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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

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Heft 15
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https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0361
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Kaiserin Nngiista.
Nach einer Phoiagraphic von F. Jamralh L Sohn, Hofphotographcn in Berlin 8.ZV. (S.35g>

lose in meinen über kurz oder lang
unausbleiblichen Sturz zu verwickeln
und sie denselben Folgen preiszuge-
ben, wie ich solche seht über mich er-
gehen lassen müsse. Ob er Mitleid mit
mir empfand, ich weiß es nicht; aber
meinen Charakter hob er hervor, woran
er die Mahnung schloß, mich als Mann
zu zeigen, nicht ohnmächtig zusamnieu-
zubrechen, wo ich unverschuldet die
Früchte einer bösen Saat zu ernteu
habe, die ruchlos von Anderen ausge-
streut worden. Ob eS Zufall gewesen
oder hinterlistige Berechnung, auf
welche die Verwechselung zurückzuführen
war, ich glaube, er wußte es selber
nicht. Sprach er zu mir darüber, so
ging es in der lähmenden Bestürzung
verloren, die sich meiner bemächtigt
hatte. Ich meine aber noch zu hören,
wie er blinder Mutterliebe zutrante,
daß sie, um dem eigenen Kinde ein
glänzendes Loos zu bereiten, vor keinem
Opfer, selbst nicht vor dem einer Tren-
nung für's ganze Leben zurückschrecke.
Erst als .er schwieg, faßte ich mich
soweit, um meine Zweifel ausdrücken
zu können. Offen erklärte ich, daß
seine Angaben mir nicht genügten. Be-
weise verlangte ich, untrügliche Be-
weise für die Wahrheit seiner Worte.
Ich berief mich aus die Möglichkeit,
daß er selbst getäuscht worden, zumal
aus der Verwechselung Niemand einen
Vortheil zu erwarten gehabt habe.
Da legte er mir ein Schriftstück
vor, in welchem die Eltern des Kna-
ben, dem man einen sogenannten Zwil-
lingsbruder beigegeben hatte, sich in un-
zweideutiger Weise zu dem Betrüge
bekannten. Ich las es nur bis dahin,
wo sie die Ursachen ihres schamlosen
Verfahrens zu bemänteln suchten, dann
entsank cs meinen Händen. Zugleich
legte cs sich wie Eis um meine Brust.
Ich hatte die Empfindung, als ob ich
in einen Abgrund hinuntergestoßen
worden sei, schwebend weite Räume
durchmesse, um in jedem nächsten

endlich mit vernichtender Gewalt treffen sollte, und
dagegen gab es kein Anflehnen. Es nahte sich in der
Form eines Brieses, durch welchen ein Onkel mich
zu sich beschick. Ahnungslos folgte ich seinem Ruf,
und da erfuhr ich denn zu meinem namenlosen Ent-
setzen, daß bei der Trennung der beiden Milchbrüdcr
ein furchtbarer Betrug verübt worden war. Heute
spreche ich leidenschaftslos darüber; was ich aber da-
mals bei dieser niederschmetternden Enthüllung em-
pfand. ich kann es nicht beschreiben. Anfänglich stan-
den mir keine Worte zu Gebote. Stumpf, wie einem

unvermeidlichen Tode geweiht, vernahm ich des Onkels
Erklärung, daß er selbst schon seit längerer Zeit in:
Besitz des Geheimnisses gewesen sei, es jedoch nicht
über sich gewonnen habe, mit demselben hervorzutreten.
Von seiner Zuneigung zu mir sprach er und von Scho-
nung, die er am liebsten bis an's Ende seiner Tage
hätte walten lassen, daß aber jetzt, nachdem die Kunde
über mein Verhältniß zu der jungen Verwandten zu
seinen Ohren gedrungen, er nur noch der heilig und
streng gebotenen Pflicht gehorchen dürfe. Ein Ver-
brechen der schwärzesten Art nannte er es, die Ahuungs-

(Nachdnick verboten.>
uf welche Ursachen hin/' fuhr Hengist in
seiner Erzählung fort,
„man den jungen Erbherrii
gleich nach seiner Geburt
zu einer fremden Familie
in Pflege gab, in welcher
zu derselben Zeit ein Knabe das Licht
der Welt erblickte, vermeide ich zu be-
rühren, ist mir auch nie recht klar ge-
worden. Nur soviel bleibt unbestritten,
daß die beiden Milchbrllder als Zwil-
linge an derselben Brust lagen. Nach
Jahresfrist wurde der junge Erbherr
zurückgefordert, und ich war es, der
als solcher auserkoren wurde. So er-
hielt ich, herauwachsend, eine Er-
ziehung, welche den sich vor mir er-
öffnenden glänzenden Aussichten ange-
messen war. Obwohl ich elternlos war,
glich mein ganzes Leben einem ununter-
brochenen sonnigen Frühling. Ich
bildete die einzige Hoffnung Desjenigen,
den ich Großvater nannte, und ich be-
ging ja nichts, wodurch seine herzliche
Zuneigung zu mir hätte erschüttert
wcrdcu können. Großmüthig verzieh
er mir die üblichen tollen Jugend-
streiche; reiches Lob aber erntete ich
für jeden kleinen Beweis, daß ich trotz
eines gehörigen Maßes'von Jugend-
leichtsinn den Ernst des Lebens nie
ganz aus den Augen verlor. Seine
Befriedigung erregte nebenbei, obwohl
er sich darüber nicht äußerte, daß
zwischen einer verwaisten entfernten
Verwandten und mir sich allmählig
ein Verhältniß entspann, von welchem
eine schlicßlicheVereinigung für s ganze
Leben vorausgesetzt werden durfte. Ich
schwamm in Glückseligkeit, denn die
Tage konnten berechnet werden, nach
deren Ablauf unser Gehejmniß der
Oeffentlichkeit übergeben werden sollte.
Wer hätte damals geahnt, daß unser
Glück nicht über jene Tage hinaus-
reichen sollte! Aber es war im Schick-
salsbuch bestimmt, daß das Verhäug-
niß, welches nach meiner llebersiede-
lung zu dem alten Freiherrn unablässig
über meinem Haupte schwebte, mich

Die Söldlinge
Roman
Walduni Mästlsanlen.
lFortschungZ
 
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