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Fortsetzung.)
ls Barloff zu seiner Frau zurück kam, kauerte Inge noch
in der Sofaecke. Sie hatte die Haare wieder aufgelöst
und sich wie in einen Mantel hineingewickelt. Paul war
zu erregt, um darauf zu achten; er wanderte wiederholt

durchs Zimmer.
Draußen flamm-
te ein Blitzschlag
auf, der den
Raum sekunden-
lang grell er-
leuchtete. Un-
mittelbar folgte
ein erschüttern-
der Donner. Als
das Grollen ver-
ebbte, blieb Paul
vor seiner Frau
stehen und fragte:
„Inge was
denkst du. Sollte
die Frau verun-
glückt sein?"
„Vom Blitz
getroffen, meinst
du? Nein. Sie
ist weggelaufen."
„Von ihrem
Mann und dem
eigenen Kind?"
„Oh," sagte
Inge, „ihr liegt
nichts an ihm
und noch weni-
ger an dem Kind.
Sie wollte es ja
auch nicht. Sol-
chen Müttern
fällt es nicht
schwer, ein Kind
seinem Schicksal
zu überlassen.
Wir müssen die
kleine Hortense
zu uns nehmen.
Bei ihrem Vater-
kann sie nicht
bleiben. Erwür-

AMWütterSimöen.
d)on Friedrich Jacobsen

unmögliche Verhältnis zu lösen. Das Kind erwähnte sie mit keinem
Wort.
Asmus Lund lehnte es ab, eine Scheidungsklage einzuleiten,
obwohl ihm Paul dazu riet; er dachte nicht daran, wieder zu heiraten.
Wiederholt sagte er: „Wenn leibliche Mütter so unnatürlich handeln,
was soll man von einer Stiefmutter erwarten?"
Aussicht bestand, daß sich sein Leben bald anders gestalten würde.
Sein Werk war erschienen und fand in der wissenschaftlichen Welt
Beachtung; eine außerordentliche Professur wurde ihm von Berlin
angeboten. Diesmal folgte er Pauls Zureden, obwohl ihm ein
Ruf an eine kleine Universität mehr nach dem Sinn gewesen wäre.
Der besonnenere
Freund warnte
ihn vor dem
bloßen Gedanken
an eine kleinere
Universitätsstadt;
er sagte: „Deine
Diogenesnatur
würde dir eine
sehr üble Lage
schaffen. Du
kannst nicht mit
dem Strom
schwimmen und
würdest es bald
an deinem Ein-
kommen spüren.
Auch die kleine
Hortense kannst
du nicht bei dir
behalten; schon
des Kindes we-
gen darfst du gar
nicht daran den-
ken. Wirnehmen
dieKleinezuuns
und erziehen sie
mit Arel; Inge
ist damit ein-
verstanden."
So ging As-
mus Lund nach
Berlin und mie-
tete sich eine Hof-
wohnung; Ga-
brieles Kind blieb
bei Barloffs.
Seitdem Lund
aus der Stadt
war, fühlte sich
Paul vereinsamt;
das Kneipen-
leben seinerUm-

de sie über sei¬
nen Studien und
Büchern vergessen, und ich könnte es ihm nicht einmal verargen."
Die Ehegatten sahen sich bedeutsam an; sie verstanden sich.
Paul schwieg, und Inge ging aus dem Zimmer.
Nach einigen Tagen erhielt Lund einen Brief von Gabriele.
Zeit- und Ortsangabe fehlten; aber der Poststempel gab Aufschluß,
daß die Nachricht aus Paris kam. Sie schrieb ohne jede gallische
Phrase, daß ihre zweite Ehe ein nicht weniger großer Irrtum wie
die erste gewesen sei. Sie habe sich darum kurz entschlossen, das

gebung behagte
ihm nicht, und
die Häuslichkeit wurde durch Inges immer eigentümlicher werdendes
Gebaren verdüstert. Die schöne Frau hatte das dreißigste Lebens-
jahr überschritten und stand in der Vollblüte ihrer Tage, aber
ihre Gewohnheiten änderten sich immer auffälliger. Sie kümmerte
sich nicht mehr um ihr Pferd und bevorzugte in plötzlicher Laune
weiße Gewänder. Paul sagte spottend, sie gefiele sich in einem Welt-
schmerz, zu dem ihr jede Veranlassung fehlte.
Sie wurde fromm. Allerdings nicht im kirchlichen Sinn: sie

Im großen Graben von Deutsch-Osiafrika.
 
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