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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0333
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2Y4 —- __ .— ' — Da? Ruch sül- Mle —

paar Gelbveigcl- und Pelargonienstöcke, denn Sali
war im Stalle beschäftigt, kehrte er doch nach einer
Viertelstunde höchlichst befriedigt heim. Sein Mut
hatte die Feuerprobe bestanden, und er bildete sich
darauf umsomehr ein, als ihm am Gartenzaun ein
paarmal ein tödliches Erschrecken über das Herz ge-
laufen war, da er nämlich geglaubt hatte, Sali zeige
sich am Fenster. Daß er trotzdem nusgehalten hatte,
war ihm die sicherste Gewähr, daß er nun auch
künftig seinen Mann stellen werde.
Am nächsten Sonntag stellte er sich in der Kirche
so auf, daß er Sali immer vor Augen hatte. Wenn
sie von ihrem Gebetbuche anfsah, dann mußte sie
ihm direkt ins Gesicht blicken, und das geschah denn
auch ein paarmal. Es war für Michl nicht gerade
ein angenehmes Gefühl, denn er meinte, es müsse
es der Pfarrer und die ganze fromme Gemeinde
bemerken, und er wurde deshalb jedesmal so rot
wie die Kirchenfahne, unter der er Posten gefaßt
hatte. Aber er kämpfte sein Herz, das zum Davon-
laufen riet, tapfer nieder und blieb stehen mit dem
Mute der Verzweiflung: es muß sein! Nach dem
Amte stellte sich Michl vor der Kirchentür auf und
wartete auf Sali. Als sie endlich in das Kirchentor
trat, starrte er sie unverwandt an, bis sie an ihm
vorübergegangen war. Nun folgte er vorschrifts-
mäßig errötend ihren Spuren bis in den Laden des
Kämmers Ferdls, wo sie Schuhwichse, Zwirn und
ein paar ähnliche Kleinigkeiten kaufte. Auch hier
starrte er sie unausgesetzt an und stopfte, nm das
Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, dabei
seine Pfeife. Ein großer, fragender Blick Salis,
als sie den Laden verließ, setzte ihn allerdings so
in Verlegenheit, daß er auf die Frage des Krämers,
was er wünsche, die in einem Krämerladen unerhörte
Antwort gab: „I? Gar nix!"
Wäre Michl nicht ganz und gar liebendes Herz
gewesen, so daß er den Sinn der Worte nicht recht
erfaßte, so hätte er tief beleidigt sein müssen, als
ihn der Ferdl nun anfuhr: „Wannst nix willst, so
stell di nit da her, du Lackl! Zum Pfeifenstopfen is
mein G'schäft nit da!" So aber lächelte Michl ganz
freundlich und verließ lächelnd den Schauplatz seiner
stummen Tätigkeit, um der Angebeteten seines Her-
zens durchs ganze Dorf nachzustapfen, allerdings in
der ganz irrigen und unbegründeten Voraussetzung,
daß sie im Rücken Augen haben könne.
So trieb es Michl nun Woche für Woche mit
anerkennenswertem Eifer.
Sali hätte unbedingt mit Blindheit geschlagen
sein müssen, wenn ihr das merkwürdige Liebes-
werben des Burschen entgangen wäre. Sie war
aber nicht blind, sondern gehörte im Gegenteil zur
scharfsichtigsten Gattung der Vertreterinnen des
holden Geschlechts, nämlich zu den Unverheirateten.
Und weil sie so scharfsichtig war, erkannte sie auch
sogleich Michls löbliche Absicht. Und nun begann
sie zu überlegen. In erster Linie fragte sie sich,
ob sie denn überhaupt heiraten wolle. Darauf gab
ihr ihr Herz mit einer geradezu verblüffenden Ge-
schwindigkeit die laute und vernehmliche Antwort:
„Ja." Nun fragte sie weiter, ob der Michl zu diesem
nützlichen Zwecke dienlich erscheine. Auf diese Frage
gab das Herz vorläufig keine Antwort, dafür aber
sprachen die Augen: „Der Michl ist ein hübscher
Bursche, vielleicht sogar der hübscheste im ganzen
Dorf, und stark und gesund ist er auch."
