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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 13
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0319
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DasLuchfüiMe

Mustnette famstienrestung
13. heft. 1907.

t?oNsehung.)

es auch schon getan haben mögen, Ihre Offiziers-
laufbahn aufgeben, einen bürgerlichen Beruf suchen,
in dem Sie von keinem Ehekonsens abhängig find
— nein, Winfried, das dürfen Sie nicht, dürfen
Sie nun und nimmermehr. Es würde zu Ihrem
Unglück ausschlagen. Sie könnten es bei Ihren
Anlagen, Ihrem Temperament auf die Dauer nicht
aushalten auf einem Betätigungsfeld in den engen

Sie warten Jahr um Jahr, ein Leben lang — bis
ans Grab. Aber ich bin meinen Eltern Rücksicht
schuldig, meinem Vater vor allem, der außer sich
geraten würde, wenn er erführe, ich hätte mich
Ihnen versprochen trotz seiner Warnung, und dem
doch bei seinem leidenden Zustand jede Aufregung
erspart werden muß. Und auch mein Bruder wird
vielleicht noch einmal seiner Schwester bedürfen.
Seine Existenz ist noch keineswegs gesichert. Ich
kann Ihnen das nicht alles so sagen, wie ich's
empfinde. Aber mein Gewissen bäumt sich auf in
mir, mahnt mich: du darfst nicht frei über dich ver-
fügen, du gehörst nicht dir, du gehörst deiner Fa-
milie. Aber auch Sie müssen sich noch prüfen.
Verstehen Sie mich nicht falsch, bitte. Ich vertraue
Ihnen ja, vertraue Ihnen blindlings. Was Ihre
Augen, Ihr Mund mir sagten —ich bin sicher, das
kann nur die Sprache einer echten, großen Liebe
sein. Aber um Ihrer selbst willen, um Ihres Stolzes
willen dürfen Sie mich nicht als die Ihre betrachten,
ehe nicht der Weg für eine Verbindung zwischen
uns frei ist. Und auch Sie sollen nicht an mich
gebunden sein. Sie sollen nicht, um unsere Heirat
zu ermöglichen, in blinder Leidenschaft einen Schritt
tun, der Sie später vielleicht gereuen könnte. Sie
sollen nicht! Aber da Sie sich selbst noch nicht klar
sind, auf welche Weise Sie zum Ziel gelangen
wollen, wie kann ich's wissen! Nur das eine —
Sie deuteten es vorhin an — so viele vor Ihnen

seinem flehenden Blick er-
schüttelte den Kopf.
erwiderte sie mit tonloser und doch fester
das kann ich nicht, das darf ich nicht.
f - Wenn es
einzig und allein an mir läge, wenn ich nur an
mich zu denken hätte, würde ich mich an Sie binden
mit tausend Eiden — bedingungslos, würde ich ans

