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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 18
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0435
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Illustnette stsmilienreitung
18. fjest. 1907.

Vie Seschlvistel' vittone.
k^oman von vug. Sl-onei-.

lkc>ttlel!ung.) — - - > (NrchdruK orrdolsa.)
in Gemurmel vom Zuschauerraum her be-
grüßte die hohe Mädchengestalt, welche
gesenkten Hauptes vor dem Richtertische
stehen blieb. Brenncndrot war das junge
Gesicht beim Eintreten gewesen — jetzt
war es totenbleich.
„Schau nur, wie Perthals Augen an ihr hängen!"
flüsterte die blonde Dame ihrer Freundin zu, und
diese schaute nun auch spöttisch lächelnd auf den
Anwalt, dessen dunkle Augen mit unverhohlener
Zärtlichkeit auf der Angeklagten ruhten.
Die Verhandlung schritt in gewohntem Geleise
fort.
Nach der überaus scharfen Darlegung des Falles
durch den Staatsanwalt und nach der Vernehmung
der Zeugen hielt Doktor Franz Perthal v. Lauen
seine Verteidigungsrede. Es war eine echte Per-
thalsche Rede, einfach und doch voll echten künstleri-
schen Schwunges, glänzend, weil voll des Geistes,
der sie geprägt, warm und hinreißend, weil ein


großes Herz, ein volles Überzeugtsein für die
Schuldlosigkeit der Angeklagten eintraten.
Alle die gespannt Lauschenden meinten, nach-
dem er geendet, daß diese Rede unbedingt einen
Freispruch herbeisühren müsse.
Diese Annahme geriet aber wieder ins Wanken,
als der als öffentlicher Ankläger fungierende
Staatsanwalt Lautenbach wiederum das Wort
ergriff.
Es wurde ordentlich kalt um ihn her, als er zu
reden begann.
Wenn man seine Art eine Weile hatte auf
sich wirken lassen, fühlte man cs, daß dieser Mann
heute wieder einmal so recht auf seinem Posten
stand, daß er nur Ankläger, nur Angreifer, nur Ver-
folger sein konnte, daß er nur das Schlechte im
Menschen studiert hatte, das Schlechte in allen seinen
Graden und allen seinen Äußerungen, daß er vom
Guten gar nichts wußte, nichts wissen wollte,
daß er speziell dazu da war, alles Häßliche zu ver-
stehen, zu wissen, zu erkennen oder wenigstens zu
ahnen, daß er dazu da war, alles Dunkle ans Licht
zu zerren.
Noch ruhten seine kleinen, Wasserstellen Augen
auf Perthal, der freundlich lächelnd der Angeklagten
zunickte. Nun, auch um Lautenbachs schmale Lippen

schwebte ein Lächeln. Es war aber die Verneinung
jeden Wohlwollens. Und dann schwirrte seine
schneidige Stimme bald leiser, bald lauter durch
den Saal.
„Es gibt Fälle," begann er, „in denen einem
auch die heißeste Freundschaft nichts nützen kann.
Solch einen Fall haben wir vor Augen! Des
Herrn Verteidigers glanzvolle, feurige, nein flam-
mende Rede hat Sie alle —ich habe es wohl bemerkt
— geblendet. Leider muß ich dieses blendende
Feuerwerk mit dem kalten Strahl der nun einmal
bestehenden, zweifellos erwiesenen Tatsachen wieder
löschen. Und vollends wirkungslos wird meines
geehrten Herrn Vorredners prachtvolles Plädoyer
werden, wenn es sich bewahrheitet, was man mir
in dem Schreiben meldet, das mir soeben über-
bracht worden ist. — Angeklagte, ist es richtig, daß
Ihr Vater ein nichts weniger denn einwandfreies
Leben geführt hat?"
Doktor Perthal fuhr empor. „Was soll das
hier?" rief er empört.
Pia Vittone hatte nur tief Atem geholt, und dabei
war sie totenbleich geworden. Sie schwieg.
Lautenbach fuhr eifrig fort: „Und daß Ihr
Bruder bereits wegen Urkundenfälschung bestraft
wurde?"

Der Zchlohteich und die Uferpromenade in Königsberg i. pr. (5. ZY5)


XVUI. ISDN
 
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