Nun mischte sich der Verstand ein und meinte:
„Und wenn er auch das nicht wäre, so ist er vor
allem brav und arbeitsam. Und dann: wenn ein-
mal sein Vater stirbt, bekommt er die kleine Wirt-
schaft, wie du die von deiner Mutter. Wenn ihr euch
zusammentut, könnt ihr eine Wirtschaft verkaufen
und von dem Erlös die andere so weit vergrößern,
daß ein ganz nettes Bauernhaus daraus wird. Was
aber die Hauptsache ist: der Michl ist ein guter Kerl,
und du wirst unumschränkte Herrin sein und sym-
bolisch jenes gewisse Kleidungsstück tragen dürfen,
welches sonst das Attribut männlicher Würde ist."
Auf diese wohlbegründete Rede des Verstandes
wagte aber doch das Herz einen kleinen Einwurf:
„Das wäre alles ja recht schön und gut und zweck-
mäßig. Aber führt der Michl nicht den verächtlichen
Spottnamen eines Trauminits und ist er nicht die
Zielscheibe des Spottes, so daß davon auch einiges
auf sein ehelich angetrautes Gemahl abfärben
könnte?"
Aber der Verstand erwiderte sofort: „Was dn
da, törichtes Herz, vorgebracht hast, ist ganz und gar
Nebensache. Eine tüchtige und vernünftige Haus-
frau wahrt nicht nur die Ehre ihres Gebieters, son-
dern sie ist auch im Besitze der Fähigkeit, ihn etwas
lebhafter und männlicher zu machen. Und beides
sind Dinge, die ich meiner Klientin ohne weiteres
zutraue. Der Michl wird also geheiratet!"
Nachdem Sali so die Stimmen ihres Innern
angehört hatte, war sie entschlossen, Michls Werben
in Liebe aufznnehmen und ihm ihre Wohlgeneigt-

heit auf feine und schickliche Art bekannt zu
geben.
Als er sie am nächsten Sonntag wieder vor der
Kirchentür erwartete und sie mit großen Augen an-
glotzte, nickte sie ihm huldvoll lächelnd zu. Er grinste
über das ganze Gesicht, sagte aber nichts, sondern
stapfte ihr in sicherer Entfernung, ganz glücklich über
seinen ungeheuren Erfolg, nach.
Nicht von demselben Gefühle war Sali beherrscht,
und sie sagte sich ganz richtig, daß sie etwas deut-
licher werden müsse.
Am nächsten Sonntag redete sie ihn deshalb an:
„Grüß di Gott, Michl!"
Michl nahm die festliche Farbe eines gesottenen
Krebses an und stotterte hervor: „Ja, grüß — grüß
di Gott a!"
„Gehst a Stückl mit?"
„Ja — na — na ja!"
„Ja, wannst nit Zeit hast, i will di nit aufhalt'n!
Hast 'leicht was zu tun?"
„Sensen dengeln soll i daheim, für morgen, ja,
weil wir morgen mäh'n tun."
„Das richt'st später ja a noch "
„Ja, i richt's später a noch."
Darauf entstand eine Pause, die Wohl heute noch
nicht unterbrochen wäre, wenn nicht Sali wieder
das Wort genommen hätte: „Wo tust denn mäh'n?"
„Auf der Bachwiesen."
„Wird a schön's Heu Heuer."
„Wohl — wohl."
„Tust allein mäh'n?"
„Wohl — wohl."
„Wär' halt doch gut, wann's zwei wären."
„Ja, wär' gut, wann's zwei wären."
„Sollt'st dir halt um wen umschau'n!"
„Mmm."
Sali hüstelte, und Michl fand das gleiche für
sehr angebracht. Eine Weile gingen sie stumm
nebeneinander her, dann Hub Sali wieder an: „So
viel heiß is 's heut."
„Ja, so viel heiß."
„Am End' kommt gar a Wetter!"
Darauf sah sich Michl als gewissenhafter Mensch
genötigt, den Himmel sehr genau zu betrachten,
und nach gut fünf Minuten faßte er seine meteoro-
logischen Beobachtungen in die Worte zusammen:
„Mein' nit."
„Na, wer weiß!"
„Na ja, kann schon sein."
