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V.einhold OvtmMD


er Assessor Bernhard Detlefsen saß in Hemdärmeln
vor dem kleinen Schreibtisch aus Tannenholz, als sein
Freund und Wohnungsgenosse, der Rechtsanwalt Dok-
tor Walter Goswin, im schwarzen Besuchsanzug auf
der Schwelle erschien.
„Na, Alter, bist du noch nicht fertig? Ich denke, es ist die höchste
Zeit."
Detlefsen stand auf. In dem engen Zimmer wirkte seine große,
starkknochige Gestalt fast wie die eines Riesen. Ein schöner Mann
aber war er nicht. Die Bewegungen waren zu schwerfällig und die
Körperlinien zu eckig. Sein hartkantiges Gesicht hatte nichts Ge-


winnendes außer den in ruhiger Klarheit blickenden hellblauen
Augen und der mächtigen Stirn, die sich in edlem Umriß zu der
struppigen Haarfülle emporwölbte. Im ganzen schien er fast un-
geschlacht neben der vornehmen Schlankheit und dem feinen, durch-
geistigten Kopfe des wenig älteren Freundes.
„Ich hätte gerne noch etwas gearbeitet. Doch wenn du's so eilig
hast — meinetwegen!" Ohne Hast beendigte er vor dem gelblackierten
Kleiderschrank seinen Anzug. „So — ich bin bereit. Wenn du
willst, können wir gehen."
Als sie drunten auf der Straße nebeneinander her schritten, kam
Goswin auf die frühere Bemerkung des Assessors zurück. „Du
hättest lieber noch gearbeitet. Ja, gehst du denn neuerdings nicht
mehr gerne zu den Timäus? Hast du irgend was an ihnen auszu-
setzen?"
„Gewiß nicht. Der Präsident ist einer der verehrungswürdigsten
Menschen, die ich kenne."
„Und seine Damen stehen doch wohl kaum hinter ihm zurück.
Soll ich dir was gestehen, mein Alter? Solange ich Martha nur aus

Nach einer Radierung von Georg Jahn.
I. 1917.


Auf der Landebrücke.
 
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