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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 12
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0289
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1890



Juli US Rost».
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb, i

einem hoch angesehenen Handelsherrn, hinein zu be-
mühen.
Ein großer hagerer Herr mit dünnem weißen Haupt-
haar Md glattgeschorenem feinen Gesicht trat ihm ent-
gegen und begrüßte ihn mit vornehmem Anstande und
einer ihn sichtbar überraschenden Zuvorkommenheit.
Roland's Befangenheit wuchs. Ihm war, als hätten
dessen klare Augen ihm bis in's Mark hinein geschaut.
Er wünschte sich wieder auf die Straße hinaus, und
die äußerste Anstrengung kostete es ihn, stotternd sich
mit den Worten einzuführen: „Ich habe mir erlaubt,
auf Briefe, welche ich vor beinahe drei Monaten nach
Europa schrieb — ich befand mich gerade an der
Küste der Südsee die Antwort unter der Adresse
Ihres Konsulates zu erbitten

„Pünktlich eingetroffen," warf der Konsul, seine
sichtbare Verlegenheit freundlich berücksichtigend, ver-
bindlich ein, „und zwar schon vor drei Wochen; jedoch
nicht in Form eines Schreibens an Ihre Person,
sondern in mir ertheilten ausgiebigen Vollmachten und
Verhaltnngsbefehlen Ihnen gegenüber. Doch hier, wo
ich in jeder neuen Minute einer Storung ausgesetzt
bin. ist nicht der Trt zu eingehenderen Erörterungen.
Treten wir daher in mein Privatkabinet," und den
bis zur Verwirrung erstaunten jungen Mann höflich
in ein kleines, mit vornehmer Einfachheit auSgestattetes
Gemach weisend, folgte er ihm auf dem Fuße nach.
Die Thür schloß er hinter sich, worauf er Roland ein-
lud, in seiner Nähe vor dem mit zahlreichen Brief-
! schäften bedeckten Schreibtisch Platz zu nehmen. Dabei
trug er Sorge dafür, daß im ferneren
Verkehr mit ihni sein eigenes Gesicht
im Schatten blieb, wogegen das Ro-
land's von dem durch das Fenster
hereinfallenden Tageslicht voll getroffen
wurde: dann fuhr er mit der Gewandt-
heit eines feinen Weltmannes fort:
„Wenn ich die Gegenwart von Zeugen
bei unserer vertraulichen Unterredung
ausschließe" und Roland entging
trotz der für ihn ungünstigen Beleuch-
tung nicht, daß der Konsul ihn wäh-
rend des Sprechens mit an Neugierde
grenzender Spannung betrachtete
„mich überhaupt bis zu einem gewissen
Grade mit einem Schleier des Geheim-
nisses umgebe, so wird dies eben durch
die ganze Sachlage bedingt. Zunächst
handelt es sich darum, durch alle Ihnen
zu Gebote stehenden Nüttel zu beweisen,
daß Sie in der That der Herr Ro-
land Flieder sind. Es ist dies eigent-
lich eine überflüssige, jedoch nicht zu
umgehende Form, indem der Beweis
schon allein darin liegt, daß Ihre nach
Europa entsendeten Angaben sich genau
mit den mir von dorther übermittelten
decken. Nebenbei reichen diese so weit
über die Ihrigen hinaus, daß sie ohne
die entsprechenden Erläuterungen Ihnen
unverständlich bleiben müßten. Außer-
halb der Grenzen Ihrer kühnsten Ahnun-
gen liegt unzweifelhaft, daß Sie durch
die nach drüben entsendete Nachricht über
einen gewissen Hengist nicht nur An-
deren, sondern auch sich selbst einen
Dienst von unschätzbarem Werthe lei-
steten. Wunderbar, ja, alles Glaub-
liche übersteigend bleibt, daß Sie mit
jenem Hengist so viele Monate in den-
selben Verhältnissen lebten, sogar zeit-
weise täglich mit ihm verkehrten wie
Lic selbst berichteten, nüd Ihr Schrei-
ben wurde nur ja zur Einsicht über-
mittelt ohne daß Einer von Ihnen

Die Söldlinge.
Roman
Ijalduin Wötlünulen.
(FoltsctzlmgZ
- (Nachdruck verboten.)
Zweiundz wanzigstes Kapitel.
einahe drei Monate waren seit denn Tage
verstrichen, an welchem Roland sich von den
Gefährten trennte. Ter Frühsommer hatte
seinen Einzug in Louisiana gehalten. Mit
sich brachte" er südliche
Wärine, die in den Straßen
von New-Lrleans sich zeitweise bis zur
Bruthitze steigerte.
In einein bescheidenen Kosthüuse
wohnte Roland seit mehreren Wochen
und noch immer zögerte er, an die Er-
füllung des Zweckes zu gehen, zu wel-
chem er sich dorthin begeben hatte. So
oft er einen Anlauf nahm, immer wie-
der schwankte er im letzten Augenblick
zurück. Namenlose Unruhe peiuigll ihn,
indem er sich alle möglichen Folgen
seines Thuns vergegenwärtigte; und so
war er bis dahin noch nicht weiter ge-
langt, als daß er täglich mindestens
einmal zögernden Schrittes an einem
der verschiedenen Konsulate vorüber-
schritt, auch wohl stehen blieb, nm
die Inschrift des Thürsclsildes zu
lesen, worauf er seinen Weg nachdenk-
lich weiter verfolgte. So mochte er
allmählig als häufiger Besucher jener
Straße schon Diesem oder Jenen) aus-
gefallen sein. Es beschlich ihn wenig-
stens eine derartige Empfindung, so ost
er wähnte, hier und da einem arg-
wöhnisch prüfenden Blick zu begegnen.
Dieser Umstand trug nicht weniger dazu
bei, daß endlich ein fester Entschluß in
ihm zur Reife gelangte, als das nieder-
drückende Bewußtsein einer baldigst ein-
tretenden trostlosen Ebbe in seiner Börse.
Im klebrigen bot er, Dank der Frei-
gebigkeit des gutmüthigen alten Stier-
kämpfers wie der eigenen Eitelkeit, das
tadellose Bild eines vornehmen Müßig-
gängers.
Da konnte es denn nicht fehlen,
daß, als er eines Nachmittags wirklich
ans dem Konsulat erschien, man höf-
lich nach seinem Begehr fragte. Kaum
aber hatte er den Namen Roland
Flieder genannt, als man ihn bc-
reitwilligst ersuchte, sich zu dem Ehef,
 
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