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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0337
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Lcscstiiudk. Nach einem Gemälde von H. Lindcnschmit. iS. 8?ö)

Die Söldlinge.
Roman
Balduin WöMiausen.
lFvrtsehung.)
(Nachdrink verboten )
cfangen, allmählig aber freier antwortete
Jacobäa ans die Frage des greisen Frei-
herrn : „Zürne mir nicht,
wenn mein Plan Deinen
Beifall nicht findet; allein
ich gehe davon ans: um
gestörte patriarchalische
Verhältnisse wieder in's
Gleichgewicht zn bringen, darf man
vor keinem Opfer zurückschrecken. Wo
.Rüdiger weilt, erfahren wir dnrch das
branne Mädchen. Was könnte mich da
hindern, zu ihm zu reisen nnd, anstatt
mittelst kalter Buchstaben, ihm alle
Aufklärungen mündlich zu ertheilen?
Eine weite Reise voller Unbequemlich-
keiten mag es bis dahin sein, aber
mit einem solchen Zweck vor Augen
sollte sie mir nicht schwer werden."
Der alte Herr hatte sich ihr voll
zugekehrt. Seine Augen schienen sich
zu vergrößern, so durchdringend sah
er auf das holdselig erglühende Ant-
litz. Es rief den Eindruck hervor,
als wäre das Verständniß für Ja-
cobäa's letzte Worte ihm verloren
gegangen.
„Du — Du wolltest über's Meer
reisen?" fragte er erstaunt.
„Ich bin bereit dazu," antwortete
Jacobäa, „ich bin es Dir und ihm
schuldig, mich nicht müßig finden zu
lassen, wenn es sich um eine so ernste
Frage handelt."
„In unbekannte Fernen? Mir
schwindelt bei dem Gedanken, Dich,
ein junges Mädchen, auf solche Art
gewissermaßen schutzlos der Welt Preis-
zugeben."
„Was die junge Indianerin nicht
schreckt, kann auch mir nicht zu viel
sein. Der Weg würde mich in deren
Heimath führen; sie bot mir bereits
an, mich zu begleiten. Unter ihrem
Schuh reiste ich sicherer, als unter
dem jedes Anderen. Ihre Kcnntniß
der Sprache und dec, Landesvcrhält-
nisse bürgen für eine glückliche Lösung
meiner Aufgabe."
„Ist das in der That Tein Ernst?"

„Ertheile mir Deine Erlaubniß, unterstütze mich
mit Deinem Rath und den erforderlichen Mitteln, und
binnen kürzester Frist begebe ich mich auf den Weg."
Der Freiherr sah nachdenklich vor sich nieder. Jacobäa
überwachte ihn in banger Erwartung. Tiefer aber noch
erglühte ihr Antlitz, als er, offenbar unbewußt, halb-
laut vor sich hinsprach: „Das muß eine heilige stiebe
sein, die solche Entschlüsse zeitigt." Sie gab sich in-
dessen das Ansehen, ihn nicht gehört zu haben, und
nach kurzer Pause sich emporrichtend, fuhr er mit einem
Ernst fort, aus welchem seine ganze Zärtlichkeit her-
vorklang: „Ich erstaune über Deine Entschlossenheit,

über die Leichtigkeit, mit welcher Du Deine Pläne
entwirfst. Wer hätte je so viele Todesverachtung in.
Dir gesucht. Um aber eine Entscheidung zn treffen,
bedarf es reiflichen Erwägens" — ein Diener trat ein
nnd meldete, daß eine junge Dame bitte, vorgclassen
zu werden. Auf die Frage nach ihrem Namen habe
sie geantwortet, die Herrschaften erwarteten sie.
Die alte Excellenz sah nach der Uhr.
„Pünktlich auf die Minute," bemerkte er sichtbar
befriedigt. Dann zu dem Diener: „Sagen Sie, ich ließe
bitten, näher zu treten."
Jacobäa war hinausgeeilt. In der nächsten Minute
erschien sic wieder. Sie führte Lizard
an der Hand und stellte sie mit freund-
lichen Worten ihrem greisen Ver-
wandten vor. Den Burnus - hatte
Lizard draußen abgelegt. Auch heute
war ihr keine Zeit zum Umkleiden
geblieben; und so stand sie vor dem
alten Herrn in dem grellfarbigen
Phantastischen Anzüge, wie ein solcher
zugleich ihrer angeborenen Geschmacks-
richtung am meisten entsprach.
Die ehrwürdige Gestalt des Greises,
mit der in seinen farblosen feinen
Zügen sich ausprägenden Ruhe flößte
ihr sichtbar Scheu ein. Wie einst zu
dem neunzigjährigen Ahuitzotl, sah
sie jetzt zu ihm mit stummer Ehr-
erbietung auf. Dieser kannte bereits
ihre Geschichte nnd betrachtete sic for-
schend. Der erste Eindruck, welchen er
empfing, war offenbar ein günstiger,
sogar wohlthuender. Es rührte ihn
das Bild natürlicher Anmuth und
holder Jungfräulichkeit mit den fremd-
artigen Merkmalen, die im Einklänge
standen mit Allem, was Jacobäa über
Lizard berichtete; cs rührte ihn die
Zaghaftigkeit, welche das reizvolle
braune Antlitz beherrschte.
„Treten Sie näher, mein liebes
Kind," hob er nach kurzem Schweigen
in gütigem, Vertrauen erweckendem
Tone an, nnd er streckte Lizard die
Hand entgegen, die von dieser sofort
mit seltsamer Hast ergriffen wurde;
„den Dienst, welchen Sie uns dnrch
Ihre vertrauensvollen Mittheilungen
erwiesen haben, nach Gebühr zu loh-
nen, soll meine Aufgabe sein —"
„Nicht nm Lohn bin ich gekom-
men," unterbrach Lizard ihn bestürzt,
und beinahe feindselig belebten sich
ihre Augen. „Ich kam in meiner
Noth. Ich bat uni Hilfe. Sie ist
mir geworden. Sagen Sie, was ich
thun soll. Ich bin bereit zn Allem."
„Gut, mein liebes Kind," versetzte
der Freiherr, noch freundlicher be-
 
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