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DasBuchsüvAlls
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gedacht, den ich für das Regiment ,Rainer' aufgespart hatte. Ein
Todesreiten —"
„Exzellenz, meine braven Leute werden's machen."
Der Divisionskornmandant reichte dem Oberst die Hand. „Reiten
Sie mit Gott!"
„Für unserer: allergnädigsten Kaiser!"
Ein Aufatmen durchflog die Reihen der Offiziere, als Oberst
Riegler den Säbel aus der Scheide ritz. Das Signal zum Aufsitzen
und Antraben erklang. Rittmeister Frigyes Szanto, „der schöne
Szanto", setzte sich mit einem Zug seiner Schwadron an die Spitze.
Ziel- und Wegaufklärer stieben im Galopp vor, ihnen voraus Ad-
jutant Matula.
Beim Regimentsstab, dicht neben seinem Landsmann Bela
Keresztes, reitet Graf Nik Prochazka. Die Worte des Obersten
klingen und singen ihm noch in den Ohren und übertönen das Brüllen
der Geschütze. Alle fühlen, wie es im Reiterlied des gefallenen
Kameraden heitzt: „Sterb' ich in Polen? — Was liegt daran! Eh'
sie meine Seele holen, kämpf' ich als Reitersmann!" Immer schwirrt
ihm die Weise voran, während er mit blankem Säbel hinter dem
geliebten Oberst reitet. Rascher und froher schlägt das Herz. Geht
es denen, die hinter ihm
traben, wohl anders? Er
sieht sich um und stimmt an:
„Drüben am Ackerrain
Schreien zwei Raben.
Werd' ich der erste sein,
Den sie begraben?
Was ist dabei?
Viel hunderttausend traben
In Ostreichs Reiterei —
Viel hunderttausend traben
In Ostreichs Reiterei ...!"
Keiner ist im Regiment
„Rainer", den Bangen
überkommt. Ob Graf oder
Bauernbursch, alle durch¬
rieselt heiliger Schauer.
Das Regiment über¬
quert in schräger Linie die
Böschung und im ruhigen,
taktmätzigen Trabe rücken
sie vor, als gälte es nichts,
als eine Exerzierbewegung
in der Garnison auszu¬
führen, als wäre das Don¬
nern der Geschütze nichts,
als einKriegsspielzum Ge¬
plänkel des Manövers — in breiter Front umschwenken sie die Flanke
des Gegners. Einer wie der andere sind sie frohester Zuversicht voll.
„El/ sie meine Seele holen,
Kämpf' ich als Reitersmann!"
Mit weithinschallendem Hurra ging ein preutzisches Bataillon
zum Sturm.
Stärker und immer stärker schwoll der Geschützdonner an. Er
brach sich an Bergwänden, im Wald, in den Schluchten. Granaten
furchten die Luft zu Häupten der Stürmenden und wühlten Fetzen
aus dem Ackerland. Adjutant Matula galoppierte zurück: „Hinterm
rechten Flügel der russischen Batterien hält Kavalleriebedeckung,
Herr Oberst!"
Oberst Riegler schlägt mit dem flachen Säbel auf seinen Sattel.
„Also doch! Das hofft' ich! Jungens —!" Steil wendet er
sich im Bügel über die Kruppe seines Rappen zurück — einen
Augenblick finden sich Vater und Sohn im Blick: „Jungens!
Es lebe Ungarn! Gott schütze den Kaiser! Regiment — Galopp
marsch!"
Deutlich sieht man, wie man drüben zum Angriff ansetzt,- den
Signalen der Honvedhusaren gellen von drüben die russischen Hörner
entgegen. Tausend Hufe fliegen über den dröhnenden Wiesenboden.
Nochmal schrillt des Obersten scharfes Kommandowort: „Marsch
— marsch!"
Vorwärts fliegen die Reihen der Husaren. Nik Prochazka stürmt
in der Linie der Wegaufklärer. Seine Wangen glühen.
„Fall' ich am Donaustrand?
Sterb' ich in Polen?
Was liegt daran!
Eh' sie meine Seele holen,
Kämpf' ich als Reitersmann!"