Wieder stummes Nebeneinanderschreiten, bis
Sali wieder anhub: „Was tust denn alleweil auf
d' Nacht, Michl?"
„Schlafen."
„Vor dem Schlafen, mein' i?"
„Sch wein füttern."
„Und nach dem Schweinfüttern?"
„Schlafen."
«I geh' gern nm die Zeit a bißl spazier'n."
„I nit."
Sali biß sich auf die Lippen und war gerade
im besten Begriffe, wütend zu werden, als sie an
ihrem Hause angelangt waren, und sie sich erinnerte,
daß sie Michl, den Trauminit, doch nicht abstoßen
dürfe. Sie reichte ihm mit liebreichem Angenauf-
schlag die Hand und sagte: „Pfüat di Gott, Michl.
Und i dank' halt schön für die Begleitung."
„Gern g'fchehn," platzte er heraus, drehte sich
um und ging.
Sali sah ihm eine Weile nach; dann schlug sie
zornig die Tür des Vorgärtchens hinter sich zu und
ging ins Haus.
Aber auch Michl war nicht ganz mit sich zufrieden.
Sein Gewissen wagte die bescheidene Ansicht zu
äußern, daß er jetzt eine ganz ausgewachsene
Dummheit begangen habe; aber eine andere
Stimme meinte wieder, daß nur Sali die Schuld
trage. Warum hatte sie denn nur vom Heu und
vom Wetter und vom Spazierengehen und nicht
vom Heiraten gesprochen? Hätte sie davon an-
gefangen, dann hätte sie schon die richtige Antwort
erhalten.
Im übrigen nahm sich Michl vor, am nächsten
Sonntag selbst die Rede auf dieses interessante
Thema zu lenken, nur wußte er noch nicht, wie er
das anfangen sollte.
Aber auch Sali nahm sich, nachdem ihr erster
Arger verraucht war, vor, das nächste Mal die große
Entscheidung herbeizuführen. Aber sie wollte diplo-
matisch zu Werke gehen, damit er ihr Entgegen-
kommen nicht merke, weil sich dies für eine sittsame
Jungfrau nicht schickt.
Als Michl am nächsten Sonntag wieder vor der
Kirchentür auf sie wartete, trat sie auf ihn zu mit
den raschen Worten: „Was gaffst mi denn alleweil
so an?"
Hätte sie freundlich gefragt und nicht den so
kraftvollen Ausdruck „angaffen" gebraucht, so hätte
Michl doch vielleicht seine so wohleinstudiertc Ant-

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wort gefunden, so aber verschlug es ihm die Rede.
Er wurde blutrot, verdrehte die Augen wie ein in
Sterbensnöten befindlicher Ziegenbock und brachte
dann endlich schluckend hervor: „I, i, i hab' di ja
gar nit an'gafft."
Sali fühlte ein menschlich Rühren und um einen
Grad freundlicher fuhr sie fort: „Na, was is denn
das, wannst einem alleweil so anschaust und dabei
Augen machst wie a Pflngradl! Was willst denn
eigentli von mir?"
„I, i? — Eh nix, gar nix."
Nun war das Rotwerden an Sali; aber cs war
nicht der Ausdruck beglückter Lieba, sondern der
bösen Zornes, der nicht mehr zu bändigen war.
„Na, so laß einen gehn!" zischte sie hervor und
sauste davon wie ein scheu gewordenes Automobil.
Das konnte nicht mehr Dummheit sein, das war
Berechnung. Sali hätte am liebsten laut aufgeheult,
daß sich dieser Trauminit, dieser — die nun folgen-
den Titel, mit denen sie Michl im aufgeregten Geiste
belegte, sind teils zu langatmig, teils zu kräftig vom
Erdgeruch der Scholle durchdrungen, um hier an-
geführt zu werden — daß sich dieser Trauminit ge-
traute, sie, die Sali mit dem guten Mundwerk und
dem dito Herzen, zu foppen. Das war ein un-
erhörtes Stück Frechheit. Aber sie wollte es diesem
— folgen wieder die oben erwähnten Titel — schon
zeigen und gründlich zeigen.
