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inige Wochen später reiste Karl nach Schiech Eppeusteiu
in die südliche Steiermark. Hier war es schon voller Früh-
ling. Prachtvoll zog sich der Park um das Schloß bis zur
Drau hinab. In diesen zartbelaubten Gängen mochte es
sich wundervoll träumen und an die ferne Geliebte schreiben lassen.
Karls Zögling, der junge Graf, war ein stiller, lerneifriger Knabe,
die kleine Komtesse ein herziges Mädchen, das von einer Erzieherin,
Demoiselle Margerite, in die Künste des Abece eingeweiht wurde
und Französisch parlieren lernte. Fräulein Margerite Duvois, trotz
ihrer gallischen Abstammung eine herrliche Walkürengestalt, war als
Tochter eines französischen Emigranten in Wien geboren und bei den
Nonnen des heiligen Franz v. Sales erzogen worden. Sie blickte
mit offenbarer Geringschätzung auf den ungeschickten, etwas hageren
Gelehrten; sie waren sich jedenfalls beide noch nicht näher gekommen,
als ihr eröffnet wurde, daß sie die Gräfin und die kleine Komtesse
für den Sommer in einen steirischen Kurort zu begleiten habe.
Nach ihrer Rückkehr verreiste das gräfliche Ehepaar wieder, dies-
mal allein, und die beiden Kinder blieben unter der Obhut ihrer Er-


zieher zurück. Nun knüpfte Margerite manchmal längere Unter-
haltungen mit dem Hofmeister an. Sie war witzig und schlagfertig
und wußte ihre Meinung mit leidenschaftlichem Eifer zu verfechten.
Der junge Philologe kannte die Gattung Weib bisher eigentlich
nur in der Gestalt seiner sanften, gütigen Mutter, die ein stilles
Witwendasein in Graz führte, und seiner ebenso sanften, lieblichen
Lina. Bon ihr empfing er mit tiefem Glücksgefühl häufige Briefe,
die er mit Eifer beantwortete. Und doch mußte er siclsts bald
gestehen, daß es ihm seltsam behagte, mit der blonden, königlich
gebauten Demoiselle zu plaudern.
Tiefer Winter war es geworden. Als er einmal bei einem
Spaziergang im verschneiten Schloßpark dem Fräulein mit der kleinen
Komtesse begegnete, gingen sie eine Weile nebeneinander und be-
schlossen, von nun an gemeinschaftlich diese kurzen Wege zu gehen.
Dabei blieb das Kleid Margeritens einmal an einer Brombeer-
ranke hängen. Ritterlich mühte sich Karl, es zu befreien. Da über-
lief ihn bei Berührung des Rocksaumes ein so sonderbarer Schauer,
daß er abeuds noch stundenlang darüber nachsann. Nie vorher,
selbst nicht bei den Küssen Linas, war es so gewesen.
Seit einigen Tagen schneite es, und inan war nun noch mehr
aufeinander angewiesen. Man aß gemeinsam mit den Kindern,
und die ältliche Mamsell Müllerin nahm auf Anordnung der Frau
Gräfin an den Mahlzeiten teil.
Die feine, gute Kost uud abends das Glas alten Weines taten
dem jungen Präzeptor gut. Seine Gestalt wurde kräftiger, seine

Im Hühnerhof.


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