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Frühling am Gardasee.

von neuem be-
Sie hörten nicht
und sahen sich
plötzlich und ein
erstaunt Regina

Während Poldl sich nut einer Aufgabe plagte, sah Karl Virvald
sich im Zimmer um. Mit der dunklen Balkendecke und den kirsch-
hölzernen Empiremöbeln war es recht gemütlich.
An der Längsseite stand ein breitgestreiftes Sofa auf dünnen
Beinchen; seine übermäßig hohen Lehnen ließen kaum recht für eine
einzelne Person zwischen den dicken Polstern Platz. Niedere, runde
Lehnstühle mochten zu behaglicherem Sitzen einladen, wenn auf dem
alten Klavier ein schöner Lannerwalzer gespielt wurde. Die Ecke
gegenüber füllte genau ein Glasschränkchen, der heimliche Schrecken
Linas; denn die genaue Mutter erblickte jedes Stäubchen hinter den
blanken Scheiben. Die feinen Mullgardinen vor den Fenstern, von
Linas fleißiger Hand bestickt, wurden oft erneuert, denn der Vater
rauchte abends eine abscheulich qualmende Pfeife. Auf einem
Fenstertritt stand das Nähtischchen. Daneben hing der Vogelbauer
mit dem blinden Hänschen,
einem Kanarienvögelchen,
das nie einen Ton mehr
sang.
Wenn Lina aufblickte,
konnte sie gerade in das
schmale Gesicht des Stu-
denten Karl Biwald sehen.
Früher hatte sie öfters die
dunklen Augen aufgeschla-
gen, aber seit sie bemerkte,
daß der junge Lehrer
mitten im eifrigsten Kon-
jugieren und Deklinieren
noch Zeit fand, einen Blick
seiner feurigen Augen auf
sie zu werfen, schaute sie
selten mehr hin.
Eben war ihr der Mes-
singfingerhut entfallen, und
Herr Biwald bückte sich
danach. Als er sich auf-
richtete, streifte seine Hand
die des Mädchens. Beide
wurden so verwirrt, daß
Karl den Fingerhut wie-
der fallen ließ und das
Suchen
gann.
klopfen
deshalb
wenig
gegenüber und ihrem Gat-
ten, dem Doktor v. Can-
dussi. Die Mutter war
nicht daheim, so mußte
Lina den Besuch empfan-
gen. Der junge Student
kannte den Her-m Doktor,
wechselte ein paar Worte
mit ihm und entfernte sich.
Der Besuch nahm Platz.
„Fräulein v. Ciari, ich
habe einen herzlichen Gruß
von unserer crliära waman
zu überbringen, nut der
Bitte um Ihren baldig-
sten Besuch. Da mich mein

«Fortsetzung.)
ommer war es wieder. Am Hauptwachplatz stand schon
die Limonadenhütte, wo man sich für billiges Geld an Ge-
frorenem erquicken konnte.
-Der akademische Bürger und Hörer der Philosophie Karl
Biwald eilte daran vorüber in die Sporgasse hinein und sprang
die steilen Stufen eines Hauses hinan, schräg dem Lugeck gegenüber.
Dem Söhnchen Leopold des kaiserlichen und königlichen Liqui-
dators v. Ciari hatte er eine
Nachhilfestunde in Latein
zu geben. Der Poldl saß
schon lernend an dem Tisch
in der Wohnstube.
Trotz des Hellen Tages
floß nur gedämpftes Licht
durch die Scheiben. Die
hohen Häuser gegenüber¬
warfen ihre Schatten selbst
in die Vorderstube. In
denrückwärtigenZimmern
gab es jahraus jahrein das¬
selbe ungewisse Dämmer¬
licht, wie es die ungeschickte
Bauart der früheren Jahr¬
hunderte mit sich brachte.
Und doch schien dein
jungen Studenten das
Vorderzimmer im hellsten
Sonnenschein zu liegen,
wenn seines Zöglings er¬
wachsene Schwester Lina
über die Schwelle trat, um
sich nut einer Näharbeit
ans Fenster zu setzen.
Lina, die Freundin
Regina Dietelhausers, war
ein stilles Mädchen mit
regelmäßigen, hübschen
Zügen und leicht brünn-
licherHautfarbe. Stammte
doch ihr Vater aus einem
alten italienischen Adels¬
geschlecht, das, im Vater¬
lande verarmt, sich in der
billigen Steiermark an¬
sässig gemacht hatte. Seit
zwei Jahrhunderten dien¬
ten seine Sprossen dein
österreichischen Staate als
treue Beamte. Nur die
dunklere Haut, das krause
Haar und die schwarzen
Augen der beiden Kinder
des Herrn v. Ciari erinner¬
ten noch sichtlich an des¬
sen südliche Abstammung.

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Vornan aus der Steiermark umZ8Z0
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XVII. 1917.
 
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