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(Fortsetzung.)

Im Trauerhause.

Professor Iungwirih.

daß ich verpflich-
tet bin, das Ver-
langen meines
Kindes zu ach-
ten."
„Aber die Ur-
sache ist doch of-
fenbar eine an-
dere. Man erhebt
irgend eine An-
klage gegen mich.
Und es wäre
gegen Recht und
Billigkeit, mich
zu verdammen,
ohne daß ich mich
auch nur hätte
verteidigen kön-
nen."
„Von einer
Anklage gegen
Sie hat Martha
mir nicht gespro-
chen. Allerdings
scheint sie der
Meinung zu sein,
daß Sie sich zu
der Tochter mei-
nes Freundes
Randolf stärker
hingezogen füh-
len, als es sich
mit Ihrem bis-
herigen Verhält-
nis zu meinem
Kinde vereinigen
lätzt."
„Und wenn
ich Ihnen nun
die Versicherung
gebe, datz dem
nicht so ist? Dast
meine Gefühle
für Martha nicht
die geringste Ver-
änderung erfah-
renhaben? Soll-
te das nicht ge-
nügen, mich von
jenem Verdacht
zu befreien?"
„Es mag sein,
daß Ihre Ge-
fühle sich nicht
geändert haben.
Aber es ist neben
ihnen möglicher-

gen. Er ist von recht unerfreulicher Art: meine Tochter hat den
Wunsch, ihr Verlöbnis mit Ihnen zu lösen."
Was auch immer er insgeheim gefürchtet haben mochte, darauf
war Goswin nicht vorbereitet. Es war keine Schauspielerei mehr,
als er in höchster Überraschung und Bestürzung auffuhr. „Das ist
unmöglich — das kann ja gar nicht sein. Womit hätte ich das ver-
schuldet?"
„Vielleicht tun wir besser, nicht nach einem Verschulden zu
suchen, wenn sich Marthas Wunsch besser und freundlicher mit der
Erkenntnis eines Herzensirrtums erklären lässt. Eines Irrtums auf
beiden Seiten. Die Bekanntschaft, die Ihrem Verlöbnis vorauf-
ging, war wohl zu kurz gewesen. Sie verstehen,

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ber Sie haben vermutlich den Wunsch, mit mir über Evas
l plötzliche Abreise zu sprechen," fuhr Timäus fort.
„Offen gestanden—nein. Wirklich nicht," erwiderte Goswin.
„Oder, um deutlicher zu sein, Sie wollen wohl über die Art
Ihrer Beziehungen zu dem jungen Mädchen mit mir sprechen."
„Auch dazu
sehe ich eigentlich
keinen Anlatz. Es
wäre denn, datz
ich mich gegen
irgend einen Vor¬
wurf verteidigen
soll. Und in die¬
sem Fall mützte
ich schon um et¬
was bestimmtere
Formulierung
bitten."
Es war kein
Zweifel: Eva
hatte irgend eine
unbegreifliche
Unklugheit be¬
gangen. Aber er
tappte vorläufig
noch im Dunkeln
und mutzte sich
vor jedem unvor¬
sichtigen Zuge¬
ständnis hüten.
Es wäre ein
leichtes gewesen,
wenn ihm Mar¬
tha als Ankläge¬
rin gegenüber¬
getreten wäre;
eine Auseinan¬
dersetzung mit
dem Präsiden¬
ten aber stellte
bei dessen ach¬
tunggebietender
Persönlichkeit
von vornherein
ganz andere An¬
forderungen an
seine Kaltblütig¬
keit und Geistes¬
gegenwart.
„Ich denke,
wir stehen hier
nicht in einem
Verhandlungs¬
zimmer," entgeg¬
nete Timäus sehr
ruhig. „Wenn
Sie mir nichts
zu sagen haben,
ist es an mir,
mich meinesAuf-
trageszu entledi-
V. 1917.
 
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