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Am Ufer.

ander, weißt du, Richard, so wie es einmal sein wird, wenn die
Silbergratulanten kommen — kannst du dir das vorstellen und freust
du dich schon ein bißchen darauf?"
Sie saß vor ihm mit dem Strauß im Schoße. Er blieb lächelnd
stehen und hielt die Orchideen noch immer im Arm: „Mir gefällt's
heute besser. Ich kann mir gar nicht vorstellen, eine alte Dame da
sitzen zu seheu, statt meiner lustigen, reizenden kleinen Frau."
„Schmeichler. Du wackelst dann auch mit den: Kopf."
„Unsinn — mit zweiundfünfzig Jahren. Und dann schickt es sich,
daß ich Hedwig die Blumen an der Schwelle überreiche."
Mitten im Reden sprang sie auf und blieb im Zimmer stehen.
Wieder ertönte die Glocke und Rosa schrie draußen: „Gnädige Frau,
Frau Assessor ... da sind sie!"
Die Tür ging auf und Holst stand vor einem Kutscher, der mit
schwerem Koffer belastet
erschien. Im Flirr erklang
Hedwigs Stimme: „Links,
guter Mann, ins Schrank-
zimmer."
Der Mann mit dem
Koffer versperrte die Tür,
aber Agnes wußte Be-
scheid, sie lief auf einem
Umwege in den Flur, und
fiel dort der heimkehren-
den Freundin um den
Hals. Agnes hielt Hedwig
fest und küßte sie: „Gott
sei Dank, daß du da bist,
mir war schon bange nach
dir."
Während die Frauen
sich der ersten Freude des
Wiedersehens Hingaben,
begrüßten sich auch die
Männer.
Rosa erschien und mel-
dete, daß das Frühstück
gleich fertig sei.
„Hm, das duftet!"
meinte Pahlzow. „Endlich
wieder heimische Kost; ich
habe wahrhaftig Hunger."
Hedwig hatte noch kaum
etwas gesagt. Sie sah
glücklich und zufrieden aus,
aber doch anders wie Agnes
damals, als sie im August
von ihrer Hochzeitsreise
heimkam. Agnes Holst war
damals nicht müde gewor-
den, von den Reizen Salz-
burgs zu schwärmen, trotz-
dem es schlechtes Wetter ge-
wesen war. Hedwig kehrte
nach herrlichenHerbsttagen
aus der schönen Bergwelt
stiller zurück.
Lag wirklich noch Trauer
auf ihrer Seele? Stand
Tante Elwine doch ihrem
Herzen so nahe, die gütige

Müchtünäe
Boman von
FtrthurWinckler-DMnenöertz-
(Fortsetzung.)
war an einem Freitag im Oktober, als Rosa die letzte
s H^d an den Laub- und Blumengewindeschmuck der Flur¬
tür legte. Befriedigt sah sie sich das Werk ihrer Hände
an. In grünem Tannenreisig und bräunlichem Eichen¬
laub leuchteten rote, weiße und blaue Astern. Noch einmal durch-
wanderte sie alle Räume, die nur wenig verändert, doch festlich
aufgeputzt waren. Im Wohnzimmer stand auf dem gedeckten Früh-
stückstisch eine Vase mit
blaßfarbigen späten Rosen.
Die Hausglocke klang
hell und laut. Rosa er¬
schrak. Kamen sie jetzt
schon? Sie hatte geglaubt,
noch eine Viertelstunde Zeit
zu haben. Eilig rannte sie
zur Tür und öffnete. Die
Schatten eines Herrn und
einer Dame zeichneten sich
hinter der Milchglasscheibe
der Flurtür ab. Als sie öff¬
nete, standen Forstassessor
Holst und seine junge Frau
vor ihr. Beide trugen
Sträuße in der Hand. Er¬
brachte Orchideen und sic
dunkle Rosen.
Agnes betrachtete das
Blumengewinde: „Guten
Morgen, Rosa, da ist ja
schon der schönste Schmuck.
Wir kommen mit dem un¬
seren also zu spät."
Sie sah so vergnügt aus,
daß die Äußerung keinen
Vorwurf bedeutete, auch
fuhr sie gleich fort: „Tut
nichts, ein Liebesgruß mehr
bleibl immer willkommen.
Richard drücke die Orchi¬
deen nicht so an dich, sie
sind doch keine Buchen¬
kloben."
Und dann schlüpfte sie
an Rosa vorbei, die so hell
strahlte, wie ihre große,
weiße Latzschürze.
Alles ließ sie sich zei¬
gen, und alles fand sie
vortrefflich. Rosa hatte die
zierliche, liebenswürdige
Frau immer gern gehabt,
jetzt gewann sie ihr ganzes
Herz.
„So, nun setzen wir
uns aufs Sofa nebenein-
 
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