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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 43.1908

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Heft 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.60739#0596
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varLuchfül-We
Wustliettestamilienreitung
25.6eft. 1908.

Vie heilige Pflicht
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lNachdmck oc^bolen.!

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it förmlicher Verbeugung zog Bruno
Wilberg seinen Hut, und er versagte
sich's sogar, die Hand, die Leonore
Burkhardt ihm zögernd gereicht, an
seine Lippen zu fübren.

Er wollte sprechen, aber Leonore kam ihm zuvor.

Wenn schon der ungewohnt weiche Ausdruck ihrer
schönen Züge den jungen Offizier fast fremdartig
angemutet hatte, so war ihm das wie von schwerer
Befangenheit erzeugte Beben ihrer sonst so klaren
und ruhigen Stimme vollends eine ganz neue Er-
scheinung.
„Ich habe mich bei Ihnen zu entschuldigen, Herr
Wilberg," sagte sie, „daß ich Sie trotz meines Ver-
sprechens so lange ohne eine Nachricht ließ. Aber
ich habe eine schwere Zeit durchlebt — eine Zeit
der Kämpfe und Zweifel. Sie müssen es verzeihlich
finden, daß ich diese Aussprache verschieben wollte,
bis ich mich zu voller Klarheit durchgerungeu
hatte."

Länger vermochte er jetzt nicht an sich zu halten.
„Alles will ich Ihnen verzeihen, Leonore — alles!

Ich weiß ja, daß Sie nicht sich selbst gehörten, daß
Sie sich durch hundert Rücksichten gebunden glaubten,
und wir wollen uns keine kostbare Minute rauben
lassen durch eine Erörterung dessen, was hinter uns
liegt. Auch ich habe inzwischen gekämpft, und auch
ich habe Klarheit geschaffen. Aber eine Klarheit,
die für uns nichts anderes bedeutet als den lang
ersehnten Sonnenschein des Glücks."
Er sah nur die erstaunte Frage, nicht das tödliche
Erschrecken in ihren Augen.
„Sind Sie denn gar nicht neugierig gewesen
auf die Mitteilung, die ich Ihnen angekündigt habe?"
fuhr er fort. „Oder hatten Sie wirklich schon alles
Vertrauen zu mir verloren? Ich gebe ja zu, daß
es ein wenig lange gedauert hat, aber —"
„Ich verstehe Sie nicht," fiel sie ihm ins Wort.
„Inwiefern hätte ich Ihnen vertrauen oder mein
Vertrauen verlieren sollen? Und was hat nach Ihrer
Meinung zu lange gedauert?"
Er hatte sich mit raschem Blick überzeugt, daß
niemand in der Nähe sei, und darum wagte er es,
sein Gesicht dem ihrigen ganz nahe zu bringen.
„Daß ich vor dich hintreten durfte, Leonore, mit
der Frage, die ich jetzt an dich richte: darf ich morgen
— darf ich noch heute bei deinem Vater um dich
werben?"
Sie war der Berührung seines Atems aus-
gewichen wie etwas Schrecklichem, das sie mit Furcht

erfüllte. „Um Gottes willen, was soll das be-
deuten? — Was haben Sie getan?"
„Ich habe mein Wort eingelöst, dich frei zu
machen und dich mir zu erringen. Die Schurken,
die dich so lange peinigen durften, haben keine
Macht mehr über dich, denn ich verfüge über die
Mittel, deinen Vater aus ihren Klauen zu erretten."
Noch immer nahm er die grenzenlose Bestürzung
auf ihrem Gesicht für nichts anderes als für den
Ausdruck einer Überraschung, die nicht sogleich die
ganze Größe eines plötzlich offenbarten Glückes zu
fassen vermag.
„Die Mittel?" wiederholte sie. „Ist es Geld,
wovon Sie sprechen? — Sie wollen mich mit Geld
auslösen?"
„Ein etwas bedenkliches Wort in solchem Zu-
sammenhänge!" entgegnete er. „Aber da wir doch
nur dies eine Mal davon sprechen werden, können
wir das Kind wohl beim rechten Namen nennen.
Mit schnödem Gelde wollten diese Halunken ihren
Sieg erringen, und mit schnödem Gelde müssen sie
darum auch in den Sand gestreckt werden."
„Sagen Sie mir eines, Leutnant Wilberg: Sie
haben sich an Ihren Vater gewendet?"
Für einen Moment war er in Versuchung, sie
der Einfachheit halber bei diesem Glauben zu lassen.
Dann aber behielt seine Ehrlichkeit doch den Sieg.
„Das ließ sich den Umständen nach nicht wohl tun.


XXV. IMS

vis Ltranddurg. Nach einem Semslde von v. Vemont-Nreton. (8. 549)
 
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