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Meinung. Derr alten Heidebauern hätte

vornan
"von Friedrich Jacobsen

blicken ging sie bewußt auf ihr Ziel los: „Sie sind der wegen
Mord verurteilte Matrose Niels Bagge?"
„Das hat seine Richtigkeit, Mamsell."
„In der Fremdenlegion diente ein junger Mann mit Ihnen,
Arel Barloff?"
„Arel — ja, das stimmt."
„Vor einigen Monaten trafen Sie ihn wieder?"
Bagge schwieg.
„Sie schenkten ihm eine Tabakspfeife?"
„Ein Narr müßt' ich sein, wenn ich das getan hätte!"
„Nein," sagte Hortense hastig, „ich irre mich. Arel nahm Ihnen
die Pfeife mit Gewalt ab — oben auf dem Heuboden — er war
stärker als Sie! So war es doch?"
Niels Bagge richtete sich zornig auf: „Was? Stärker als ich?
Hinterrücks nahm er sie mir weg, so war's, das ist die Wahrheit!"
Der Beamte, der das Gespräch mit anhörte, sah Hortense an;
er kannte den Sachverhalt und nickte befriedigt. Was den Richtern
nicht möglich gewesen
war, herauszubringen,
entlockte nun weibliche
Schlauheit der brutalen
Kraft.
Hortense änderte den
Ton: „Es ist feig, mit
einer Lüge aus der Welt
zu gehen! Ihnen nützt
keine Vertuschung der
Wahrheit mehr, aber
ein anderer wird für sein
Leben gezeichnet sein,
ein Mensch, der nichts
verbrochen hat; das ist
feig, Niels Bagge..."
Er sah sie mit zusam-
mengezogenen Brauen
an und zog verächtlich
die Lippen: „Ist er Ihr
Schatz, Mamsellchen?"
„Ja," sagte sie und
flammendes Rot über-
zog ihr Gesicht.
Am gleichen Tag ließ
Niels Bagge sich vor-
führen und gab mit
kurzen Worten zu, daß
er den Mord allein be-
gangen habe.
Dies Geständnis wurde
der Staatsanwaltschaft
in Berlin übermittelt
und die Behörde beeilte
sich, den begangenen
Irrtum zu sühnen. Arel
wurde eine Entschädi-
gung für unschuldig er-
littene Untersuchungs-
haft gewährt, die ihn
aus der ersten Not be-
freite. Sein Schicksal
sollte noch eine andere
Wendung nehmen. Arel
war nach Vollendung

^Fortsetzung.»
Geschworenen hatten entschieden, daß Niels Bagge
sterben müsse. Die Ermordung des Hamburger Kapi-
täns war vor das Hanseatengericht gekommen, und das
das in der Lüneburger Heide geschehen war,
ckm mit zum Spruch.
Zu seiner Verteidigung suchte Niels Bagge vorzubringen, daß
es ihm um den Kapitän nicht leid sei; als Leuteschinder sei er be-
kannt genug gewesen und gehörte längst über Bord. Dann sei
es ja auch durchs Los bestimmt worden; dagegen wäre nichts ein-
zuwenden nach seiner
er gerne leben lassen,
aber er sei ohne Geld
auf wunden Füßen ge¬
laufen, darum habe er
ihm auch die Strümpfe
genommen. Von der
Pfeife wisse er nichts;
die müsse ein anderer
weggetan haben; auch
wenn es ihm noch so
schlecht gegangen fei,
eigenes Rauchzeug fehle
nie in seiner Tasche.
Das half ihm nichts.
Wenn er die Tat wirk¬
lich mit einem Genossen
begangen hatte, seine
Schuld wurde darum
nicht geringer. Niels
Bagge hörte das Urteil
gelassen an und ver¬
zichtete auf das Rechts¬
mittel der Revision.
Was Zuchthaus bedeute,
wisse er von der Zeit
seines Dienstes in der
Fremdenlegion; ihm
wäre es lieber, zu wis¬
sen, daß es um den
Kopf ginge. Es sei
besser so, als ihn sich
im Gefängnis über alles
mögliche zu zerbrechen.
Während der Wochen,
die über die Entschei¬
dung des Senats ver¬
strichen, wurde Niels
eines Tages in das
Sprechzimmer geführt
und fand dort ein schö¬
nes, schwarzgekleidetes
Mädchen, das ihn scheu
musterte.
Es war Hortense.
Nach kurzen Augen-
 
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