagen habe die Fremden vor euren Augen
ausgenommen. Ihr seid meine guten
Freunde. Ich danke euch," und mit etwas
beschleunigten Bewegungen begab sie sich
nach dem anderen Giebel hinüber.
Als sie den als Werkstatt dienenden
Vorraum betrat, umfing sie Dunkelheit.
Die taube Greisin schlief längst unter den
Decken auf ihrer Matratze. An dem nicht
vollständig schließenden Vorhang vorbei
drangen matte Lichtstreifen herein, die von
einer Nachtlampe ausgingen.
„Bist Du da?" ertönte Fliedcr's ver-
schlafene Stimme.
„Ich, Lizard," antwortete diese, nun-
mehr ebenfalls ihr Lager anfsnchend.

„Die Beiden sind heimgekehrt. Ihr Gang war ver-
geblich. Durch viele Straßen schlichen sic den Fremden
nach! dann trug ein Wagen sic davon."
„So mögen sie zum Henker fahren," grollte Flieder
vor sich hin. Eine für Lizard unverständliche Bemerkung
richtete er an seine Fran; das Knarren seines Feldbettes
verrieth, daß er sich auf die andere Seite herumwarf,
dann herrschte Stille in den beiden Gemächern.
Drittes ttapitci.
Außerhalb des Weichbildes der Stadt, in wel-
cher Herr Erasmus Flieder mit seinem lebendigen
und todtcn Gefolge Winterquartier bezogen hatte,
erhob sich ein alter Herrensitz mit den dazu gehörigen
Stallungen, Remisen und Gürten. Es war dies die

Stätte, bis zu welcher die Burschen Fliedcr's den
beiden späten Besuchern des Wachsfigurentabincts nach-
spürten. In der denkbar unregelmäßigsten Form er-
richtet, lehnte das Hauptgebäude sich an die letzten
Ueberreste eines mit Ephen berankten mittelalterlichen
Schlosses, dessen wenige noch nutzbaren Räume mit in
den Bau hineingezogen worden waren. Drei Stock-
werke hoch und mit seinen wunderlichen, thurmartigen
Vorsprüngen, den spitzen Ziegeldächern und den ver-
hältnißmäßig kleinen Fenstern machte sich überall die
zwei Jahrhunderte zurückliegende steife Geschmacksrich-
tung geltend.
Dieselben Grundsätze waren bei der Pflege der mit
Taxuspyramiden und ähnlichen Hecken geschmückten, von
steinernen Rococo-Engeln, Genien, Göttern nnd Göttin-
nen belebten Gärten maßgebend gewesen, die mit ihren
uralten, hoch hinaufragenden Waldbäu-
men die Burg, wie der alte Rittersitz
allgemein genannt wurde, auf allen Sei-
ten einrahmten.
Wenn der Sommer mit seinem heiteren
Farbenspiel diesem Heimwesen einen über-
aus freundlichen, gewissermaßen vornehm
einladenden Charakter verlieh, so schwand
der Reiz in demselben Maße, in welchem
die Blätter starben, sich auf den Erdboden
betteten und schließlich die nackten Zweige
an Starrheit mit dem grauen Mauerwerk
wetteiferten. Doch heute, in der wüsten
Winternacht, sah man nichts von diesem
Allem. In Finsterniß und Schneetreiben
schwand die letzte Möglichkeit, mit reger
Phantasie Haus, Baum, Strauch und
Rasenflächen in wärmere Farben zu klei-
den. Man hörte nur das Brausen, mit
welchem der Sturm durch die entlaubten
Banmwipfel fuhr, über nackte Beete hin-
fegte, die Tarushecken und Pyramiden
gröblich zerzauste und den Schnee überall
da ablagerte, wo er nur den geringsten
Schutz vor ihm fand.
Doch auch im Innern der Burg, und
zwar vorzugsweise da, wo durch schwere
Fenstervorhänge gedämpftes Licht in's
Freie hinausdrang, machte das Unwetter
sich bemerklich. Von der über den Schorn-
stein hinwegsausenden heftigen Luft-
strömung ungezogen, schlugen die in dem
breiten schwarzen Marmorkamin mit
trockenen Eichenkloben genährten Flam-
men mit erhöhter Gewalt in den Schlot
hinein. Zu gleicher Zeit strahlten sie
eine ausreichende Fülle von Hitze aus,
nm in dem davor liegenden geräumigen
Zimmer eine gleichmäßige behagliche
Wärme zu erhalten. Gemeinschaftlich
mit den Flammen beleuchteten eine Ampel
nnd mehrere Lampen die mit dunklen
Ledertapeten bekleideten Wände, die an
denselben hängenden Porträts meist alt-

lücueral Julius v. Acrdh du Bcruois, Musischer KricgSuiitiistcr. lS. 35)
Nach einer Photographie von ötottheil L Sohu, Inh. L. E- Kvttheil, Hosphotograph in KSnigsberg.
 
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