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NasBurhfüvAlls

Höft 2

und in der gewählten Ausdrucksweise des gebildeten Mannes, er-
folgten die Antworten des Gefragten. Er bezeichnete sich als den
ehemaligen Medizinstudierenden Erich Helmolt, Sohn eines ver-
storbenen Musikdirektors, fünfundzwanzig Jahre alt und unbestraft.
Auf die Frage, ob er sich der ihm zur Last gelegten Straftat, näm-
lich der vorsätzlichen Tötung des praktischen Arztes Doktor Ludwig
Burkhardt, schuldig bekenne, erwiderte er: „Im Sinne der An-
klageschrift — nein."
„Was soll das Heiszen? Wollen Sie damit etwa sagen, dasz
nur die in der Anklage enthaltene Darstellung des Herganges un-
richtig ist? Wie? Und wollen Sie im übrigen zugeben, auf den
Doktor Burkhardt in seiner Wohnung geschossen zu haben?"

nicht, als ob er sich auf seine Darstellung vorbereitet hätte; aber es
war unverkennbar, das vieles von dem, was er sagte, nicht aus der
Eingebung des Augenblicks, sondern aus voraufgegangenen grüb-
lerischen Erwägungen flofz. Mit der schlicht erzählten Geschichte
einer Kinderfreundschaft fing er an; er kannte Marianne Wüllner,
die Witwe des Doktor Burkhardt, schor: seit den Tagen seiner
frühen Jugend. Sie waren Nachbarskinder und unzertrennliche
Spielgefährten gewesen. Ein volles Jahr, während der letzten
Krankheit seines Vaters, hatte Helmolt sogar ganz in: Elternhaus
Mariannens verlebt. Dann hatten äußere Verhältnisse sie wohl
zeitweilig getrennt; immer aber hatten Zufall oder eigenes Bemühen
sie wieder zusammengeführt, so daß ihr Verkehr eigentlich nie


Franz Eichhorsi.
„Nein, das habe ich nicht getan. Inwiefern aber meine letzte
Unterredung mit ihm von Einfluß war auf das, was weiter geschah,
kann ich nicht wissen. Daß ich dadurch mittelbar seinen Tod veran-
laßt haben könnte, will ich nicht bestreiten."
„Darum handelt er sich zunächst nicht. Sie bleiben also dabei,
die Tötung in Abrede zu stellen. Erzählen Sie uns, welcher Art
Ihre Beziehungen zu dem Ehepaar Burkhardt waren — wie sie
entstanden und wie sie sich unmittelbar vor dem Tode Burkhardts
gestaltet hatten."
Helmolt folgte der Aufforderung nicht sogleich. Man sah an dem
gesteigerten Zucken seiner Gesichtsmuskeln, daß er gegen eine nervöse
Unsicherheit oder Schwäche kämpfte. Seine schmalen, bleichen Hände
klammerten sich fester um den Rand der Brüstung, hinter der er
stand. Dann begann er zu sprechen — leise und stockend zuerst, all-
gemach aber in immer gleichmäßigerem Fluß der Rede. Es klang

Lauern im Sommergarten.
länger unterbrochen war. Solange Mariannens Mutter lebte, hatte
der frühzeitig elternlos gewordene Helmolt in ihr eine freundliche
Führerin und Beraterin gehabt, eine sichere Zuflucht in allen Wirr-
nissen seiner ersten Jünglingsiahre. Dann, als auch sie dahinge-
gangen, war die verwaiste, mit siebzehn Jahren ganz auf sich selbst
gestellte Marianne mehr und mehr an ihre Stelle getreten. Sie war
um sechs Monate jünger als Helmolt; aber er war sicherlich nie der
überlegene Teil in dem Freundschaftsbunde gewesen.
„Sie war mir wie eine um zehn Jahre ältere Schwester," sagte
er. „Sie ersetzte mir Vater und Mutter, Lehrer und Freunde. Ich
hätte mich kaum noch im Leben zurechtgefunden ohne sie."
Hier schien es dem Vorsitzenden angezeigt, die Rede des Ange-
klagten zu unterbrechen. „Mit anderen Worten: aus der Kinder-
freundschaft war mittlerweile ein Liebesverhältnis geworden?"
„Nein. So konnte man es ganz gewiß nicht nennen." (Forts.folgt..
 
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