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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0165
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Die Söldlinge.
Roman
Kialöiiin WöMiausen.
lFortsctznng.)
lNachdruek verboten^
ine in der Ferne von bläulichen Höhen be-
grenzte Ebene, auf welcher ein umfang-
reicher See weithin im Sonnenschein er-
glänzte, dehnte sich zur Linken aus, während
zur Rechten die Sierra Madre niedrigere
bewaldete Höheuzügc und Varrancas oder
tiefe, allmählig nuslaufendc Schluchten in die Niederung
hinein entsendete.
Eine derartige Hügelkette sollte nach
Vineentbs Ausspruch folgenden Tages
überschritten werden, ein anstrengender
Marsch, auf welchem, wie er hervorhob,
inan zugleich Ursache habe, die Augen
offen zu halten. Auf ein zerfallenes Ge-
höft wies er, welches am Rande eines
bis zur nächsten Barranca und dar-
über hinausreichenden Gehölzes zwischen
lichter stehenden Bäumen hervorlngte,
und von welchem er behauptete, daß
dessen Besitzer erst vor Jahresfrist in
der Verteidigung seiner Pferde von den
'Apaches erschlagen worden sei. Den bei-
läufigen Schilderungen legte man keinen
hohen Werth bei, zumal er seiner War-
nung die beruhigende Versicherung bei-
fügte, daß man seitdem gerade in dieser
Gegend von keinen weitere!: räuberischen
Ucberfällcn gehört habe, und wie die
vorhergehenden Abende, verlebte man
auch den heutigen in gewohnter fröh-
licher Weise.
Seitdem die vier Söldlinge sich bei
der Gesellschaft befanden, war auf Hen-
gist's dringendes Anrathen eingcführt
worden, daß während der Rächte stets
Zwei von ihnen gemeinschaftlich mit den
Mexikanern die Umgebung überwachten.
Geschah dies in bedachtsamer Pflicht-
erfüllung, so erreichte er dadurch zu-
gleich, daß er und Roger, die von dem
alten Stierkämpfer und seinen Ange-
hörigen unverkennbar bevorzugt wurden,
mit einer gewissen Berechtigung die Ein-
ladungen vor deren Feuer bis auf we-
nige Äusnahmefälle ablehnen durften.
Wenn Hengist darin einem scharf aus-
geprägten Hange zur Abgeschlossenheit
mit sich selber folgte, so bemächtigte sich
Roger's in der heiteren Gesellschaft jedes-
mal ein eigenthttinliches Unbehagen. Es
erzeugte den Eindruck, als wäre das

Bewachung des Lagers übernommen, während Barto-
loms und drei Mexikaner die abwärts weidende Heerde
umkreisten. Der bis zur Sichel geschwundene Mond
sollte in den ersten Morgenstunden aufgehen. Es
herrschte daher unter dem klaren Sternenhimmel jene
Dunkelheit, welche vor dem spähenden Auge in mäßiger
Entfernung einzelne Gegenstände zwar hcrvortreten läßt,
jedoch vergrößert und in veränderter Form. Isabel
und die Albino hatten sich bereits in ihr Zelt zurück-
gezogen ; ebenso Don Enrique. Auch der Zuni schlief,
um in dem zweiten Drittel der Nacht an Bartoloms's
Stelle zu treten, welchem dann wieder Vincenti folgte.
Wie diese, verschmähten auch Roger und Roland jeden
anderen Schutz gegen die kühle Nachtlnft, als den-
jenigen, welchen einige Decken ihnen boten. Aehnlich
den Mexikanern lagen sie zwischen dem Gepäck, welches
zu solchem Zweck besonders geordnet
worden war.
Hengist, von heimlichem Mißtrauen
gegen Vincenti beseelt, zumal er ent-
deckt zu haben glaubte, daß derselbe
mehrfach mit Antonio, dem räthselhaften
Fremden, bezeichnende Blicke wechselte,
hätte Hauer angewiesen, sich in dem
tiefer gelegenen Bett des Baches auf-
zustcllen. Es wurde ihm daselbst er-
möglicht, über den Uferrand hinweg-
spähend, die als schwarze Schatten sich
anszeichnenden Gegenstände auch in
weiterem Umkreise von einander zu tren-
nen. Er selbst, seit frühester Jugend
Waidmann, umkreiste das Lager mit
vorsichtigen Bewegungen. Argwöhnisch
theilte er seine Aufmerksamkeit zwischen
der verfinsterten Umgebung und jedem
Geräusch, welches bald ans dieser, bald
aus jener Richtung zu seineu Ohren
drang. Die Feuer waren niedergebrannt.
Gleichsam ersterbend leuchteten die noch
nicht mit Asche überdeckten rothen Kohlen.
Selten, daß die einem angebrannten
Holzrest entströmenden Dämpfe sich in
Flämmchen verwandelten, die nach
kurzem Flackern und Tanzen wieder
erloschen. Er hatte eben einen Rund-
gang beendigt und, begünstigt durch die
Flämmchen, sich überzeugt, daß die
Lagcrordnung durch nichts gestört wor-
den war, jeder Packknecht auf seiner ge-
wohnten Stelle schlief. Einem höher
gelegenen Punkte znschreitend, von wo
aus am Tag seine Blicke bis in die weite
Ferne oder in die Schluchten der nähe-
ren Bergabhänge hineingereicht hätten,
blieb er stehen. Sich ans die Buchse
lehnend, lauschte er gespannt auf jeden
von nah oder fern zu ihm herüber-
dringeuden Ton. Dem Schnarren der
Grillen zollte er dieselbe Aufmerksam-
keit, wie dein Brüllen des beutegierigen

Bewußtsein, nicht dahin zu gehören, vorwiegend in ihm
gewesen. Sogar die bis zu einem gewissen Grade zu-
traulichen Ermunterungen der lieblichen, vor Lebens-
lust gleichsam sprühenden Isabel, die allerdings in
schroffem Gegensatz zu ihrer oft hochmüthig zurück-
weisenden Art standen, bewogen ihn nicht, in seinen
Schilderungen aus der ferneu Heimath eine bestimmte
Grenze zu überschreiten. Er war und blieb einsilbig.
Anstatt aber dadurch die Aufmerksamkeit von sich abzu-
lenken, förderte er gerade das Gegentheil. Es wuchs
sichtbar die freundliche Theilnahme, welche man für ihn
hegte, mochte er dieselbe immerhin als einen Nothbehelf
in den an Ereignissen und Zerstreuungen so armen
Tagen und Stunden betrachten.
An dem heutigen Abend hatten Hengist und Hauer
die erste bis über die Mittcrnachtsstunde hinaus reichende

Arnold Böcklin.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 167)
 
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