Wem gilt's? Wer wird fallen? Mit blitzenden Säbeln branden
die blaugrauen Reiter dahin. Keine zweihundert Schritt — keine
hundert mehr trennen sie vom Feind, den Kerls mit den Bären-
mützen, die, heranjagend, wilde Schreie ausstotzen.
Auf Tod und Leben stotzen die Reihen ineinander; blitzschnell
wandelt sich das Bild der aufeinanderprallenden Massen in tobendes,
unentwirrbares Durcheinander. Rosse und Reiter wälzen sich am
Boden. Kurze, rauhe Schreie ausstotzend, hauen die Kosaken um
sich. In das Niedersausen der Pallasche mischt sich Pistolenknall und
das Krachen von Karabinern. Wer heruntergerissen und noch be-
wegungsfähig ist, zielt über den Kopf seines sich bäumenden, um
sich schlagenden Pferdes weg. Aber Blutende, über zerfetzte Körper
setzen die Hufe der angstbetäubten Gäule, sie brechen aus, Hetzen
durcheinander. Gräßliche Flüche, und Todesschreie, Wimmern und
Winseln übertönen das Krachen, Splittern und Losschlagen. Alles
übertönt das Eljenrufen
der ungarischen Reiter,
das wild anschwillt und
die Beherzten vorwärts-
recht. Ums Leben geht's,
um den Sieg. Hoch hebt
sich Oberst Rieglers Ge-
stalt im Sattel, sein Dol-
man flattert im Wind,
barhäuptig recht er fei-
nen Rappen herum und
schwingt den Pallasch. Nie
in seinem Leben wird Nik
Prochazka dies Bild ver-
gessen. Er denkt nicht
mehr, daß Tod und Leben
in der Wagschale schwan-
ken, verstummt ist das
Brausen der Melodie in
seinen Ohren, unterge-
gangen in der großen Mu-
sik des gewaltigen Ringens
Mann wider Mann. Jur
Stahle allein klingt die
Seele des Reiters.
Kameraden schießen an
ihm vorbei. Er sieht und erkennt sie. Matula, der Adjutant ist's
und Frigyes Szanto, der schöne Rittmeister, ein paar bärtige Ge-
sellen folgen — ah, das ist Leutnant Riegler, des Obersten Ältester!
Wie er seinem Vater gleicht, wie die Dolmans wehen! Sie über-
holen ihn, ihr Eljen braust durch die Luft. Klingen sieht er aufblitzen.
Und immer mehr drängen rechts und links an ihm vorüber ... ein
ganzer Zug stampfender, wiehernder Rosse ... dann ist das Knäuel
fort... alle, alle. — Gott im Himmel! Ist er denn allein zurück-
geblieben? Durch rotwogenden Nebel sieht er alles um sich. — Was
soll das? Er kann nicht schreien. Sein Arm! Schwer wie Blei,
unbeweglich. Jäher Schmerz läßt ihn die Hand, der die Zügel
entglitten sind, heraufreißen. Heiß und naß sinkt sie zurück. Vorn-
überstürzend hört er das Eljen, nur das Eljenrufen noch ...
Ein Kamerad reitet heran. Gerade recht, um den vom Sattel
sinkenden Offizier aufzufangen. Wie ein Kind nahm er ihn und
trug ihn zur Seite: „Jesus, der Leutnant! Was ist's, Bsla?"
„Wir haben gesiegt," ruft einer von den nachfolgenden berittenen
Ambulanzen. Die Kosaken stieben auf ihre eigenen Batterien zu;
ihr Feuer verstummt, Schnellfeuer eines preußischen Flügelbataillons
mäht sie in Haufen nieder.
Bsla Keresztes nestelt den Attila des Herrn auf. Seine braune
Hand tastet über des Grafen Brust. Das Herz zuckt; der junge
Leutnant lebt. Bela erschrickt. Ah — da haben sie's ihm ge-
geben! Ein Stich — kaum zu sehen, ganz winzig nur. Da springt
das rote Blut und läuft die Hüfte entlang. Ambulanzen kommen
heran. «Fortsetzung folgt.)
Phot. W. Presse-Zentrale, Derltn.
(Lin von österreichisch-ungarischen Truppen eroberter schwerer italienischer 2S-cm-Mörser.