Während Sali wie ein kollernder Puterhahn
fortrauschte, blieb Michl auf der Stelle, wo er stand,
so fest stehen, als hätten seine Zehen auf einmal
Wurzelschößlinge in die Erde getrieben. Der Aus-
druck seines Gesichtes erinnerte lebhaft an den eines
Hammels, der eine quadratische Gleichung lösen soll.
Ober- und Unterkiefer klafften weit auseinander,
was die Zunge sofort benützte, um auch einmal ein
bißchen was von der Welt zu sehen; die Augen er-
weiterten sich zu runden Scheiben, und die Rechte,
welche die Pfeife hielt, stellte ihre Klammerfunktion
ein und ließ das schöne Rauchgerät dem Gesetz seiner
Schwere folgen, welches ihm die Direktive nach dem
Mittelpunkt der Erde wies. Vorsichtigerweise hatte
sich aber ein Stein vor diesen geschoben, der das
Gesetz der Schwere zu Gunsten der Teilbarkeit des
tönernen Körpers aufhob, was aber Michl nur mit
noch tieferer Wehmut erfüllte. Ein furchtbarer
Seufzer hob seine Brust und entsetzt murmelte er
vor sich hin: „Fix Laudon! Jetzt is die Sali hin
und die Pfeifen a."
Hauptsächlich aber schmerzte ihn ersterer Ver-
lust. Seine langsam erwachende Besinnung sagte
ihm, daß nur er selbst an diesem Verluste die Schuld
trage, überhäufte ihn mit den bittersten Vorwürfen
und nannte ihn vor dem Forum seines besten Ge-
wissens erst einen einfachen Esel, dann sogar einen
doppelten und dreifachen. Michls Versuche, diese
innere Stimme unbeirrbarer Wahrheit zum Schwei-
gen zu bringen, scheiterten kläglich. Sie tönte immer
weiter und stellte immer kühnere Vergleiche an, die
sämtlich eine anerkennenswerte Kenntnis der Zoo-
logie bekundeten.
Ganz niedergeschlagen ging Michl endlich heim,
um den übrigen Sonntag mit traurigen Betrach-
tungen zu verbringen. Auch am Montag war er
noch sehr kleinlaut, aber am Dienstag begann das
Pflänzchen der Hoffnung doch wieder aufzuleben,
und im Laufe der Woche wuchs es zu einem
ganz stattlichen Gewächs an. Einmal ist keinmal,
sagte sich Michl und nahm sich vor, sein Glück doch
noch einmal zu versuchen und diesmal — er tat
einen grimmigen Eid — sollte es nicht schief gehen.
Aber auch die Sali hatte sich eines Besseren be-
sonnen. War sie im ersten Augenblick auch noch so
wütend gewesen, und hatte sie sich Michls jämmer-
liches Verhalten für Fopperei ausgelegt, als sich
die Wogen ihrer berechtigten Erregung geglättet
hatten, sagte sie sich doch wieder, daß Michl für sie
entschieden die beste Heiratspartie sei, und aus dieser
Erwägung heraus war sie auch gesonnen, sein Ver-
halten nur dein „Trauminit" beizumessen. Freilich,
anreden konnte nnd wollte sie ihn nicht mehr, aber
dafür fiel ihr ein anderes, echt weibliches Mittel
ein, von dem sie sich vollen Erfolg erhoffte. Schon
seit langer Zeit scharwenzelte der Flößer Hans um
sie herum. Dem wollte sie nun scheinbar Gunst
entgcgenbringen, um damit Michls Eifersucht auf-
zurütteln und ihn zum Sprechen zu bringen.
Und wirklich: am nächsten Sonntag mußte Michl
die niederschmetternde Beobachtung machen, daß
Sali fröhlich lachend und plaudernd mit dem Flößer
Hans der Kirche zuschritt. Noch niederschmetternder
war aber der Blick, den sie ihm zuwarf. Er war wie
ein frischgeschliffenes Rasiermesser und schnitt Michl
so tief ins Herz, daß er am liebsten geheult hätte
wie ein Hund beim Ohrenstutzen. Statt daß er sich
aber gereizt gefühlt hätte, den Flößer Hans aus
dein Herzen der Holden, Angebeteten zu vertreiben,
verlor er nun ganz den Mut und schlich wie ein be-
 
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