Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 25.1890

DOI Heft:
Heft 18
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51136#0433
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext



') Nirgends ist's so, wie daheim.

Freiherr Hans Hermann v. Berlepsch, der neue Prensjischc Handelsininister. (S. 431)

hinaus. Vor sich trug er einen Koffer von mäßigem
Umfange, welcher den Haupttheil seiner Habseligkeiten
enthielt. Er stellte ihn neben Jacobäa's und Mazatl's
bereits geordnetes Gepäck hin. Vor demselben nieder-
kniend, schlug er den Deckel zurück, um noch einige
unscheinbare Gegenstände unterzubringen. Er war eben
mit dem Verschließen und Befestigen der Riemen be-
schäftigt, als ein leichter Schatten seitwärts seine Augen
streifte. Hastig kehrte er sich um, und vor ihm stand
Isabel.
Roger war aufgesprungen, und sich verneigend be-
grüßte er sie ehrerbietig. Dabei mochte die Erinnerung
an den vorhergehenden Abend in ihm wachgerüttelt
werden; denn während seine gebräunten Züge sich tiefer
färbten, erhielten sic zugleich das Gepräge einer ge-
wissen Beschämung. Meinte er doch auf dem Antlitz der

Folgenden Morgens, die Sonne war
noch nicht lange aufgegangcn, trat Roger
wieder auf die vereinsamte Veranda

jugendschönen Senorita einen leisen Anflug von Spott zu
entdecken, verschärft durch sichtbar erzwungenes Lächeln.
„Gestern Abend, angesichts Ihres etwas seltsamen
Wesens, glaubte ich nicht recht daran," sprach sie an-
scheinend gleichmüthig, und deutlicher noch klang aus
ihrer Stimme die Neigung zum Spott hervor,'„jetzt
sehe ich freilich, daß Sie es mit der Abreise ernstlich
meinten."
„Meine Vorbereitungen nahmen nicht viel Zeit in
Anspruch," versetzte Roger, den Blicken des schönen
Mädchens geflissentlich ausweichend, „es braucht nur
das Zeichen zum Aufbruch gegeben zu werden, und ich
stehe da."
„Mein Vater wird Sie vermissen," fuhr Isabel
eintönig fort, „er hatte sich an Ihren Beistand ge-
wöhnt auch an Ihre Gesellschaft."
„Ersatz zu finden, der ihm weitaus
nützlicher, kann ihm nicht schwer werden."
Ruhig betrachtete Isabel den jungen
Mann, der in seiner Verlegenheit sich
dem Koffer wieder zugcneigt hatte und
die letzte Schnalle fester anzog.
„Sie werden dennoch bleiben," be-
merkte sie, als er sich wieder aufrichtete,
und hätte er auf sie hingesehen, so wäre
ihm schwerlich entgangen, daß die Gluth
ihrer Wangen sich ein klein wenig ver-
dunkelte.
Wie ein Befehl klang es Roger aus
ihren Worten. Sein Widerspruchsgeist
war erwacht, und so antwortete er mit
verletzender Kälte: „Bleiben, nachdem
ich kaum reisefertig geworden? Mich
an den Pranger stellen als Jemand,
der seine Entschlüsse so schnell wechselt,
wie das Chamäleon seine Farben?"
„Ich wiederhole: Sie werden dennoch
bleiben. Mein Vater kann Sie nicht
entbehren," erklärte Isabel entschiedener,
und als Roger erstaunt ihre Augen
suchte, leuchtete ihm aus denselben der
alte Stolz entgegen, mit welchem sie
ihn launenhaft so oft kränkte. Gleich-
zeitig übten sie aber wieder jenen un-
widerstehlichen, sinnverwirrendenZauber
auf ihn aus, und wie um sich demselben
gewaltsam zu entziehen, stieß er, jedoch
ohne die Tragweite seiner Worte zu be-
rechnen, beinahe feindselig hervor: „Blei-
ben und mich verbluten?" Er lachte
herbe und fuhr erbittert fort: „Sollte
ich nicht das Recht besitzen, mein Da-
sein nach meinen eigenen Begriffen von
irdischem Glück zu gestalten? Sollte mir
eine geringere Bcfugniß zustehen, als
den Zugvögeln, die ihre luftigen Bahnen
wandeln, ohne einen anderen, als den
eigenen Willen um die zu verfolgende
Richtung zu befragen?"
„Sie werden bleiben aus eigenem

Die Söldlinge.
Roman
Wakduin Wöllfiausen.
(Fortsetzung.)
(Nachdruck verboten.)
icht mehr der tief athmenden Brust ent-
quollen die schwermüthigen Töne, welche
Roger sang, sondern einem blutenden Her-
zen, und von diesem fanden sic leicht und
verständlich ihren Weg zu den Herzen der
ihm begeistert Lauschenden. In Jacobäa's Augen Perlten
Thräncn. Mazatl wagte kaum zu athmen. Was aber
Isabel empfand, sich wohl gar auf ihren
Zügen ausprägte, das verheimlichte
neckisch der leise geschwungene Fächer.
„Hers is iro plaes, tiks boms!")
schloß Roger endlich in sanftem Klage-
ton. So lange er sang, hatte er ängst-
lichvermieden, von den regsamen Händen
auszuschauen. Wie ein Berhängniß er-
schien es ihm daher, nunmehr sogar
Ausdrücke freundlicherAnerkcnnung über
sich ergehen lassen zu müssen. Dieselben
noch etwas weiter hinausschiebend, ließ
er ein kurzes Nachspiel folgen. Plötzlich
aber riß er im Schlußakkord mit einer
Gewalt an den Saiten, daß deren zwei
zersprangen. Sichtbar betroffen legte
er das Instrument zur Seite, und be-
vor noch Jemand Worte fand, war er
aufgesprungen und im dunklen Hinter-
gründe verschwunden.
Waren vorher Alle durch das Lied
freundlich beeinflußt worden, so wirkte
Roger's jäher Aufbruch ähnlich wie der
Mißton der zerspringenden Saiten auf
die Gemüther ein. Es machte sich die
Empfindung geltend, daß vielleicht den-
noch andere Ursachen seinen Entschluß
des Scheidens zeitigten, als die Sehn-
sucht nach der Heimath. Mochte in-
dessen immerhin warme Thcilnahme für
den freundlichen und gefälligen Haus-
genossen vorherrschen: die einmal ge-
trübte Stimmung konnte nicht mehr zu
hellerem Aufflackern entfacht werden.
Früher, als es sonst Wohl geschehen
wäre, trennte man sich von einander.
Sogar in den Scheidcgrüßen offenbarte
sich ein gewisser Ernst.
 
Annotationen