Nationen be-
Reiseu trieb
liche, als Begleiterin mitzunehmeu wünschte. Die
Pcrgamenttafeln durften selbstverständlich nicht zurück-
bleiben. Ans sein dringendes Aurathcu verpackte ich
sie zu meinem Gelde in den Koffern, für ihn ein doppelter
Grund, gemeinschaftlich mit mir über deren Sicherheit
zu Wachen. Doch der Alte lebt ja noch, und damit
sind wir hoffentlich der mühsamen Nachforschungen an
der Hand schwer verständlicher Aufzeichnungen über-
hoben. Auch bezweifle ich nicht, daß er bei meinem
bevorstehenden Besuch, namentlich Angesichts des weiß-
haarigen Zaubcrmädchens, die letzten noch etwa
in ihm lebenden Bedenken fallen läßt.
Unerwähnt darf nicht bleiben, daß das zwischen
Ahnitzotl nnd mir bestehende Verhältniß anfänglich
nur ein mehr freundschaftliches gewesen. Inniger ge-
staltete es sich erst vor zehn, elf Jahren, als der alte
Feldzengmeister Freiherr v. Bauer, österreichisch ungarischer Neichskriegsmiuister.
Nach einer PhalagraUhic gezeichnet nan C. Kolb. IS.2M)
u Ich schildere den Gobcrnador Pedro Pino,
wie ich ihn bei meinem zweimaligen Besuch der
Stadl Znni kennen lernte. Schon in früheren
Werken gedachte ich des mir bcsrcnndctcn seltsamen
Mannes nnd seiner Neignng, die Wahrheit sagcn-
hastcr Ucberliefernngcn ans grancr Vorzeit zn er-
gründen.
Mann von dem härtesten Schlage betroffen wurde, der
nur je vou einem böswilligen Geschick für ihn hätte
ersonnen werden können. Äußer meiner Frau und
Tochter besaß er nämlich eine zweite und weit nähere
Verwandte. In gerader Linie von ihm abstammend,
war sie seine Urenkelin. Damals elf oder zwölf Jahre
alt — ich entsinne mich des Kindes sehr genau —
bildete das Mädchen bis auf einen taubstummen Burschen
seine einzige Gesellschaft. Obgleich für gewöhnlich bei
ihm in seinen düsteren Räumen wohnend und in einer
an die altmerikanische Zeit erinnernden Weise erzogen,
war er doch weit entfernt davon, die Kleine, die eine
hervorragende Schönheit zu werden versprach, sklavisch
aik sich zn fesseln. Von zärtlicher Liebe zu der letzten
seiner niilliittelbaren Angehörigen, aber auch von Achtung
vor der jungen Königstochter beseelt, gönnte er ihr die
ungebundenste Freiheit. Sie nutzte die-
selbe denn auch nach besten Kräften aus,
indem sie, trotz ihrer Jugend, uner-
schrocken das Land weit und breit durch-
streifte. Zu Botengängen verwendete
er die Kleine, um diesem oder jenem
Stammesgenossen irgend eine Kunde zu-
zusenden, oder dieses und jenes für seinen
bescheidenen häuslichen Bedarf einholen
zu lassen. Wohin aber Mazatl, so hieß
das Mädchen — die aztekische Bezeich-
nung für: ,Lrt der Hirsche' — kam, da
begegnete man ihr freundlich. Man be-
wunderte nicht nur ihre Anmuth und
Schönheit, sondern auch ihren Scharf-
sinn, überhaupt ihre geistige Begabung.
Obwohl herauwachsend wie ein junger
Hirsch, nach welchem sic den Namen
führte, war sie neben ihrer Mutter-
sprache auch des Spanischen schon früh-
zeitig mächtig; sogar im Englischen
konnte sic sich erträglich verständigen,
und das nur infolge des gelegentlichen
Verkehrs mit den Kindern eines Ameri-
kaners. Außerdem zeichnete sie sich durch
erstaunliche Selbstständigkeit, wie durch
eine an Starrheit grenzende Verschwie-
genheit aus, unstreitig die Erfolge von
Ahuitzotl's Erziehungsweise. Wenn
nicht gerade von dem Alten dazu be-
auftragt, sprach sie nicht einmal über
die gleichgültigsten täglichen kleinen Er-
eignisse; ernstere Dinge aber hätte man
ihr nicht entlockt, und wäre sie mit
dem Tode bedroht worden. Sogar ihren
eigenen Namen, nnd wenn hundertmal
darum befragt, uaunte sie nicht, und
heute noch möchte ich darauf schwören,
daß inan ihr furchtlos das gefährlichste
Geheimniß hätte anvertraucn können.
Ja, ein wunderbares Geschöpf war die
kleine dunkeläugige, schwarzlockige Ma-
zatl , und leider zu ihrem eigenen Ver-
derben und zum endlosen Grame ihres
Die Sölblinge.
Roman
Balduin Mi> Ms au len.
kForkschnng.)
... s'Nnchdnirk verboten.)
a kann es nicht befremden," fuhr Don
Enrique in seiner Erzählung zu Hengist
fort, „daß ich während der beiden Jahre
meines Aufenthaltes am Rio Grande die
Städte bauenden indianischen "
suchte. Zn den mühseligen
mich das Verlangen, zunächst die ver-
wandtschaftlichen Beziehungen dieser zu
den altmexikanischen Volksstämmen fest-
zustellen. So kam ich auch zu den
Znnis, wo ich mehrere Wochen ver-
weilte, und mit deren Gobernador, dem
alten Pedro Pino,*) mich herzlich be-
freundete. Meine Theilnahme für die
Geschichte seiner Vorfahren erwarb mir
sein Vertrauen, und so erfuhr ich Mou-
ches, was dazu diente, meine Ansichten
über die Wanderungen der altmerikoni-
schen Völker zu befestigen. Ich erzählte
ihm vou dem greisen Ahnitzotl. Der
Name war ihm zwar fremd, trotzdem
lieferte er mir Material, welches sich
auf ihn bezog. Nnd mehr noch: er
zeigte mir mehrere mit hieroglpphischen
Zeichen bedeckte Pergamente, welche ich,
vertraut mit Ahuitzotl's Vorgeschichte,
einigermaßen zn deuten vermochte. Ich
glaubte sogar aus einzelnen Bildern
Andeutungen über den von ihm ge-
hüteten Schatz nnd dessen Versteck zn
entnehmen. Mir diese kostbaren Doku-
mente zn überlassen, war er indessen
durch nichts zn bewegen, und ich bot
gewiß einen hohen Preis dafür. Da-
gegen gelang cs mir, zumal sein Kopf
vor lauter sagenhaften Kunden ans dem
Alterthnm schwirrte, ihn zur Mitreise
zu bewegen, um mir bei meinen ferne-
ren Nachforschungen zur Seite zu stehen.
Wie ernst er die ganze Angelegen-
heit auffaßte, geht daraus hervor, daß
er die junge Albino, nach seinen Be-
griffen eine überirdisch begabte Sterb-