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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 43.1908

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Heft 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.60739#0666
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vaTLuchfütMe
sllustnette pamilienreitung
28.kjest. 1908.

Vie heilige Pflicht.
Uoman von Oskar U. hillmar.

troUsepung und 5chluft.)

Ich lasse bitten. — Du hast wohl die Freundlichkeit,
liebe Leonore, für eine kleine Weile das Feld zu
räumen."

(Nachdruck verholen.)
as?" fuhr Burkhardt auf. „Schou jetzt
kommt Herr Delmonte? — Ich hatte
ihm doch ausdrücklich geschrieben, daß
ich ihn um zwölf Uhr erwarte. — Aber
meinetwegen!—Je früher, desto besser!


Sie sich gefälligst selbst, welche Bewandtnis es mit
seiner Erkältung hat!"
Er warf ein zerknittertes Telegramm, das er
aus der Tasche gerissen hatte, vor sie hin auf den
Tisch.
Leonore griff mit bebenden Fingern nach dem
Papier, und es flimmerte ihr vor den Augen, während
sie las: „Doktor Delmonte leider sehr schwer er-
krankt. Schlimmstes zu befürchten. Erbitte in
seinem Namen dringend Ihre schleunigste Hierher-
kunft. Guerard."
Die Depesche war in Montreux aufgegeben und
trug das Datum des vorhergehenden Tages. Ohne

ein Wort zu sprechen, reichte Leonore ihrem Vater
das Blatt. ,
Auch der Landgerichtsdirektor war ersichtlich tief
erschüttert. „Das ist schrecklich!" sagte er mit dem
Klang aufrichtigster Teilnahme in der Stimme.
„Aber wir wollen hoffen —"
Da ging dem unglücklichen Vater auch der letzte
bisher mühsam bewahrte Rest seiner Selbstbeherr-
schung verloren. „Geben Sie sich doch keine Mühe!"
schnitt er mit Heftigkeit dem anderen die Weiter-
rede ab. „Als wenn ich nicht besser wüßte, was
Sie hoffen und wünschen! — Nun sind Sie ja gleich-
zeitig beide frei geworden — Sie und Ihre stolze
Tochter — nun, da mein

Das junge Mädchen zö-
gerte. „Gestatte mir wenig-
stens, ihn nach Georgs Ge-
sundheitszustand zu fragen.
Dann werde ich sofort
gehen."
Burkhardt hätte nicht
mehr die Möglichkeit gehabt,
ihrem Wunsche zu wider-
sprechen, denn schon stand
der Gemeldete in der offe-
nen Tür. Er war mit pein-
licher Sorgfalt und Eleganz
gekleidet wie immer, aber
sein sonst so kunstvoll ge-
pflegter Bart sah merkwür-
dig zerzaust aus, und statt
der gewohnten ruhigen
Würde war ein Ausdruck
von Verstörtheit in seinen
Zügen.
„Guten Morgen!" sagte
er kurz und rauh. „Es ist
keine schickliche Stunde für
eine geschäftliche Bespre-
chung, aber ich kann meine
Zeit heute nicht nach mei-
nem oder nach Ihrem Ge-
fallen wählen, Herr Land-
gerichtsdirektor! Sie wer-
den also schon einwilligen
müssen, daß wir unsere An-
gelegenheit jetzt ins reine
bringen."
Mit höchlich verwunder-
ter und befremdeter Miene
hatte sich Burkhardt von
seinem Stuhl erhoben. Er
wollte antworten, aber Leo-
nore kam ihm zuvor.
„Ich will die Herren
nicht durch meine Gegen-
wart stören," sagte sie rasch.
„Aber ich erhielt vor einigen
Tagen von Georg die Nach-
richt, daß er unter einer
Erkältung zu leiden habe,
und ich möchte mich daher
bei Ihnen erkundigen, Herr
Delmonte —
Sie verstummte in hefti-
gem Erschrecken, als der Be-
sucher sich ihr zukehrte, denn
sie las in seinem verzerrten
Gesicht, daß irgend etwas
Furchtbares ihn bewege.
„Unter einerErkältung?"
wiederholte er scharf und
schneidend. „Hat er Ihnen
von einer Erkältung geschrie-
ben? — Da — überzeugen

Var märkische prooiririslmuseum in beriin. risch einer Photographie von in. Mihmsnn in chariottendurg. (8. si4)


armer Junge zu so — so
gelegener Stunde —stirbt!"
Er hatte au den letzten
Worten würgen müssen, als
ob ihm ein Fremdkörper in
der Kehle säße, und es
schüttelte seine Gestalt wie
ein Frostschauer. Der Land-
gerichtsdirektor starrte ihn
fassungslos an. Leonore aber
fragte, als hätte sie die An-
klage in seiner Rede nicht
gehört oder nicht verstan-
den: „Um welche Zeit ge-
denken Sie zu reisen, Herr
Delmonte?"
„Mit dem Schnellzuge
um ein Uhr, denn für den
Expreßzug war es zu spät.
— Aber was—"
Er mußte die Frage un-
ausgesprochen lassen, die
ihm auf den Lippen ge-
legen, denn schon hatte das
junge Mädchen das Zimmer
verlassen. Er schien durch
die Sonderbarkeit ihres Be-
nehmens nicht einmal über-
rascht. Mit einer brüsken
Bewegung wandte er sich
wieder gegen ihren Vater.
„Sie haben mich in ge-
schäftlicher Angelegenheit
sprechen wollen, und da Sie
mir bereits in Ihrem Briefe
mitgeteilt haben, um was
es sich handelt, können wir
es ja jetzt kurz machen. Sie
begreifen, daß mir der Kopf
nicht nach langen Ausein-
andersetzungen steht. Ich
hatte Ihre Wechsel nicht be-
geben und bin also in der
Lage, sie Ihnen gegen ent-
sprechende Valuta sofort
auszuhändigen. — Bitte —
da sind sie."
Burkhardt trat durch die
offene Tür in sein anstoßen-
des Arbeitszimmer und kehrte
sogleich zurück, einen läng-
lichen Papierstrelfen in der
Hand.
„Genügt Ihnen dieser
Scheck an Stelle der Zah-
lung, Herr Delmonte? —
Wären Sie erst am Mit-
tag gekommen, wie ich es
erwartet hatte, so würde ich
die Summe in barem Gelbe
bereit gehalten haben."

XXVUI. 1SW.
 
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