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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 42.1907

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Heft 15
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https://doi.org/10.11588/diglit.60738#0366
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va^Luch fülMe
sNustllette Usmilienreitung
IS. fjest. 1Y07.

815 an5 ende bei- Welt.

(fottsehung.)

Ikoman von
Maximilian Böttcher.
«Nachdruck verboten.)

//djSü teuren Toten zur lef
U M Altdorfs Benehmen
bisher. Mit keinem

Achtes Kapitel.
n den drei Tagen, die nun folgten, den trä-
uenvollen, in denen es hieß, den-Leib des
teuren Toten zur letzten Reife zu rüsten, blieb
« gegen Julia dasselbe wie
— bisher. Mit keinem Wort, keinem Blick deu-
tete er an, daß er fie kraft des an Rottenburgs
Sterbebett geschloffenen Bundes als seine Braut
betrachtete, daß er sich irgend ein Recht auf ihren
Besitz anmaße.


Und er maßte sich auch in Wirklichkeit kein Recht
auf sie an.
Wenn er ihr in jener schweren Stunde seine
Hand entgegengestreckt, im impulsiven Drange hatte
er's getan, dem Zwang des Augenblicks gehorchend.
Denn darüber konnte ihm ja nach des Obersten
Worten kein Zweifel bleiben: Julia mußte sich unter

vier Augen mit ihrem Vater entschieden geweigert
haben, seine Werbung anzunehmen. Und wenn sie
ihre Hand auch in seine dargebotene gelegt, so tat
sie es ganz gewiß nur deshalb, weil sie dem Ster-
benden die Todesnot hatte erleichtern wollen. Denn
auch das fühlte Altdorf: Julias Herz gehörte einem
anderen, gehörte Borgstedt.
Nun, er war nicht der Mann, sich eines anderen
Not nutzbar zu machen. Wären nur erst die schmer-
zensreichsten Tage mit ihren Aufregungen vorüber,
so würde er Julia sagen, daß er sie nicht an das
nur in einer Zwangslage gegebene Wort gebunden
erachte.
Nur einmal sprach er zu Julia wenige Worte,
die über die Grenze gesellschaftlicher Höflichkeit hin-
ausgingen, die dem Empfinden seines bewegten
Herzens Ausdruck verliehen; aber auch diese Worte
hatten keine Beziehung auf seine persönliche Stel-
lung zu ihr.
Oft nämlich, wenn Julia sich vor Störung und
Beobachtung sicher glaubte, schlich sie sich in den
schwarzdekorierten Salon, in dem der Oberst in
einem Meer von Blumen aufgebahrt lag, setzte sich
an seinen offenen Sarg, preßte ihre Stirn auf die
gefalteten, erstarrten Hände und konnte es nicht

fassen, daß die festgeschlossenen Augen in dem lieben,
blassen, traumhaft lächelnden Gesicht, aus dem der
Allerlöser jede Spur des überstandenen Leidens
weggewischt hatte, sich nie wieder zu einem Hellen
Blick der Güte oder des Zornes auftun sollten. War
es denn möglich? Nie — nie mehr? Die Möbel
ringsumher standen noch alle, wie sie früher ge-
standen, die Bäume im Garten mit iliren Millionen
Frühlingsblüten, das Haus — alles, alles, was zu
des Teuren Leben gehört batte, stand noch auf
seinem Fleck, nur er selbst lebte nicht mehr? Hätte
denn nicht, wenn er schon dahinging, alles um ihn
mit zerbrechen müssen? — Und mit heißen Tränen
klagte sie sich an, daß sie des Vaters Tod in Starr-
sinn und Hartherzigkeit beschleunigt hätte.
So, in schluchzendes Weinen aufgelöst, fand sie
der Professor am Tage vor der Beerdigung, als
er gekommen war, zu sehen, ob er nicht noch für
dieses oder jenes seine Dienste anbieten könnte.
Innige Worte des Trostes sprach er da zu ihr,
Worte, wie nur ein ganzer, ein vollwertiger Mann
sie findet, der in allem irdischen Wandel, in aller
Vergänglichkeit allein das notwendige und darum
heilsame Naturgesetz sieht, der trotz aller Liebe zum
Leben, trotz aller frohen Tatkraft, immer für seine


XV. IS07.

Vie llettung nah«! Nach einem öemZIde von t. Paulus. (8. Z2Y)
 
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