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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0598
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Va5 Luch fülMe
Illustrierte fgmllienresturig
25. k^est. 1907.

Der Prinr-Semahl.
I^oman von Jennette v. Meerheimd.

lfforiseliung.)

iNnchdruck verdoien.)

iine-Marie kam, als sie das Husten des
alten Stechow hörte, schnell herein. Sie
schob ihren Arm unter den Kopf des
Kranken und machte Georg ein Zeichen,
8 von der auf dem Nachttischchen stehenden
Medizin einen Löffel voll cinzugießen.
Der Kranke schluckte gehorsam. Furchtbar er-
schöpft, unfähig zu sprechen, blieb er in seinen Kissen
liegen. Seine eine Hand hielt Anne Maries Kleid fest.
„Ich bleibe bei dir, Onkel." Sie streichelte sein
eingefallenes Gesicht.
Der alte Stechow brach plötzlich in ein krampf-
haftes Schluchzen aus. Wie kranke Kinder weinen,
ohne jede Selbstbeherrschung, stöhnte und wimmerte
er vor sich hin.
Anne-Marie hatte solche Szenen wohl schon


öfter erlebt, sie blieb ganz ruhig. „Geh lieber fort,"
bat sie Georg leise. „Mit mir allein wird er bald
wieder still."
Georg ging zur Tür.
„Anne-Marie, verlaß uns nicht! Ihr werdet
jetzt bald heiraten!" hörte er die flehende Stimme
des Vaters sagen.
„Ja — ja, Onkelchen, ich verspreche es dir.
Unsere Hochzeit soll ganz in der Stille an deinem
Bett gefeiert werden."
Langsam, wie wenn Bleigewichte an seinen
Füßen hingen, ging Georg wieder die Treppe
hinunter, durch den hohen, kühlen Hausflur in den
Salon seiner Mutter, die ihm erwartungsvoll ent-
gegensah. Er setzte sich neben sie an den bereits zum
Tee zierlich gedeckten Tisch. Erhielt sein Gesicht im
Schatten, damit sie nicht in seinen Zügen lesen konnte.
Die zwei wcitgeöffneten Flügeltüren ließen den
vollen Glanz der Frühlingssonne hereinfallen. Die
Bäume im Garten waren noch kahl, aber die steilen
Laubwände des Buchsbaums schimmerten schon
in hellerem Grün, und auf den gezirkelten Blumen-
beeten blühten goldgelbe und zartlila Krokus. Durch

die Hecken, die den Garten in gerade breite Gänge
teilten, sah man auf die bläulich schimmernde Fläche
des Sees und weiterhin auf die dunklen Wipfel
des gegenüberliegenden Kiefernwaldes.
„Wie fandest du den Vater?" fragte Frau
v. Stechow endlich.
Das bedrückte Schweigen des Sohnes lag wie
etwas greifbar Schweres, Schwüles in dem sonnig
Hellen Zimmer zwischen ihnen.
„Schlecht!" antwortete Georg finster. „Entsetz-
lich verändert ist er. Ich befürchte das Schlimmste."
„Um Gottes willen, du glaubst doch nicht etwa —"
Er zuckte die Achseln. „Wenn jemand seit Wochen
schwer krank ist, muß man sich auf einen üblen
Ausgang gefaßt machen," meinte er ausweichend.
Frau v. Stechow fing an zu weinen. Aber ihre
Tränen ließen Georg seltsam kalt. Er versuchte gar
nicht, die Mutter zu trösten. Immer stärker über-
kam ihn das Gefühl, in einen unentrinnbaren Kreis
eingesponnen zu sein, aus dem es kein Entweichen
mehr gab.
Unwillkürlich seufzte er tief auf, als Anne-Marie
cintrat. Sie machte sich sofort am Teetisch zu


Vie niederösterreichische candesbahn nach MarlareN: Vie neueröffnete Zwecke Zwischen Laudendachmühle und Puchenstuben. (Z. 549)
Nach einer phologrsphie von y. 5chuhmsnn in Wien.

XXV. 1407.
 
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