nicht zu mir sprechen," ver-

Grenzen, die dem gewesenen Leutnant gezogen
sind. Und ich — ich könnte dann nicht Ihre Frau
werden. Nicht nur deshalb uicht, weil es mir un-
erträglich wäre, schließlich einmal für Ihr ,ver-
fehltes LebeiU verantwortlich gemacht zu werden,
sondern auch weil-mein Vater seine Einwilligung
zu unserer Verbindung in solchem Fall niemals
geben würde. Ich kann, ich will nicht niedersteigen,
herabsinken von der gesellschaftlichen Stufe, auf der
ich geboren bin, auf der ich stehe. Denken Sie
darum nicht klein von mir. Ich achte jeden Mann,
der ehrlich sein Brot verdient, ich frage nichts nach
Glanz und Wohlleben, ich will mich als Ihre Frau
gern einschränken bis zum Äußersten, aber — das
steckt mir nun einmal im Blut — ich muß vor der
Welt die bleiben, die ich heute bin. Und darum:
ich will warten, so lange es in meiner Kraft steht,
so lange es von meinem Willen abhängt, bis Sie
keiner Kaution mehr bedürfen, oder bis irgend ein
Zufall unsere Heirat ermöglicht. Doch darüber hin-
aus kann ich Ihnen nichts versprechen. Sie müssen
wissen, ob Ihnen das genügt. — Und noch eines.
Mit keinem heimlichen Wort, keinem verstohlenen
Blick dürfen Sie verraten, was heute hier zwischen
uns vorgegangen ist. Unsere Stellung zueinander
muß die bleiben, die sie bisher war. Ich will nicht
in ein schiefes Licht kommen vor den Leuten. —
Und nun kommen Sie. Versuchen auch Sie noch
Ihr Weidmannsheil in der Morgenfrühe!"
Sie machte ihre
Hände frei und stieg
wieder voran, dem
Gipfel des Berges
entgegen.
Borgstedt wagte
an diesem Morgen
kein Wort von Liebe
mehr zu ihr zu
sprechen.
Viette5 Kapitel.—
Der Oberst hatte
an der hohen Klinge
einen kapitalen Bock
geschossen, noch da-
zu „spitz von vorn"
— mit einem wah-
ren Meisterschuß
also; und da er in
seiner Siegerlaune
auf dem Heimweg
nicht müde wurde,
alle Phasen seines
Abenteuers wieder
und wieder bis ins
kleinste hinein zu
schildern, und da er
dabei immerzu mit
verliebt zwinkern-
den Augen nach dem
erbeuteten Gehörn
des „braven Bur-
schen" schielte, das
sich aus dem Rucksack
des Führers hervor-
stahl, so entging ihm
seiner Tochter und
des Oberleutnants Befangenheit gänzlich.
Aber auch sonst schien ihm der morgendliche
Birschgang ins Elmentaler Revier durchaus nicht
schlecht bekommen zu wollen. Er frühstückte mit
dem Appetit eines ausgehungerten Bären und schlief
nach dem Bade zwei volle Stunden wie ein Murmel-
tier, während der starke Kohlcusäuregehalt des
Wassers ihm bisher immer noch Blut und Nerven

in befreites Aufatmen hob Julias Brust.
Borgstedt sah es, verstellte ihr mit
einem raschen Schritt den Weg und nahm
gewaltsam ihre beiden Hände. „Ver-
trauen Sie mir denn nicht?" drang er
in sie. „Mein Gott, gewiß — Ihr Mund ist
nicht der erste, den ich geküßt. Ich kann nicht
lügen Ihnen gegenüber. Ich bin sogar schon ein-
mal verlobt gewesen und danke heute dem Himmel,
daß ich meinen Irrtum erkanute, ehe es zu spät
war. Aber darum — gerade darum, weil das Herz
mich schou iu die Schule genommen hat, weis; ich
gewiß, daß ich in Ihnen die gefunden habe, nach
der meine friedlose Seele auf der Suche war, ohne
daß ich es ahnte, weiß ich gewiß, daß Sie meinem
verworrenen, ziellosen Leben wieder Halt und Rich-
tung gegeben haben, daß ich nur Sie liebe, nur
Sie lieben werde bis zu meinem letzten Tage —
ach, nicht lieben, nein, daß ich Sie verehren, anbeten
will wie eine Heilige."
„So dürfen Sie
wies ihn Julia und
mühte sich, ihre
Hände frei zu ma-
chen.
Er aber ließ sie
nicht. „Doch, doch,"
stieß er mit zucken-
den Lippen hervor;
„doch muß ich so zu
dir sprechen, du
Liebe, du Einzige.
Meine Hände möcht'
ich auf deinen Weg
breiten, damit du
weich gehen und dich
an keinen Stein sto-
ßen kannst; mein
Haupt möcht' ich
niederlegen zu ei-
nem Schemel für
deine Füße. Und —
noch nie in meinem
Leben hab' ich bit-
ten können — aber
dich bitt' ich wie
kein Kind seine Mut-
ter, kein Frommer
seinen Gott inniger
bitten kann: bleib
mir treu, warte auf
mich, bis ich dich
heimführen kann, du
mein Licht, du meine
Sonne! Schwöre
mir, daß du mein
bleibst, daß ich dich nie
verlieren werde!"
Julia schloß die
Augen, als fürchte sie,
liegen zu müssen, und
„Nein,"
Stimme, „
Ich habe Sie lieb, Winfried, sehr lieb.

Li5 ans ende dep wett.
ttoman ooa
Maximilian ttöttchep.
(Nachdruck oerdolen.)



XNI. 1407.
 
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