DasBuchsüvAlls
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gedacht, den ich für das Regiment ,Rainer' aufgespart hatte. Ein
Todesreiten —"
„Exzellenz, meine braven Leute werden's machen."
Der Divisionskornmandant reichte dem Oberst die Hand. „Reiten
Sie mit Gott!"
„Für unserer: allergnädigsten Kaiser!"
Ein Aufatmen durchflog die Reihen der Offiziere, als Oberst
Riegler den Säbel aus der Scheide ritz. Das Signal zum Aufsitzen
und Antraben erklang. Rittmeister Frigyes Szanto, „der schöne
Szanto", setzte sich mit einem Zug seiner Schwadron an die Spitze.
Ziel- und Wegaufklärer stieben im Galopp vor, ihnen voraus Ad-
jutant Matula.
Beim Regimentsstab, dicht neben seinem Landsmann Bela
Keresztes, reitet Graf Nik Prochazka. Die Worte des Obersten
klingen und singen ihm noch in den Ohren und übertönen das Brüllen
der Geschütze. Alle fühlen, wie es im Reiterlied des gefallenen
Kameraden heitzt: „Sterb' ich in Polen? — Was liegt daran! Eh'
sie meine Seele holen, kämpf' ich als Reitersmann!" Immer schwirrt
ihm die Weise voran, während er mit blankem Säbel hinter dem
geliebten Oberst reitet. Rascher und froher schlägt das Herz. Geht
es denen, die hinter ihm
traben, wohl anders? Er
sieht sich um und stimmt an:
„Drüben am Ackerrain
Schreien zwei Raben.
Werd' ich der erste sein,
Den sie begraben?
Was ist dabei?
Viel hunderttausend traben
In Ostreichs Reiterei —
Viel hunderttausend traben
In Ostreichs Reiterei ...!"
Keiner ist im Regiment
„Rainer", den Bangen
überkommt. Ob Graf oder
Bauernbursch, alle durch¬
rieselt heiliger Schauer.
Das Regiment über¬
quert in schräger Linie die
Böschung und im ruhigen,
taktmätzigen Trabe rücken
sie vor, als gälte es nichts,
als eine Exerzierbewegung
in der Garnison auszu¬
führen, als wäre das Don¬
nern der Geschütze nichts,
als einKriegsspielzum Ge¬
plänkel des Manövers — in breiter Front umschwenken sie die Flanke
des Gegners. Einer wie der andere sind sie frohester Zuversicht voll.
„El/ sie meine Seele holen,
Kämpf' ich als Reitersmann!"
Mit weithinschallendem Hurra ging ein preutzisches Bataillon
zum Sturm.
Stärker und immer stärker schwoll der Geschützdonner an. Er
brach sich an Bergwänden, im Wald, in den Schluchten. Granaten
furchten die Luft zu Häupten der Stürmenden und wühlten Fetzen
aus dem Ackerland. Adjutant Matula galoppierte zurück: „Hinterm
rechten Flügel der russischen Batterien hält Kavalleriebedeckung,
Herr Oberst!"
Oberst Riegler schlägt mit dem flachen Säbel auf seinen Sattel.
„Also doch! Das hofft' ich! Jungens —!" Steil wendet er
sich im Bügel über die Kruppe seines Rappen zurück — einen
Augenblick finden sich Vater und Sohn im Blick: „Jungens!
Es lebe Ungarn! Gott schütze den Kaiser! Regiment — Galopp
marsch!"
Deutlich sieht man, wie man drüben zum Angriff ansetzt,- den
Signalen der Honvedhusaren gellen von drüben die russischen Hörner
entgegen. Tausend Hufe fliegen über den dröhnenden Wiesenboden.
Nochmal schrillt des Obersten scharfes Kommandowort: „Marsch
— marsch!"
Vorwärts fliegen die Reihen der Husaren. Nik Prochazka stürmt
in der Linie der Wegaufklärer. Seine Wangen glühen.
„Fall' ich am Donaustrand?
Sterb' ich in Polen?
Was liegt daran!
Eh' sie meine Seele holen,
Kämpf' ich als Reitersmann!"
