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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 17
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l890.

Heft




IN. khriftoph Hnnrich Dietrich BuW^BaNot.
Nach einer Photographie gezeichnet von t>. Kolb. tL. 407>

tNachdruck verboten.!
Zweiunddreißigstes Kapitel.
ie Wochen, welche nunmehr auf der Ha-
cienda folgten, bestanden ausschließlich aus
sich aneinander reihenden Freudentagen.
Echt merikanische Gastfreundschaft und Zu-
vorkommenheit trugen dazu
bei, Jacobäa's Aufenthalt
einem glücklichen zu ge-

arglos, wenn sie ihren unbeeinflußten Regungen des
Augenblicks nachgab; dann aber wieder so eigcnthümlich
hochmüthig, förmlich boshaft absprechend und empfindlich
ihm gegenüber, je nachdem diese oder jene Laune sie
in ihrem Benehmen be.stimmte. Er hatte für sie ge-
zittert, für sie geblutet, und das schien sie vergessen
zu haben, vergessen, daß sie selbst ihn mit zarter Hand
pflegte, unbekümmert darum, daß sie ihm eine Wunde
schlug, für die es keine Heilung gab.
Eine längere Unterbrechung erlitt die fröhliche Ge-
selligkeit auf der Hacienda, als Don Enrique und
Mazatl sich zum Besuch der Casas Grandes rüsteten,
und doppelt willkommen hieß Roger die Aufforderung,
sich an der Reise zu betheiligcn. Auch Joso, Jsäbel's
indianischer Leibdiener, sollte Don Enrique begleiten,
als mau aber nach ihm suchte, war er verschwunden.


daselbst zu
statten, eine innige Freundschaft zwi-
schen ihr und Isabel zu begründen und
zu befestigen. Frohsinn und Zufrieden-
heit herrschte aller Enden. Nur Roger
war, seitdem er erfuhr, daß Hengist
im Begriff stehe, nach der Heimath
zurückzukehren, schweigsamer geworden,
und mehr als sonst hielt er sich der
heiteren Gesellschaft der Hausgenossen
fern. Auch ihn zog es nach den Stätten
hinüber, ans welche die Jahre seiner
Kindheit entfielen; allein es gab Keinen,
der gekommen wäre, ihn zu rufen, ihn
liebevoll heimwärts zu führen; und wer
konnte vorherschcn, ob die Ursachen,
welche einst seine Flucht bedingten, und
endlich die Flucht selber schon ver-
jährt und vergessen waren. Hatte er
es bisher doch nicht über sich gewon-
nen, ein Lebenszeichen dahin zn ent-
senden, wo man ihn nunmehr schon seit
Jahren als einen Verstorbenen be-
weinte. Zu wenig zuversichtlich baute
er auf die Dauer der günstigen Wand-
lung seiner Lage, zu wenig tröstlich er-
schien ihm das, worüber er nur hätte
berichten können, zu sehr wären etwaige
Mittheilungcn dem Einfluß seiner
trüben Stimmung unterworfen ge-
wesen. Denn mochte der alte Stier-
kämpfer ihn mit den Beweisen des auf-
richtigsten Wohlwollens überschütten,
mochten Alle, mit denen er in Be-
rührung trat, dem freundlichen und
gefälligen Deutschen vertraulich be-
gegnen; das Gefühl der Scheu wurde
dadurch nicht ausgewogen, welches ihn
jedesmal beschlich, so oft Isabel in
seinem Gesichtskreise au'lauchte. Und
doch war sie so schön, >o bezaubernd
mit ihren südlichen Reizen, so kindlich

Schon seit zwei Tagen hatte ihn Niemand mehr ge-
sehen, ebensowenig wußte man sich sein räthselhaftes
Verfahren zn erklären. Wohl hätte Mazatl Auskunft
darüber zu ertheilen vermocht, zumal sie den gleich-
alterigen Burschen schon in ihren Kinderjahren kannte
und daher sein volles Vertrauen besaß, allein sie wäre
die Letzte gewesen, über Tinge zu reden, welche ihr zu
anderweitiger Erörterung nicht geeignet erschienen, und
so brach man endlich ohne ihn auf.
Es war um die Mittagszeit eines glühend heißen
Tages, als die durch vier zuverlässige berittene Pack-
knechte mit fünf schwer beladenen Maulthieren ver-
stärkte kleine Gesellschaft sich dem verödeten Wohnsitz
des verstorbenen Reh Ahuitzotl näherte. Wie bei Don
Enrique's jüngstem Besuche der Casas Grandes, erhob
sich auch heut die massive Ruine gleichsam geisterhaft
über ihre Umgebung, eintönig, wie da-
mals, dehnte das umfangreiche Trüm-
merfeld sich nach allen Richtungen
aus. Was der Frühling an Vege-
tation in s Leben gerufen hatte, das
mar der Dürre und den sengenden
Sonnenstrahlen längst erlegen. Gelb-
grau, förmlich menschenfeindlich, er-
streckte sich weithin der Boden mit den
gleichfarbigen baulichen Resten des ver-
schollenen Volksstammes. Oberhalb
desselben lagerte eine Atmosphäre,
doppelt erhitzt von oben wie durch die
von dem Erdreich zurückgestrahlte ein-
gesogene Gluth.
Anstatt, wie einst, sogleich nach
der bekannten Köuigsburg hinüberzu-
reiten, begaben die Reisenden sich nach
dem in mäßiger Entfernung sommerlich
flach rieselnden Flüßchen hinüber, an
dessen niedrigem Ufer eine schmale
grüne Niederung den Thieren erträg-
liche Weide bot. Tort wurde das
Lager aufgcschlagen, und während die
vier Mexikaner sich beeilten, zwei Zelte
zu errichten, wanderten Ton Enrique
und Roger unter Mazatl's Führung
eine Strecke stromabwärts am Wasser
hin. Zu ihrer Rechten erhob sich eine
lauge Reihe augenscheinlich künstlich
aufgeworfener Hügel. Während Mazatl
schweigsam vorausschritt, schilderte Don
Enrique seinem Begleiter lebhaft den
Ursprung der alten Erdauswürfe.
„Generationen liegen hier begra-
ben," erklärte er, „Generationen, welche
einst diese Gegend dicht bevölkerten.
Indem wir uns zuerst hierher begeben,
berücksichtige ich die Regungen Ma-
zatl's. Und Achtung verdienen sie, wenn
man erwägt, daß sic vor allen Dingen
die Raststätten ihrer Vorfahren, ihrer
Eltern und Großeltern wicderzusehen
wünscht, und endlich über die meines

Die Söldlinge
Roinan
Wakduin Möllljaulen.
lFortsetzung.)
 
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