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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 24
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0574
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V^LuchfüsfM
fllustriette fgmüienreitung
24. kjest. 1907.


FW



vereiasamt. Nach einem Semäide von S. ll. talkenberg. (5. 527)

Lag es an Georgs
oder an Nadines
War vielleicht seine Technik
einer so schwierigen Aufgabe
doch noch nicht gewachsen?
Die eigenen Zweifel des jungen
Malers beeinflußten jedenfalls
die Arbeit ungünstig. Er wurde
immer unsicherer, verbesserte
oder vielmehr verschlechterte
durch häufiges Andern zuerst
ganz gut gelungene Einzelhei-
ten, während vieles skizzenhaft
und unausgeführt blieb.
In dem Entwurf des Bil-
des steckte das große „Muß"
des Künstlers, aber der Aus-
führung sah man die mühselige
Arbeit eines Menschen an, der
sich zn etwas zwingt, das
eigentlich nicht mehr mit sei-
nem innersten Seelenleben ver-
bunden ist.
Die sieghafte Leidenschaft,
die die Geburt des Werkes ver-
ursachte, war in der Qual des
Abmühens, um Geld zu ver-
dienen, uutergegangen! Da-
her der Zwiespalt, der wie ein
Riß durch das Bild ging.
Georg empfand das selbst.
Das Unschöne seiner jetzt fast
ärmlichen Umgebung, das
schlecht gekochte Essen, die lan-
gen öden Abendstunden indem
kalten Atelier lähmten ihn
förmlich.

„Wovon? Ich habe kein Geld."
„Deine Eltern geben dir wirklich nichts mehr?"
„Nein — ich will auch nichts haben."
Da war er wieder, der starre Trotz, den sie ver-
gebens zu bekämpfen suchte.
„Sprich dich doch nut ihnen aus!" redete sie
zu. „Ties Leben paßt nicht für dich. Vielleicht —"
sie stockte — „wenn du sie bittest, uehmeu sie uns
gewiß auf. Wir könnten bei ihnen leben, uns hei-
raten und glücklich sein."
„Diese Existenz ist fürchterlich — da hast du recht.
Fast nicht mehr zu ertragen!" stimmte er bei. „Ohne
Geld ist man überall heimatlos, darum muß ich
eben etwas verdienen! Tas Bild ist unsere einzige
Hoffnung." Er trat vor seine ,Salome'. „Bleib
nur sitzeu, ich brauche dich augenblicklich nicht —
ich male am Hintergrund. Tas Rot muß noch tiefer,
leuchtender werden, damit der Kopf sich schärfer
abhebt. Weißt du, was Olhardt mir gestern sagte?
.Wenn Sie so unregelmäßig meinen Unterricht
besuchen, dann bleiben Sie doch lieber ganz fort!'
— Liebenswürdig, nicht wahr? Wahrscheinlich hat

Für ihn sowohl wie für
Nadine war es eine wahre
Erlösung, als er endlich nach
langen, trüben Wochen ange-
strengter Arbeit das Bild für
vollendet erklären konnte. Na-
dines laute Bewunderung —
was hätte sie nicht bewundert,
um ihm eine Freude zu ma-
chen! — konnte freilich sein
eigenes llrteil nicht umstoßen.
Er wies sie kurz ab, als sie
ihm noch einmal vorschlug, Ol-
hardts oder der Mitschüler Mei-
nung einzuholen. Da sie seine
Reizbarkeit kannte, bestand sie
nicht weiter darauf, sondern
riet ihm, da er das Bild auf

Norbert ihn aufgehetzt. Der ist nämlich in dich ver-
liebt, Nadine, und darum auf mich eifersüchtig."
„Sag doch so etwas nicht! Willst du Olhardt
nicht lieber den Grund nennen, warum du so selten
zu ihm kommst?"
„Auf keinen Fall. Er würde mir einfach ver-
bieten, weiter an meinem Bilde zu malen. Erst
soll er sehen, daß ich auch ohne ihn etwas kann."
Nadine seufzte. Gegenwart und Zukunft sahen
recht trübe aus.
Die Sitzungen, die Georg beanspruchte, nahmen
ihr so viele Zeit fort, daß sie noch in der Nacht die
Karten und Illustrationen zeichnen mußte, durch
deren Verkauf sie ihren Unterhalt bestritt. Daher
sah sie verändert, abgearbeitet aus. Den Grund
wollte sie ihm natürlich nicht eingestehen. Niemand,
nicht einmal sich selber hätte sie cs zugegeben —
aber auch sie fing an, den Erfolg des Bildes zu
bezweifeln. Tie Entwicklung hielt nicht, was der
Entwurf versprochen hatte,
niedergedrückter Stimmung,
elendem Aussehen?

Der Pnnr-Semahl.
ssoman von Jennette v. Moei-Heimd.
(Fortsetzung.). (Nachdruck verboten.)
Zechste8 Kapitol.
itterlich kalt ist's heute!" Georg hielt seine
steifgefrorenen Hände gegen den kleinen
rotglühenden Petroleumofen, der einen
unangenehmen Geruch verbreitete und
_-_das Atslier nur sehr ungenügend erwärmte.
„Sehr kalt!" bestätigte Nadine. Sie fror in
ihrem ausgeschnittenen ärmellosen Kleid, obgleich
Georg den Ofen so dicht wie möglich zu ihr heran-
rückte.
Von draußen sah ein grauweißer Wintcrtag
schneebleich in die Fenster. Einzelne Flocken fielen
langsam und müde auf die Straßen. Ter Schnee
blieb nicht liegen, sondern löste sich bald in wässerigen
Schmutz auf. Trübseliges Wetter! Auch das Atelier
sah trostlos aus. Die Sonne
fehlte, die allen FarbenWärme,
Leben und Leuchtkraft verlieh.
Die kostbaren Möbel und Gobe-
lins waren längst zum Händler
gewandert, nurderDiwan stand
noch mit ziemlich verschossener
Decke in der Ecke. Einige
Skizzen und Aktstudien hingen
an den Wänden.
Mit einem Seufzer der Ent-
mutigung legte Georg den
Pinsel fort. „Komm, ruh dich
auch aus! Du bist gewiß müde."
Er zog Nadine, die nur zu
gern folgte, zum Sofa. „Wie
kalt du bist, arme Kleine!" Er
nahm die Decke vom Divan
und wickelte sie fest hinein.
„Du verdirbst das Kleid,"
wehrte sie ab, obgleich sie die
Wärme wohltuend empfand.
„Ach, was liegt an dem
Lappen? Die ganze Idee ist
verfehlt! Am liebsten würfe
ich das Bild ins Feuer. Du
bist's nicht — nicht so, wie ich
dich sehe. Halb toll macht mich
das Mißlingen. Und dich quäl'
ich auch noch tot. Du bist schon
elend, ganz abgemagert."
Es kam ihr so vor, als ob
in dem Ton seiner Stimme
ein Tadel liege. War sie durch
die Entbehrungen der letzten
Monate nicht mehr so schön
wie einst für ihn, für sein Bild?
Sie zwang sich ein Lächeln ab.
„Ach, das bildest du dir nur
ein."
„Nein — nein, in dein Ge-
sicht ist etwas hineingekommen,
das früher nicht da wahr, das
nicht mehr zur ,Salome' paßt.
Es fehlt das Sieghafte, Be-
rückende^-ich weiß selbst nicht
was."
Sie strich über sein dunkles
Haar. „Du mußt dir Erho-
lung gönnen, Georg!" bat sie.
„Dies beständige Arbeiten greift
dich an. Geh einmal wieder
ins Theater."

XXIV IY07.
 
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