Wem gilt's? Wer wird fallen? Mit blitzenden Säbeln branden
die blaugrauen Reiter dahin. Keine zweihundert Schritt — keine
hundert mehr trennen sie vom Feind, den Kerls mit den Bären-
mützen, die, heranjagend, wilde Schreie ausstotzen.
Auf Tod und Leben stotzen die Reihen ineinander; blitzschnell
wandelt sich das Bild der aufeinanderprallenden Massen in tobendes,
unentwirrbares Durcheinander. Rosse und Reiter wälzen sich am
Boden. Kurze, rauhe Schreie ausstotzend, hauen die Kosaken um
sich. In das Niedersausen der Pallasche mischt sich Pistolenknall und
das Krachen von Karabinern. Wer heruntergerissen und noch be-
wegungsfähig ist, zielt über den Kopf seines sich bäumenden, um
sich schlagenden Pferdes weg. Aber Blutende, über zerfetzte Körper
setzen die Hufe der angstbetäubten Gäule, sie brechen aus, Hetzen
durcheinander. Gräßliche Flüche, und Todesschreie, Wimmern und
Winseln übertönen das Krachen, Splittern und Losschlagen. Alles
übertönt das Eljenrufen
der ungarischen Reiter,
das wild anschwillt und
die Beherzten vorwärts-
recht. Ums Leben geht's,
um den Sieg. Hoch hebt
sich Oberst Rieglers Ge-
stalt im Sattel, sein Dol-
man flattert im Wind,
barhäuptig recht er fei-
nen Rappen herum und
schwingt den Pallasch. Nie
in seinem Leben wird Nik
Prochazka dies Bild ver-
gessen. Er denkt nicht
mehr, daß Tod und Leben
in der Wagschale schwan-
ken, verstummt ist das
Brausen der Melodie in
seinen Ohren, unterge-
gangen in der großen Mu-
sik des gewaltigen Ringens
Mann wider Mann. Jur
Stahle allein klingt die
Seele des Reiters.
Kameraden schießen an
ihm vorbei. Er sieht und erkennt sie. Matula, der Adjutant ist's
und Frigyes Szanto, der schöne Rittmeister, ein paar bärtige Ge-
sellen folgen — ah, das ist Leutnant Riegler, des Obersten Ältester!
Wie er seinem Vater gleicht, wie die Dolmans wehen! Sie über-
holen ihn, ihr Eljen braust durch die Luft. Klingen sieht er aufblitzen.
Und immer mehr drängen rechts und links an ihm vorüber ... ein
ganzer Zug stampfender, wiehernder Rosse ... dann ist das Knäuel
fort... alle, alle. — Gott im Himmel! Ist er denn allein zurück-
geblieben? Durch rotwogenden Nebel sieht er alles um sich. — Was
soll das? Er kann nicht schreien. Sein Arm! Schwer wie Blei,
unbeweglich. Jäher Schmerz läßt ihn die Hand, der die Zügel
entglitten sind, heraufreißen. Heiß und naß sinkt sie zurück. Vorn-
überstürzend hört er das Eljen, nur das Eljenrufen noch ...
Ein Kamerad reitet heran. Gerade recht, um den vom Sattel
sinkenden Offizier aufzufangen. Wie ein Kind nahm er ihn und
trug ihn zur Seite: „Jesus, der Leutnant! Was ist's, Bsla?"
„Wir haben gesiegt," ruft einer von den nachfolgenden berittenen
Ambulanzen. Die Kosaken stieben auf ihre eigenen Batterien zu;
ihr Feuer verstummt, Schnellfeuer eines preußischen Flügelbataillons
mäht sie in Haufen nieder.
Bsla Keresztes nestelt den Attila des Herrn auf. Seine braune
Hand tastet über des Grafen Brust. Das Herz zuckt; der junge
Leutnant lebt. Bela erschrickt. Ah — da haben sie's ihm ge-
geben! Ein Stich — kaum zu sehen, ganz winzig nur. Da springt
das rote Blut und läuft die Hüfte entlang. Ambulanzen kommen
heran. «Fortsetzung folgt.)
Phot. W. Presse-Zentrale, Derltn.
(Lin von österreichisch-ungarischen Truppen eroberter schwerer italienischer 2S-cm-Mörser.