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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 43.1908

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Heft 19
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https://doi.org/10.11588/diglit.60739#0456
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Da5LuchfüsfM
sllustnette ^amilienreitung
19. liest. 1908.

Der lieiralrmaskl.
I^oman von stedcvig krlin.
(voNsetiung.) - -(Nachdruck oerboien.)
ellinghaus war in seine Wohnung zurückge-
Wll> Ein nüchternes, mäßig großes Zim-
iWü mer, das nichts von dem traulichen Behagen
RW» der weiten Gemächer seines zerstörten einsti-
gen Heims aufwies. Er fragte nichts danach.
Der einfachste Raum, der ihm nur genügend Ruhe
bot, seinen Studien obzuliegen, war ihm gerade gut
genug.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch, vor sich die
Kollegienhefte und daneben die wissenschaftlichen
Nachschlagebücher. Aber er war nicht wie sonst bei
der Sache. Das Wiedersehen mit Inge hatte die
Vergangenheit, von der er sich völlig gelöst zu haben
glaubte, wieder heraufbeschworen. Allerlei Bilder
zogen vor ihm hin und her und immer wieder sah

er das eine, grausige: die tote Sonja und daneben
mit den schreckverzerrten Zügen des belasteten Ge-
wissens die andere, die Lebende. Er hörte den
furchtbaren Schrei der Anklage, der in seiner eigenen
Brust ein verdammendes Echo fand.
Er stieß seinen Stuhl zurück, sprang auf und durch-
maß das Zimmer. Sein Gesicht war hart. Und
mochte Professor Lehrmann wahr gesprochen haben,
mochte Inge Sondegg in Kampf und Qualen ver-
sucht haben, ihres Gewissens Stimme zu ertöten,
mochte sie hinfort bis an ihres Lebens Ende Kranke
pflegen und Schmerzen lindern — so wenig wie
jemals Totes sich wieder ins Leben zurückzwingen
ließ, so wenig würde in ihm je wieder die Stimme
verklingen, die ihn einst weit von ihr geschoben hatte.
Die Lippen zusammengepreßt ließ er sich wieder
auf seinem Arbeitsplätze nieder, doch noch immer
gaben die Erinnerungen, die in das Einst hinab-
tauchten, ihn nicht frei. Die schlimmen Tage stiegen
wieder auf, als eines auf das andere kam, Verlust
auf Verlust — und dann die Stunde, da er die kleine

Summe in den Händen hielt, die er aus dem Zu-
sammenbruch sich noch gerettet, die sein alles war ,
der Grund, darauf seine fernere Existenz ruhte.
Leicht würde es ihm anfangs nicht, sich wieder ins
Studium hineinzufinden, als reifer Mann noch ein-
mal im Hörsaal zu sitzen. Aber er sah nicht rechts noch
links und zwang sich durch, erzwang sich die Achtung
seiner Mitstudierenden, wie er sich die Anerkennung
seiner Lehrer erzwang. Als ein besonderer Glücks-
fall aber mußte es ihm gelten, daß Professor Lehr-
mann, den er als Arzt wie als Menschen gleich hoch-
schätzte, ihm sein Interesse durch das Anerbieten
bewies, noch während er auf der Universität seine
Studien vollendete, in des Professors Klinik als
Assistent einzutreten, und er gedachte seine ganze
Fähigkeit daran zu setzen, sich dieses ehrenden Ver-
trauens würdig zu zeigen.
Fort waren mit einem Male all die vielfach wan-
dernden Gedanken, nur seines neuen Lebens Ziel
und Streben stand wieder vor ihm. Was kümmerte
es ihn, ob er hinfort öfters einer Pflegerin würde be-


phologi-aphieoMsg von w. N. ManssN L co. in 5ondon.

XIX N>08.

Niichkehr oom Kampfe. Nach einem SemZIde von 8. e. Waller (late Salerie). (5. 417)
 
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