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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0142
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varLuchfürMe
Illustnette familienrestung
d. Hest. 1907.

Watt ich geblieben doch!
Kvman von
6eoi-g stattwig (kmmg l(oeppel).
(rortsehung.) (Nachdruck verboten.)
ichard legte den Arm um Mias Schulter.
„Die Liebe, Mia — weißt du's nicht? —
trägt alles, hofft alles!"
Sie nickte. Es war ihr Einsegnungs-
spruch gewesen, er stand fest geschrieben
in ihrem Herzen. „Und duldet alles," flüsterte sie
lächelnd.
„Ja —" sagte er und aus ihrem reinen Auge
strahlte ihm etwas Tröstliches, Freudiges durch die
Seele. „Aber verzeihen vor allen Dingen!"
Als sie noch immer halbverlegen schwieg, nahm
er ihre Arme und breitete sie auseinander.
Da rann's ihr wie ein Glutstrom durch die Adern.


Sie schlang die Arme um seinen Hals und drückte
ihren Kopf voll unaussprechlicher Seligkeit an seine
Brust.
Er legte ihren Arm in den seinen. So gingen
sie den Steig entlang.
„Als ich vorhin in Groll von dir ging," sagte er
warm, „klang etwas in mir zurück, was ich ver-
gessen glaubte. Tu standest dem so fern wie —
wie dort oben der Stern. Und so wird's immer sein
in allem, was mich reizt und quält. Du hast damit
nie etwas zu tun, Mia. — Wenn du nur erst wüßtest,
wie der Zufall uns beherrscht. Nnr Geburt und
Tod sind sicher — alles dazwischen ist Zufall. Man
tut so oft, was man nicht tun möchte, und tut es,
weil man nicht anders kann. So kommt das Un-
recht."
„Du tust immer, was recht und gut ist," sagte
sie, ihre Wange an seine Schulter lehnend. „Ich
meine, mit guter Absicht läßt sich nichts Unrechtes
tun, und eine schlechte Sache hat keine gute Absicht.
Das sind, sagte Pastor Seller, die bedenklichsten

Dinge, die man vor sich selbst zu entschuldigen
sucht."
„Was sich nicht entschuldigen läßt," sagte er,
ihren Arm fester drückend, „läßt sich ausgleichen.
So weit reicht auch Pastorenweisheit. Frauen-
güte und -liebe ist das, was wir am nötigsten
brauchen in diesem stachligen Leben. Jeder Mann
hat sie nötig, glaube mir. Ich auch, Kind! Ich auch!"
„Das darfst du nicht sagen," flüsterte sie tief-
bewegt. „Ich fehe zu dir auf wie zu dem Stern
dort. Es ist mir, als wüchse ich an dir empor mit
allen Gedanken, mit meiner ganzen Liebe. Als
wäre alles, was ich sonst fühlte, auch für dich, so
dürftig gewesen — gerade wie ein Strauch, der erst
noch blühen soll."
„Blüht er nun?" fragte er lächelnd, sie an sich
ziehend.
Sie nickte.
Da nahm er ihren Kopf zwischen beide Hände
und küßte sie — zum ersten Male mit innerstem
Triebe.


VI. IS07.

Das neue Kurhaus in üad Neuenahr. (8. Ist)
 
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