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Vomcm aus der Steiermark um^8Z0
^ouAnnaWittula-
er Diener Andreas brachte die silberne Platte mit dem
Madeirawein und den Vanillescheiben in das Besuchs-
zimmer.
_ _Die Hofrätin v. Candussi schenkte den duftenden Trant
ein. Ihre noch immer schöne, wohlgepflegte Hand stieß an das Glas
des Gubernialrates v. Finkenstein. „Auf Ihr Wohl, mein Lieber!"
Artig erhob sich der vornehm aussehende Herr. votro don-
bour und auf das Ihres lieben Kornel!"
Frau v. Candussi führte das feine Batisttüchelchen an die
Lippen, leise hüstelnd, als wenn sie sich verschluckt hätte. „Ach ja
— mein Kornel! Wissen Sie, mein lieber Finkenstein, daß er mir
Verdruß zu machen beginnt?"
„Oh, was Gnädige sagen! Ihr Kornel? Das Muster eines Sohnes,
Archäolog und Doktor der
Philosophie, der außer seiner
gnädigen Frau Mama nur
die Wissenschaften liebt?"
„Ja, eben der. Mein
lieber Freund — Kornel ist
verliebt."
„Nun? Hat sich die gnä¬
dige Frau nicht schon dft dar¬
über beklagt, daß ihr Gold¬
sohn die Damengesellschaften
zu wenig goutiere, daß das
schöne Geschlecht keine At¬
traktion für ihn besitze?"
„Gewiß habe ich das, denn
ich wünsche mir sehnlichst eine
Schwiegertochter. Es kommt
nächstens Kornels fünfund-
dreißigster — sage sein fünf-
unddreißigster Geburtstag.
Und wenn einer der Herren
Gelehrten die Überfuhr ver¬
säumt — ich meine das drei¬
ßigste Jahr — dann will kei¬
ner mehr in die Ehe hinein¬
springen; es sei denn, er würde
von fürsorglichen Frauenhän¬
den mit ein wenig Gewalt
hineingedrängt."
„Haha." Der Gubernial-
rat lächelte taktvoll. „Gnä¬
digste werden doch dieses
Hineindrängen nicht selbst
besorgen wollen?"
„Ach nein, im Gegen¬
teil! Zurückhalten möchte
ich ihn, denn — Kornel will
heiraten."
„Ah, in der Tat?"
„In der Tat. Aber was
glaubt mein lieber Freund,
wen er sich wählen will?"

„Nun, jedenfalls ein Mädchen aus der Gesellschaft, hübsch, häus-
lich, gebildet."
Ungehalten und schrill klang das Lachen der Hofrätin vor der
eigentümlich betonten Antwort: „Die Regerl!"
„Die Regerl? Wer ist denn das?"
„Mein Patenkind Regina. Von der Hofgasse, des Bäckermeisters
Dietelhauser einziges Kind."
„Ich verstehe. Das schönste Mädchen unserer an hübschen Mädchen
gewiß nicht armen Grätzerstadt — und vielleicht auch noch das
reichste."
„Aber nicht aus der Gesellschaft. Wenn man auch nicht gerade
von einer Mesalliance sprechen kann, so ist doch die Regina keine
Geborne."
„Was tut das? Wenn sie nur brav ist. Meine gnädige Freundin
scheint vergessen zu haben, daß meine Frau auch nur das Kind
eines bürgerlichen Sattlermeisters vom Jakominigrund ist. Aber
wer könnte behaupten, daß die Gubernialrätin v. Finkenstein nicht
weiß, was sich schickt, oder ihre Töchter nicht oomuio 11 kaut er-
zieht?"
Die Hofrätin war rot geworden. „Oh, Ihre liebe Frau ist meine
geschätzteste Freundin."
Herr v. Finkenstein ver-
neigte sich: „Wir wissen diese
Freundschaft zu würdigen."
„Die Regerl," fuhr die Hof-
rätin fort, „ist ja ein sehr
schönes Mädchen, auch wohl-
erzogen. Ihre Tante, die
Chorfrau Mater Kordula bei
den ehrwürdigen Ursulinerin-
nen im Mittleren Sack unten,
hat sich alle Mühe gegeben,
das lebhafte Dingelchen zu
zähmen. Für eine zukünf-
tige Bäckermeisterin wäre ihre
Bildung ja hervorragend zu
nennen. Aber — für meinen
Sohn?"
Die Hofrätin schenkte dem
Gubernialrat noch einmal das
Spitzgläschen voll, trotzdem
er abwehrend den Finger
hob. Dann setzte sie sich und
spielte mechanisch mit den
feinen Spitzenbarben unter
dem Kinn.
Der Gubernialrat nippte.
„Apropos, hat der Herr Sohn
schon um die Demoiselle Die-
telhauser angehalten?"
„Aber das ist es ja eben.
Kein Wort hat Kornel noch
darüber gesprochen. Lieb-
wertester Freund kennen ja
meinen Buben. Schon als
Kind hat er nie einen Wunsch
geäußert. Immer habe ich
zu seinen Festtagen erraten
müssen, was er geschenkt
haben will."
„Aber verzeihen, wie wis-
sen Gnädige denn, daß —"

Generalfeldmarschall Conrad von Höhendorf.

XVI. 1917.
 
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