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Flüchtlinge
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pielmann hatte Hilde Berchthold diesmal wenigstens nicht
von sich gewiesen, wie damals, als sie ihm die Beeren
gebracht hatte. Sinnend blieb sie im Grase sitzen. Was
war es eigentlich, daß sie sich um den dreißig oder mehr
Jahre älteren, zermürbten, ergrauten Mann kümmerte? Dies Mit-
leid konnte doch nicht Liebe sein. Hilde Berchthold sah den Dingen
unerschrocken ins Gesicht. Gespenster gab es für sie nicht; am wenig-
sten in ihrer eigenen Seele. Daß Liebe in Mitleid begann, war ihr
kein fremder Gedanke. Sie hatte genug vom Leben gesehen und


mehr noch gehört, auf ihrer tapferen Wanderung in Selbständigkeit.
Nein, dieses Mitgefühl hatte mit Liebe nichts gemein, ihr Mitleid
galt einem Unglücke, das sie noch nicht begriff, das ihr darum rätsel-
haft blieb. Das war alles. In dieser beruhigenden Gewißheit ging sie
heim, kein Schlag ihres Herzens ging schneller, kein Gedanke ihres
Hirns sann irgend einem heimlichen Glückessehnen nach. Aber eine
stillkeimende Freude erfüllte sie doch. Sie glaubte einen Schlüssel
gefunden zu haben für diese verschlossene Natur: die Musik.
Sie häufte Beeren in den Korb. Arbeit, Arbeit und sei es die
untergeordnetste, war es, was sie brauchte, um sich zu finden. Ob
es nicht auch für ihn gut sein würde, wenn er eine Arbeit fände?
Wieder umkreisten ihre Gedanken den rätselhaften Mann.
Daheim sah sie ihn nicht mehr, aber eine Neuigkeit empfing
sie, eine, die das ganze Städtchen bewegte und die ihre Wellen
auch bis in das Flüchtlingshaus schlug.
Am Marktplatz, im besten Gasthof des Ortes, dem „Goldenen

Nach einem Gemälde von Ferdinand Roihbart. Oer Druck des ersten deutschen Buches zu Bamberg im Jahre I46ck.


XXV. 1917.
 
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