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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0645
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varLuchfülMe
Illustriette ^amilienreitung
27. liest. 1907.

vep Pfinr-Semahl.
iroman von stenriette v. Meecheimd.
krorlsetiunz.) _— - -lNschdi-uck verboten.)

Ä^Ä,eorg antwortete nicht auf die letzte Be-
MOWMs merkuug Aune-Maries. Er sah durch das
offene Fenster in den mit Blüten über-
ladenen Garten hinaus. Wie der Duft
des Flieders ihm Paris vor die Seele zau-
berte. Paris im Mai! Und Nadine an feiner
Seite! Er fürchtete, Anne-Marie könne seinen
Herzschlag hören, so laut stürmte fein Blut durch
alle Adern.
Sollte er Nadines Kommen verhindern? Es ge-
nügte, wenn er Anne-Marie bewog, ihr den Namen
feiner Mutter zu nennen. Oder sollte er selbst ihr
schreiben: „ich bin der Mann der Gräfin Lehmin,
bei der du in Dienst treten willst — ich, Georg
v. Stechow!" Nein — das konnte er nicht tun.
Vielleicht war sie in Not geraten, wer konnte
wissen, welche schlimme Lage sie gezwungen hatte,
sich nach einer Stellung umzusehen! Ihre Künstler-
träume hatte sie wohl längst aufgeben müssen!
Arme Nadine!
Nach den langen Jahren fühlte er keine Leiden-
schaft mehr für sie, ihre Liebe würde sich in ruhige
Freundschaft verwandelt haben. Nichts anderes
wollte und wünschte er mehr, als ihr die Wege zu

ebnen. Darum dankte er dem Schicksal, das ihn
noch einmal mit ihr zusammensührte, damit er sein
Unrecht gut machen konnte.
Sie würde sicherlich gern hier sein. Ihr Schönheit
liebendes Auge schwelgte gewiß in diesen kunstsinnig
geordneten Räumen, in dem Blütengarten sollte
sie sitzen, in dem sonnendurchleuchteten Kiefern-
walde mit ihm malen.
Noch einmal erstand sie dann wieder, die ver-
sunkene Herrlichkeit jener Pariser Sommertage mit
ihren goldenen Träumen von Künstlerruhm und
Unsterblichkeit.
In Nadine fand er endlich eine verwandte Seele,
der gegenüber er sich die Last vom Herzen wälzen,
die ganze Enttäuschung seines Lebens offenbaren
konnte. Sie regte ihn gewiß zu neuem Schaffen
an, freute sich mit ihm über das Gelingen eines
Bildes. Vielleicht rang sich aus all dem bitteren
Weh, dem öden Einerlei seines Lebens doch die
niedergezwungene Künstlerschaft siegreich aus Licht,
die kranken, überreizten Gefühle, die ihn beständig
marterten, fielen wie ein eiserner Reifen, der
plötzlich springt, von ihm ab. .
Er beugte sich über das Ruhebett seiner Frau.
Sie sah ein eigenes Leuchten in seinen großen
dunklen Augen. „Ich danke dir, Anne-Marie, daß
du auf den Einfall kamst, für Mama eine Gesell-
schafterin zu engagieren. Ein frisches Element wird
unseren etwas sehr eng gezogenen Kreis angenehm
erweitern, uns alle auffrischen."
Anne-Marie sah mit plötzlich erwachtem Miß-

trauen in seine glänzenden Augen. „Du bist wohl
so entzückt, weil das Fräulein auch malt, und ihr
dann zusammen phantasieren könnt? Hauptsächlich
kommt Fräulein Holzinger aber Mamas wegen —
vergiß das nicht!"
Georg richtete sich schnell auf. Sein Blick und
Ton wurde wieder kalt. „Ich werde das nicht
vergessen," entgegnete er kurz.
Er stieg die Treppe hinab in den Garten. Glanz,
Licht, Blumendüfte umwogten ihn.
„Welch kleine, enge Seele in einem schönen,
gesunden Körper!" sagte er leise vor sich hin. Er
dachte an die ruhende Gestalt feiner Frau, deren
Vollkraft, deren reiches Blondhaar fein Malerauge
halb widerwillig bewundern mußte. Im Geist fah
er daneben eine graziöse Mädchenfigur, der warme
Sommerwind spielte mit dem schweren dunklen
Haar, das feine, durchgeistigte Gesichtchen mit den
wundervollen Augen fah ihn ernst an, um ihren
weichen Mund zitterte das süße, ihm so wohlbekannte,
ein klein wxnig spöttische Lächeln.
Ein Seufzer — halb Schluchzen, halb Jauchzen
— hob feine Brust. Er hätte die Arme weit aus-
breiten mögen.
Ein Windstoß fuhr durch den übervollen Flieder-
strauch. Ein Regen von lila Blütensternchen wehte
über den kurzgeschorenen famtgrünen Rasen.
eiste5 Kapitel. . . -
Der offene Wagen, der Nadine von der Bahn-
station abholte, fuhr durch die Felder. Wohin sie


itressenernte in Brasilien. Nach einem Semälde von k. Luntw-
 
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