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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0189
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Illustnette stgmilienreitung
8. l^est. 1907.

wär'ich geblieben doch!
Noman von
6eo,-g tzattwig (Lmmg l<oeppel).
lrortsehuvg.) -.-v---. (Nachdruck verboten.)
as tun?
Diese Frage richtete sich wie ein
Gespenst vor Mia auf, finster und
drohend.
Aber da warniemand, deribrjunges
Herz beriet in seiner Not und es mit Trost füllte.
Alles still — Schlaf überall. Nur sie allein wachte
mit fiebernden Pulsen.
Sie ging in das Schlafzimmer, setzte sich auf
den Bettrand nieder und faltete die Hände, wie
sie's als Kind getan, wenn das alte Fräulein den
Abcndscgen sprach.
So gedankenmüde wurde ihr Kopf! Der Mond-
schein, der durchs Fenster fiel, malte einen wunder-

lichen Schatten auf den Fußboden — und der
Schatten bekam eine Stimme und summte leise
Töne —
„Wär' tch geblieben doch auf meiner Heiden" —
Mia nickte mit schweren Lidern. Sie hörte die
alte Kiefer im Winde knarren, tief und schaurig.
„Da hält' ich Nichts gewußt von all' den Leiden" —
Das dürre Heidekraut raschelte und raunte so
traurig.
„Wär' ich geblieben doch — wär' ich geblieben" —
Mia hörte nichts mehr. Ihr Oberkörper war
aufs Bett gesunken.-
Der Tag brach an. Seine wärmenden Strahlen
glitten über das schlummernde Antlitz der jungen
Frau, dem die kurze Wohltat des Vergessens fried-
volle Ruhe ausgeprägt hatte.
Glockenklängs verschwebteu in der Luft —
Da schreckte Mia aus tiefen: Schlaf auf und iah
mit staunenden Blicken um sich. Aber schon fiel
die Erinnerung wie ein Alp über ihre Seele. Und


diese Seele mit ihrer Last ungeweinter Tränen
unterlag dem Druck.
Sie öffnete scheu die Tür und wagte es kaum,
der Jungfer ins Gesicht zu sehen, geschändet und
beschimpft, wie sie sich fühlte.
Mechanisch nahm sie eine Tasse Tee zu sich und
zerbröckelte das Brötchen auf ihrem Schoße.
Was nun? Was nun?
Verzweifelt rang sie die Hände ineinander.
Sie dachte nicht mehr daran, wie wonnig sie
sich die Rückkehr in dieses Haus an Richards Seite
ausgemalt, sie empfand nur Schauder vor diesen
Räumen, den Zeugen eines mit Lüge und Verrat
befleckten Glückes.
Und unermessene Sehnsucht, diese Stätte zu ver-
lassen und nimmer wiederzusehen, erfaßte Mia wie
ein Taumel. Fort von allem, was an ihn erinnerte!
Fort von ihm! Nur ihn nicht Wiedersehen!
Sie hatte ja ein Heim — ganz einsam und
weltfern lag's in Wald und Heide.
So lange hatte sie's vergessen, das liebe alte
Haus! Wie lag's plötzlich so klar vor ihren Blicken!


Vie elekirhche vrahtseildahn aus die Hungerburg bei jnnsoruck. Nach einer Photographie von MH Srati in Innsbruck. (8.175)

VIII. 1907.
 
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