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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 43.1908

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Heft 23
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https://doi.org/10.11588/diglit.60739#0549
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VasLuchfülMe
ftlustnette ftamilielireikung
23. kiest. 1908.

Vie heilige Pflicht.
Roman von Oskar R. stillmar.
(forlseliung.) chachdrutk verdolen.)
ber Adelheid!" rief Wilberg lachend. „Du
brauchst doch heute nicht mehr über mei-
nen Sturz zu weinen. — Der Hund hat
mir ja auch nichts getan."
Aber die Witwe weinte weiter. „Es
war zu schrecklich, August!" schluchzte sie. „Wenn
er dich gebissen hätte, ich glaube, ich wäre auf der
Stelle gestorben."
„Na, umso besser, daß er sich's rechtzeitig über-
legt hat, denn es wäre wahrhaftig jammerschade,
wenn wir dadurch um unser heutiges gemütliches
Zusammensein gekommen wären. Damals war ich
ja sehr erstaunt, als der Köter angesichts meines
unfreiwilligen Turnkunststücks den Schwanz zwischen
die Hinterbeine klemmte und schleunigst hinter einem
Holzstoß verschwand, nachdem er sich eben noch wie
ein Verrückter gebärdet hatte. Heute aber würde
ich mich nicht mehr darüber wundern, denn die
Hunde sind wie die Menschen, und ich hab's inzwischen


oft genug erfahren, daß die nicht die gefährlichsten
sind, die am lautesten kläffen. Vielmehr muß man
sich vor den stillen Schleichern in acht nehmen, die
einem nach den Waden schnappen, wenn man am
wenigsten drauf gefaßt ist."
Frau Adelheids Tränen waren während seiner
tiefsinnigen Betrachtung versiegt. Sie hatte das
Taschentüchlein in den Arbeitsbeutel zurückbefördert
und wieder nach dem Häkelzeug gegriffen. Ihr
rundes Gesicht aber war ebenso rosig und heiter
wie vor dem plötzlichen Schmerzensausbruch ihrer
weichen Seele.
„Pfui, August!" sagte sie mit mildem Vorwurf.
„Man kann doch keinen Vergleich ziehen zwischen
menschlichen Wesen und unvernünftigen Tieren."
„Nee, eigentlich soll man's nicht," bestätigte ihr
Jugendfreund, „schon darum nicht, weil man den
unvernünftigen Tieren damit meistens schweres
Unrecht tut. Oder glaubst du, meine gute Adelheid,
daß ein junger Hund an einem alten jemals so
niederträchtig handeln könnte, wie meine leiblichen
Kinder an mir gehandelt haben?"
Damit war er glücklich wieder bei seinem Lieb-
lingsthema, von dem er sich durch nichts ans die
Dauer abbringen ließ.

Frau Adelheid hatte es ersichtlich aufgegeben,
die Fürsprecherin zu machen, aber als Wilberg mit
einem derben Scheltwort auch seines Sohnes Er-
wähnung tat, hielt sie es für ihre Menschenpflicht,
noch einmal eine Lanze zu seinen Gunsten zu brechen.
„Man darf mit einem jungen Offizier nicht so streng
ins Gericht gehen, August! Die Verführung ist
mächtig in der Welt, und die Jugend hat nicht die
Einsicht des Alters. Wir haben auch dumme Strefthe
gemacht, als wir jung waren."
„Seine dummen Streiche wollt' ich ihm ja auch
in Gottes Namen verzeihen. Aber daß er sich seines
Vaters geschämt hat — nein, das vergess' ich ihm
nicht! Würdest du dich vielleicht schämen, Adelheid,
mich auf der Straße zu grüßen?"
Die Registratorswitwe erhob die braunen Augen
mit einem zärtlichen Blick zu seinem geröteten Ge-
sicht. „Ich? — Ach nein! — Aber er hat es ja
auch sicherlich nicht so gemeint. Du kannst dich
darauf verlassen, August, daß er eines Tages kommen
wird, dich um Verzeihung zu bitten. Ich müßte
mich sehr in deinem guten Herzen getäuscht haben,
wenn du ihn bloß ans gekränkter Eitelkeit zurück-
weisen könntest."
Das Wort hatte ihn augenscheinlich getroffen.

vor der pariser vörse rur Mittagszeit. Vach einem SemZIde von s. Lefort. (8. 506)
 
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