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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 43.1908

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Heft 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.60739#0040
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Da8LuchfülMe
Illustnette familienreitung
2.fjest. 1908.

füsstin 5ajg.
^oman von ksich Ebenstem.

(foNsehung.)

(Nachdruck verboten.)


ein Gott, ist meine Werbung denn gar
so befremdend?" fragte Rainer die alte
Dame. „Ich habe mit Sylvia als Knabe
gespielt. Ich bin ihr gut und sie wird

sicher nichts dagegen haben, das elende
Mahrenberg mit Riedenau zu vertauschen."
Wieder kam diese dumme Verwirrung über ihn
unter Sephinens starr und forschend auf ihn ge-
richteten" Blick. Es war wirklich peinlich. Als ob

sie jeden heimlichsten Gedanken seiner Seele läse.
Ärgerlich stieß er heraus: „Oder meinst du etwa,
Sylvia sei nicht gut genug zur Gräfin Riedberg?
Das wäre doch schließlich meine Sache!"
„Zu gut ist sie — viel zu gut!" sagte die Baronin
mit einem Ernst, wie Rainer ihn nie zuvor von diesen
freundlichen Lippen gehört hatte. „Und ich dulde
nicht — hörst du, Rainer — ich dulde nicht, daß du

dieses Mädchen, das ich wie ein eigenes Kind liebe,
so erniedrigst!"
„Erniedrigen?" In Rainers Augen blitzte es
auf. „Wenn ich sie liebe und zur Gräfin Riedberg
machen will?"
„Du liebst sie nicht! Glaubst du, ich weiß nicht,
warum du sie heiraten willst? Die Welt von heute
muß sehr verdorben sein, daß sie einen Edelmann
so tief sinken läßt. — Nein, Rainer, es ist schändlich,
schändlich, was du tun willst! Denke an deine
Eltern, die einander so innig geliebt haben. Die
Ehe ist etwas Großes, Heiliges, mein Junge, und
wehe denen, die sie entwürdigen! Aber das kam
ja auch nicht aus deiner Seele, nicht wahr? Ihr
habt einfach den Kopf verloren, und du glaubst nun,
es gäbe keinen anderen Ausweg. Ja, so wird es ge-
wesen sein. Aber das, was du da tun wolltest, mein
Junge, wäre ein Verbrechen, größer als alles andere.
Das mußt du nun begreifen. Eine Sünde wider
Gott, wider die Natur, wider dich selbst, denn nur
bitterstes Elend könnte euch allen daraus erwachsen."
Ihre Stimme war wieder weich und voll Wärme
geworden. Rainer stand bleich, schwer atmend am

Fenster und drehte mechanisch die Spitzen seines
Schnurrbartes. Ihr Ton griff ihm seltsam ans
Herz. Er glaubte seine längst verstorbene Mutter
sprechen zu hören und war ehrlich genug, sich ein-
zugestehen, daß sie mit jedem Worte im Recht war.
Aber hinter Sephine Doll erhob sich ein weißes,
feines Gesicht, von rotblondem Haar umrahmt,
zwei dunkle Augen leuchteten geheimnisvoll lockend,
und Lajas schmale Kinderhände erhoben sich bittend:
„Vergiß nicht, was du mir bist! Denke, daß ich
dein Wort habe — für heute und immer!"
„Nicht wahr, du siehst es ein, Rainer, und ver-
sprichst mir, diesen unsinnigen Plan aufzugeben?"
drängte die Baronin flehend.
Seine Brauen zogen sich finster zusammen.
„Nein — ich kann nicht. Was ich beschlossen habe,
führte ich noch jederzeit aus. Laß uns darüber nicht
weiter reden, Tante Sephine."
Sie setzte sich still an den Tisch zurück und stützte
den Kopf in die Hand. Ihr Gesicht sah plötzlich
uralt und verfallen aus.
„Dann — dann," begann sie endlich mühsam,
„muß ich dich bitten, Dollenau wieder zu verlassen.


II. isos.

Vas Hollemms. Vach einem SemZIde von Otto Huber. (5 ZZ)
 
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