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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0189
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Lager hinüber. So gewahrte er, daß Roland und Roger,
im Vorübergehen von Don Enrique's Feuer beleuchtet,
sich schnellen Schrittes näherten. Er entdeckte sogar, daß
dieselben statt der Büchsen offenbar zum Fesseln bestimmte
Leinen mit sich führten, und wußte, daß sein Loos be-
siegelt sei. Rur die größte Kaltblütigkeit im Verein mit
seiner, ungemeinen Gewandtheit konnte ihn noch retten,
und so folgte dem Scharren plötzlich eine Bewegung
so schnell, daß, zumal nach dem jähen Ucbergang der
lodernden HMgkeit zur Finsterniß, sic kaum Jemand
mit den Blicken zu verfolgen vermocht Hütte. Der letzte
Griff, mit welchem er in der erstickenden Gluth schürte,
bestand nämlich darin, daß er die Hände blitzschnell
in Schanfelform zusammenlegtc, mit denselben in die
heiße Asche fuhr und, bevor Hauer und Hengist seinen

Zweck durchschauten, die gepackte Asche nnd Funken so ge-
schickt in kurzem Bogen nach ihren Gesichtern schleuderte,
daß Beide, vorübergehend geblendet, einen Schritt zurück-
prallten. Wohl gab Hauer Feuer, doch mehr un-
absichtlich, als nach einem Ziel suchend; wohl sprangen
Roger und Roland herbei, alleinchevor noch der Schuß
gefallen war, kugelte Vincenti anscheinend in sich zu-
sammen und in das Gebüsch des niedrigen Uferabhanges
hinein. Das Geräusch aber, welches er dadurch er-
zeugte, wurde übertönt durch die Schritte „d^r ihm
nachsetzenden Männer, und gleich darauf sahen diese
ihn eine Strecke abwärts, dem Schatten eiizes Hundes
ähnlich, in der Dunkelheit auf dem grasigen Erdboden
verschwinden. Daniit durfte der verschlagene Räuber
sich als gerettet betrachten. Denn hätten Alle im Lager
ihre Thiere bestiegen und mach verschie-
denen Richtungen hin die Ebene abge-
spüht, so wäre es vergebliche Mühe ge-
wesen. Ebenso leicht hätte man in der
Dunkelheit einem Coyote nachg'espür^und
ihn eingefangen.
Auf den Schuß waren alle zunächst
befindlichen Männer, unter diesen Don-
Enrique, herbeigeeilt, um die Ursache der
Störung kennen zu lernen.
„Es widerstrebte mir, ihn, ohne ihn
zuvor gehört zu haben, vor den Kopf
schießen zu lassen," erklärte Hengist er-
bittert, sogar bis zu einem gewissen Grade
beschämt, „und diesen Umstand wußte der
Schurke trotz unserer Vorsicht listig aus-
zunutzen."
Ans der Ferne tönte höhnisches Lachen
herüber. Wie von einem Höllengeist ent-
sendet klang es durch die stille Nacht.
„Er stellt sich selbst seinZeugniß aus,"
bemerkte Don Enrique kaltblütig; dann
zu Hengist gewendet in beschwichtigendem
Tone- „Sein Entweichen lassen Sie sich
nicht gereuen. Wir wissen jetzt wenig-
stens, woran wir mit ihm sind. Der An-
blick eines erschossenen Mannes wäre nichts
für meine Tochter gewesen, und läge der
Schnrke jetzt krumm zusammengeschnürt
vor uns, so hätten wir nur die Mühe ge-
habt, ihn mit fortzuschleppen."
Unter den Leuten hatte eine gedrückte
Stimmung Platz gegriffen. Erst nachdem
Hengist seine Erfahrungen des vorigen
Abends geschildert hatte, und Jeder den
Umfang der drohenden Gefahr zu ermesseu
vermochte, kehrte ruhige Besonuenheit zu-
rück. Bereitwillig stellten sich Alle zur
Verfügung, als cs galt, die Vorberei-
tungen zu einer möglichen Begegnung mit
der gesetzlosen Bande zu treffen.
Tie bösesten Befürchtungen sollten sich
bestätigen; denn als die ausgesendeten
Kundschafter um Mitternacht zurückkehr-
ten, überbrachten sie die Nachricht, daß

Emil Götze.
Nach einer Photographie gezeichnet von O. Lorch. (S. 181)

Die Söldlinge.
Roman
Balduin Möllljanlen.
(Fortsetzung.)
(Nachtmnk verboten.)
inige Sekunden weidete Hengist sich gleich-
sam an dem Ausdruck des Schreckens, wel-
cher das erbleichende Gesicht des Räubers
) beherrschte, dann fuhr er fort: „Wo be-
fanden Sie sich in der ersten Hälfte der
vorigen Nacht? Sie blicken
erstaunt, möchten es nicht
eingestehen? Gut. Es handelt sich um
Leben und Tod, da sollen Sie wenig-
stens die Wahrheit hören. Ilm Mitter-
nacht spähte ich von dem Uferrande einer
Schlucht in dieselbe hinab, wo eine Rotte
verruchter Mordgesellen mit Ihnen,
Ihrem Freunde Antonio und einem vor-
nehmen Bürschchen den Angriff auf unsere
Gesellschaft vereinbarte. Jedes Wort
drang verständlich zu mir herauf, und
der Mann, dem Sie einen Schlag auf
den Kopf oder eine Messerklinge zwischen
die Rippen zudachten, steht jetzt vor
Jhnen, um Sie zur Rechenschaft zu
ziehen."
Vincenti saß wie gelähmt. Flüche
und Verwünschungen webten in seinen
Augen, erstickten aber zwischen den auf-
einander knirschenden Zähnen. Seine
Blicke wechselten scheu zwischen dem
Antlitz Hengist's und der auf ihn ge-
richteten Gewehrmündung. Das Ent-
setzen schien ihm die Sprache geraubt zu
haben, nnd doch gehörte er nicht zu jenen
Naturen, die in verhüngnißvollen Lagen
den Kopf leicht verlieren.
„Sind Sie sicher, daß Ihre Augen
Ihnen nicht einen Streich spielten?" fragte
er endlich zögernd und in einem Tone,
welcher anscheinend Feigheit nnd stumpfes
Unterwerfen unter ein eisernes Gebot ver-
riet!). „Sie sollten mich nur besser kennen:
bin ich doch bereit, mich Ihrem Urtheil
zu unterwerfen, wenn Sic eine wirkliche
Schuld an mir entdecken — da, hindert
Sie das Feuer, so ist den, bald abge-
holfen," nnd sich auf die Kniee aufrich-
tend, scharrte er die Gluth hastig aus-
einander. Während Hengist aber schwer-
lich ahnte, daß der hinterlistige Bursche
unter der Maske heilloser Bestürzung
nur einige Sekunden Zeit zu gewinnen
suchte, spähte dieser unbemerkt nach dem
 
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